Nachruf auf Regisseur Helmut Dietl: Isch scheiß disch zu mit meinem Geld
Dietl war einer, dessen Humor schwer auf einen Nenner zu bringen ist. Klischees, Vulgäres, Entlarvendes – seine Filme zeigten von allem etwas.
BERLIN taz | Die deutsche Komödie hat zwar Zuschauer – aber keine Freunde. Sie ist wie ein peinlicher Bekannter, dem man nicht ausweichen kann, neben dem man jedoch auf keinen Fall gesehen werden will. Helmut Dietl hat dieses Missverhältnis für eine gewisse Zeit immerhin verändert. Bei „Schtonk!“ (1992), „Rossini“ (1997) oder auch noch „Late Show“ (1999) von Arbeits- oder Studiumskollegen im Kino erwischt zu werden, war sozial überlebbar. Und dabei spielt im letztgenannten Thomas Gottschalk mit. Sich als Fan von Fernsehserien wie „Monaco Franze“ (1983) oder auch den „Münchner Geschichten“ (1974) zu outen, verschaffte gar Distinktionsgewinn. Aus „Kir Royal“ (1986) zitieren zu können – „Isch scheiß disch zu mit meinem Geld!“ – war Mainstream.
Dabei ist der Dietl-Humor nur schwer auf einen Nenner zu bringen. Er hat nichts mit den Männerklischees eines Til Schweiger zu tun, nichts mit den Vulgaritäten eines Matthias Schweighöfer und nichts mit dem Besserwissertum eines Harald Schmidt.
Und doch hat er von all dem etwas. Von jenen Typen, die Dietls frühe Serien bevölkern, dem von Günther Maria Halmer gespielten Karl „Tscharlie“ Häusler aus den „Münchner Geschichten“ oder dem von Helmut Fischer gegebenen „Monaco Franze“ bis hin zur Gemeinschaft der Restaurant-Besucher in „Rossini“ inszenierte Dietl wieder und wieder dieselbe Palette von Männergestalten, allesamt geeint von ausgeprägter Gockelhaftigkeit und habituellem Sexismus.
Diese Typen waren zugleich mehr und weniger als Männerklischees, eigenartiger, eckiger, immer mit Erdung. Wenn Mario Adorf mit seinem samtigen Bass-Idiom die Figur einer Frau damit anpries, dass man für sie fünf Arme bräuchte, und Heiner Lauterbach in gewohnter Ätzigkeit ergänzte „... und drei Schwänze“ – dann hatte das auch etwas entwaffnend Selbstentblößendes. Und das machte aus den Dietl-Zoten oft – nicht immer – etwas Lebenswahres, etwas, in dem die ganz normale männlich-menschliche Kläglichkeit und der seltenere individuelle Großmut zur Geltung kamen. Und man verzieh den Figuren sogar, dass es sich bei der angepriesenen Traumfrau um Veronika Ferres handelte.
Die Dietl-Serien, das muss man sozusagen als Spoilerwarnung vorausschicken, wirken heute völlig veraltet, wie aus der Zeit gefallen. Junge Männer namens Karl, die „Tscharlie“ genannt werden? Dialogzeilen wie „Ois Chicago!“ oder „I glaab jetz schmier I eahm oane. Soll I eahm oane schmiern Spatzl?“, wobei das „Spatzl“ die damals 52-jährige Ruth-Maria Kubitschek war? Auch „der Baby“, der von einem schnauzbärtigen Franz Xaver Kroetz verkörpert wurde – gegenüber Frisch-auf-die-Erde-Gefallenen kommt man da schon in Erklärungsnöte. Dabei hilft es zu begreifen, dass die Serien auch schon in zu ihrer Zeit, den 70er und 80er Jahren, etwas völlig Unzeitgemäßes hatten. Gerade das war ihr Charme, mehr noch, darin lag gerade ihre Subversivität.
Eigensinn, Lebensart, Lebenskünstlertum
Sicher, „Kir Royal“ steckt voller Anspielungen auf die reale Münchner Schickeria, auf Franz Josef Strauß und „How Thing Are Done in Bavaria“, aber die Serie war kein zeitaktuelles Kabarett. Man lachte nicht, weil man erkannte, dass „Medienmogul Gregori Wiener“ Leo Kirch nachgebildet war, sondern man lachte, weil „der Baby“ sich von ihm nicht einschüchtern ließ, was nichts mit einer bestimmten politischen Haltung zu tun hatte, sondern mit Eigensinn, Lebensart, Lebenskünstlertum.
Um die „Münchner Geschichten“ oder „Monaco Franze“ auch heute noch genießen zu können, muss man sich deshalb Zeit nehmen und sich einlassen auf die spezielle Tonart der Figuren. Dass es meist nur eine Staffel mit sechs bis 12 Folgen gibt, erleichtert die Sache zusätzlich. Die Pointen mögen heute lahm wirken, wenn man sie überhaupt versteht, aber der widerständige Geist der Figuren, die gegen das Glatte und Kommerzielle, gegen das politisch Korrekte und politisch Erwartete stehen, kann immer noch bestechen.
Dietls Filme in den 90ern funktionierten ein wenig anders. Ein bisschen scheint es heute so, als habe er im Dreischritt von „Schtonk!“ über „Rossini“ bis zur „Late Show“ die alte Bundesrepublik zu Grabe getragen. Jenes putzige Land ohne Euros mit seinen wohligen Regionalismen, in denen Köln für Karneval, Schwäbisch für Geiz und München für Möchtegern-Schickeria, Lederhosen und Franz-Josef Strauß stand.
Auch für die Kinofilme gilt, dass die Pointen heute weniger gut funktionieren als seinerzeit. Aber dafür sind sie ein Schaulaufen großartiger Schauspielerauftritte: Wenn in „Schtonk!“ Ulrich Mühe den taffen Verleger gibt, der sich vom öligen Götz George einwickeln lässt, während Harald Juhnke den jovialen Berliner Konformisten mimt („Das wird die Sensation: Adolf Hitler privat!“), weiß man kaum, ob man lachen oder vor Rührung weinen soll.
In den 2000er Jahren ging Dietl der Zugang zum Zeitgeschmack etwas verloren. Zuletzt versuchte er mit „Zettl“ (2012) die Figuren von „Kir Royal“ im wiedervereinigten Deutschland wieder aufleben zu lassen. Das ging nicht gut. Aber das heißt nicht, dass das, was davor war, dadurch beschädigt wurde. Helmut Dietl verstarb am 30. März 2015 70-jährig in München.
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