Nachruf auf Musiker Tony Conrad: Er liebte lange Dauern
Meister des Drones und des Flickerns: Der US-amerikanische Musiker, Filmemacher und Künstler Tony Conrad ist tot.
Ein Hüne war er, der gern dazu noch einen Hut auf dem Kopf trug. Riesenhaft ist auch sein Werk, das an Vielseitigkeit und Wirkmächtigkeit seinesgleichen sucht. Tony Conrad war Komponist, Musiker, Filmemacher, Performance- und Videokünstler. Sein Schaffen oszillierte mühelos zwischen hochakademischer Arbeit und experimentellem Pop.
Dabei studierte der am 7. März 1940 geborene Conrad zunächst in Harvard Mathematik. Zum Wendepunkt wurde sein Umzug nach New York im Jahr 1962, wo er sich dem musikalischen Underground anschloss. Eine seiner wichtigsten Stationen war das vom Minimal- Music-Komponisten La Monte Young gegründete Theatre of Eternal Music, eine Gruppe, die sich auf lang gehaltene Drones in reiner Stimmung konzentrierte und in der auch das spätere Velvet-Underground-Mitglied John Cale mitspielte.
Mit John Cale und Lou Reed bildete Conrad zudem die Band The Primitives und machte sie mit dem Buch „The Velvet Underground“ von Michael Leigh bekannt. Was die beiden zum Anlass nahmen, ihre nächste Band nach dem Buchtitel zu nennen.
Die Zuschauer wurden hypnotisiert
Conrad begann in den sechziger Jahren ebenfalls mit seiner Karriere als Filmemacher. Eine seiner bekanntesten Arbeiten, „The Flicker“ von 1965, besteht aus nichts weiter als schwarzen Frames, die in rascher Folge mit weißen Bildern abwechseln und so über 30 Minuten lang einen stroboskopartigen Op-Art-Effekt hervorrufen. Die Zuschauer wurden davon mitunter hypnotisiert. Der Vorspann warnte gar vor möglichen epileptischen Anfällen. „The Flicker“ wurde zum Schlüsselwerk des sogenannten „strukturellen Films.
Mit der Krautrock-Band Faust spielte er 1972 das Album „Outside the Dream Syndicate“ ein, das zum Klassiker der Drone-Musik wurde, ebenso wie sein Soloalbum „Four Violins“ von 1964. Hier gab es keine Melodien, nur lang gehaltene Geigentöne, deren Frequenzen sich so überlagern, dass sie eigene rhythmische Schwingungen erzeugen. Tony Conrads ästhetisches Credo dazu lautete: „Ich liebe lange Dauern in der Musik.“
Seit 1976 lehrte Conrad als Professor an der Fakultät für Media Studies der University of Buffalo. Als Musiker blieb er aktiv, 1995 etwa erschien sein Drone-Album „Slapping Pythagoras“, eine nur geringfügig kaschierte Abrechnung mit La Monte Young, mit dem er sich dauerhaft überworfen hatte. Am Samstag ist Tony Conrad im Alter von 76 Jahren gestorben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!