Nachruf auf Jaki Liebezeit: Fast eine Maschine

Er spielte ohne Taktstriche. Jaki Liebezeits repetitives Schlagzeugspiel prägte den Sound der Krautrockband Can. Mit 78 ist er nun gestorben.

Ein Mann mit Sonnenbrille spielt Schlagzeug, im Vordergrund sitzt ein jüngerer Mann am Laptop, alles ist in blaues Licht getaucht

Jaki Liebezeit im Jahr 2014 bei einem Auftritt in Moers Foto: dpa

Denkt man an Can, fällt einem sofort der Ausspruch von Bassist Holger Czukay ein: „Wir waren überqualifizierte Idioten, als Band haben wir unsere kompositorischen Kenntnisse wieder verlernen müssen.“ Czukay und Keyboarder Irmin Schmidt, beide Schüler von Karlheinz Stockhausen, gründeten Can 1968 zusammen mit dem Schweizer Gitarristen Michael Karoli und dem Schlagzeuger Jaki Liebezeit in Köln.

Von den jungen Rockbands, die bald als Krautrock – dem ersten eigenständigen Popgenre in Westdeutschland – einsortiert wurden, war Can die egalitärste: Alle vier Musiker setzten gemeinsam Ideen beim Songwriting um. Can war auch diejenige Krautrockband, deren Musik am intuitivsten und traumwandlerischsten klang.

Das Experimentelle, das Durchdachte: Bei Can wurde diese Gemengelage nie zu ausufernd, das Quartett erschuf sich eine eigenwillige, unrockistische Klangsignatur, die es auf Alben wie „Tagomago“ (1971) und „Ege Bamyasi“ (1972) zur Meisterschaft geführt hatte. Gleich jenseits von Can konnte die Postmoderne anfangen.

Zentral in diesem Soundgestrüpp waren die repetitiven Drums von Jaki Liebezeit. Liebezeit verzichtete auf das Pedal an der Bass­drum und spielte die Basstrommel stattdessen mit der Hand. Seine elliptische Spielweise gab der Band die nötige Kontur, wie Liebezeit 2002 in einem Interview erklärte: „Ich spiele quasi ohne Taktstriche, in Zyklen, ich bleibe in einem bestimmten Kreis, der keinen Anfang und kein Ende hat und der sich wiederholt. Das ganze Stück über, so wie auch die Tonart eventuell beibehalten wird. So behalte ich meinen Rhythmus.“

Auf den Sound von Can passte die Zuschreibung Krautrock nur bedingt: Denn erstens sang zunächst der Afroamerikaner Malcolm Mooney und dann der Japaner Damo Suzuki, die Band war am Rockstarzirkus nicht sonderlich interessiert. Lieber komponiert Can oftmals Filmmusiken und war immer darauf erpicht, ins Ausland zu reisen, ausgedehnte Tourneen durch England und Frankreich lösten dort Begeisterung aus.

Ein Schwarz-Weiß-Foto der Band Can

Can im Jahr 1971. Jaki Liebezeit ist der zweite von links Foto: dpa

Zweitens inkorporierte Can unterschiedlichste Einflüsse. Liebezeit etwa hatte zuvor Erfahrungen beim Jazz gesammelt, er trommelte für den Trompeter Chet Baker und war Teil des Manfred Schoof Quintetts. Sein Stil war präzise, fast maschinengetrieben, aber er ließ viel Raum, obwohl er unnachgiebig nach vorne marschierte. Jaki Liebezeit: „Den besten Can-Songs lag Teamwork zugrunde. Bis Mitte der Siebziger hatten wir direkt aufgenommen, so wie Jazz-Musiker der Fünfziger auch. Wir haben so viele Takes aufgenommen, bis wir dachten, die Musik sei perfekt. Das hat sich erst geändert, als wir eine Mehrspurmaschine hatten und nicht mehr gleichzeitig spielten. Für mich war es das Ende von Can.“

1978 löste sich die Band erstmals auf. Liebezeit war ohnehin ein Freigeist, mit dem Gitarristen Michael Rother spielte er schon im Jahr zuvor wunderbar relaxte Musik für den Film „Flammende Herzen“ ein, in den Achtzigern wurde er zum gefragten Studiomusiker. Can kamen 1989 nochmals zusammen. Ihre frühen Werke bekamen mit dem Aufkommen von Postrock, aber auch durch den Dancefloorsound Drum ’n’ Bass, eine neue Dimension.

Das merkte auch Jaki Liebezeit, der seit Ende der Neunziger mit dem Kölner Produzenten Burnt Friedman zusammen spielte und mehrere Dub-orientierte Alben unter dem Namen „Secret Rhythms“ aufgenommen hatte. Elektronische Klang­er­zeugung mischte sich dabei mit Liebezeits unkonventionellen Beats, die er von afghanischer und indischer Folkmusik abgeleitet hatte.

Am Sonntag ist der große Schlagzeuger Jaki Liebezeit im Alter von 78 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben.

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