piwik no script img

Nachruf auf Anke FuchsKanalarbeiterin und Feministin

Die SPD-Politikerin Anke Fuchs kämpfte für nachhaltige Sozialpolitik. Und sie ermutigte Frauen, in die Politik zu gehen. Nun ist sie mit 82 Jahren gestorben.

Anke Fuchs während ihrer Zeit als SPD-Bundesgeschäftsführerin im Jahr 1989 Foto: Imago Images / Bonn-Sequenz

Berlin taz | Wer sie im Fernsehen hörte und nicht kannte, der dachte, hier spricht eine Arbeiterin aus Hamburg-Wilhelmsburg. Das manierierte Bürger-Hamburgerisch, das sich Helmut Schmidt aneignete, war nicht ihr Ding. Sie dehnte die Vokale, sprach von den „Loiden“, wenn sie die Leute meinte, und vom „Werchzoich“, wenn sie über ein Werkzeug redete.

Die SPD-Politikerin Anke Fuchs war über Jahrzehnte Politikerin in verschiedenen Ämtern, 1982 ein paar Monate sogar Bundesministerin für Familie und Gesundheit. Sie war unter anderem Staatssekretärin im Arbeitsministerium, SPD-Bundesgeschäftsführerin – das heißt heute Generalsekretärin – und Vizepräsidentin des Bundestags. Als Präsidentin des Mieterbundes hat sie für einen sozialen Wohnungsbau zu einer Zeit gestritten, als man in ihrer eigenen Partei an die freien Kräfte des Wohnungsmarktes glaubte.

Fuchs gehört zu den PolitikerInnen, die über viele Jahre ein bekanntes „Tagesschau“-Gesicht sind, aber es nie nach ganz vorne schaffen. Und wenn sie aus der Politik ausscheiden, geraten sie schnell in Vergessenheit. Bei Anke Fuchs ist das ungerecht.

Die Mutter von zwei Kindern hat Frauen ermutigt, dass sie in die Politik gehen, dass sie sich nicht abschrecken lassen von gläsernen Decken. Sie hätte sich selbst nie als Feministin bezeichnet – sie war eine, indem sie es einfach machte. Sie griff zu, wenn sich die Gelegenheit bot, und förderte andere Frauen.

Politische Größen im Elternhaus

Sie war die Tochter des Hamburger Bürgermeisters Paul Nevermann. 1937 geboren, erlebte sie als Kind, wie politische Größen – sie selbst hätte wohl „wichtige Loide“ gesagt – wie Herbert Wehner, Kurt Schumacher und sogar Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl aus Ost­berlin im Elternhaus vorbeikamen.

Sie verehrte ihren Vater und folgte als Erwachsene seinen Spuren. Sie ging hauptberuflich in die Gewerkschaft IG Metall; sicherlich auch, weil ihr Vater gelernter Schlosser und Gewerkschafter war. Sie studierte Jura, so wie ihr Vater auch. Und natürlich trat sie in die SPD ein.

Dort gehörte sie dem „Seeheimer Kreis“ an, der damals noch kein Karriereclub für sogenannte Pragmatiker war, sondern die eher traditionellen, gewerkschaftlichen Facharbeiterflügel – „Kanalarbeiter“ genannt – repräsentierte. Theoriedebatten waren ihre Sache nicht; mit der Ökologiebewegung der 70er Jahre fremdelte sie lange. Es ging ihr darum, das Leben der sogenannten einfachen Leute Schritt für Schritt durch Sozialpolitik zu verbessern.

Als loyaler Parteimensch ging sie 1990 nach Sachsen in einen aussichtslosen Wahlkampf gegen den CDU-Kandidaten Kurt Biedenkopf. Die SPD verlor krachend in ihrem ehemaligen Stammland, aber das lag in erster Linie nicht an Anke Fuchs.

Der Zeit erzählte sie viel später einmal: „Die Leute hatten kein Westfernsehen sehen können. Sie kannten mich lange nicht so gut, wie wir gedacht hatten.“ Ein typischer Anke-Fuchs-Satz: nüchtern, analytisch, ohne Selbstmitleid.

Am Sonntag ist Anke Fuchs nach einer langen Erkrankung in Wilhelmshaven gestorben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Zitat: „Die Leute hatten kein Westfernsehen sehen können. Sie kannten mich lange nicht so gut, wie wir gedacht hatten.“

    Das fehlende Selbstmitleid ist für mich nicht das Erstaunlichste an diesem Satz. Erstaunlicher ist das „wir“, das darin vorkommt.

    Bei aller Pragmatik und Basisnähe: Auch eine Anke Fuchs hat ihren Wahlkampf nicht selbst organisiert 1990. Die hauptamtlichen Profi-Strategen der SPD aber haben sich offenbar schon damals mehr mit sich selber befasst als mit den „Loiden“, die "ihre" Partei wählen sollten. Sie haben aus lauter Ignoranz das falsche „Wechzoich“ gewählt – und ihre beste Kraft damit schachmatt gesetzt. Und Anke Fuchs? Die scheint das einfach so akzeptiert zu haben. Schuldzuweisungen sehen jedenfalls anders aus. Was Anke Fuchs sagt, ist viel eher: 'Ich selber bin auch schuld. Ich hab mich nicht rechtzeitig entschieden genug gewehrt.' Heutzutage wäre so eine Aussage in der SPD unmöglich.

    Heutzutage ist die Partei zweitrangig, wenn wieder mal eine Wahl flöten gegangen ist. Und von „den Loiden“, um deren Leben es der Ursprungs-Partei einmal ging, ist erst recht keine Rede mehr. Vielmehr heißt es: Pflaster aufkleben. Und jede noch so kleine, noch so gemeine Rache zählt dabei mit. Scheiß doch auf Wahlstatistiken!

    Ja, sie wird fehlen, die gute Frau Fuchs. Aber ich bin ziemlich sicher: Den meisten Genossen wird das gar nicht groß auffallen. Gerechtigkeit erwarten sie schließlich schon lange nicht mehr. Auch nicht mit sich selbst. Sie behelfen sich längst schon mit jeder Art Schmerzensgeld.