piwik no script img

Nachhaltigkeitsforschung muss blutenSparen mit dem Rasenmäher

Der Etat für Umweltforschung schrumpft. Ministerin Wanka muss Geld einsparen, damit die „Herdprämie“ finanziert werden kann.

Forschungsministerin Johanna Wanka auf Auslandsreise – in Norwegen in einer Multimediashow zu Polarlichtern Bild: dpa

BERLIN taz | Gegen die drastische Kürzung von Forschungsgeldern für die Nachhaltigkeitswissenschaft im Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) haben führende deutsche Umweltverbände protestiert. Die Spareinschnitte von bis zu 20 Prozent werden durch eine „globale Minderausgabe“ – Amtsdeutsch für Rasenmäherkürzung – verursacht, mit der aus dem laufenden Bundeshaushalt das Geld für das CSU-Prestigeprojekt „Betreuungsgeld“ aufgebracht werden soll.

„Mit der Herdprämie hat es die CSU endgültig geschafft, die Klimakanzlerin in die Knie zu zwingen“, urteilte der Nachhaltigkeitsforscher Kai Niebert von der Leuphana Universität Lüneburg und Mitglied im Präsidium des Deutschen Naturschutzrings (DNR), der Dachorganisation der Umweltverbände.

„Nun verhindert sie nicht nur eine gute Bildung für die Kleinsten, sondern auch Forschung, um ihnen eine gute Zukunft zu ermöglichen. So wird Deutschland nicht nur seine Klimaziele verfehlen“, so Niebert in einer gemeinsamen Erklärung der Verbände.

Insgesamt muss das BMBF aus seinem Etat 480 Millionen Euro an „Globaler Minderausgabe“ erbringen. Der Forschungstitel für „Klima, Biodiversität und globalisierte Lebensräume“ mit einem Gesamtansatz von 102 Millionen Euro wurde um 17,5 Prozent gekürzt, das sind fast 18 Millionen Euro. Der Titel „Gesellschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit“ – ohnehin mit 27 Millionen Euro schon sehr bescheiden angelegt – wird um weitere fünf Millionen Euro rasiert: 19 Prozent weniger.

Aus diesem Topf sollen Projekte der „sozialökologischen Forschung“ finanziert werden, etwa zu gesellschaftlich relevanten Fragen des nachhaltigen Konsums oder neuen Ökonomiemodellen. „Deutlicher kann sich das BMBF von seinen Lippenbekenntnissen zur Einbeziehung der Gesellschaft in den Wandel zu nachhaltigen Lebens- und Konsummustern nicht distanzieren“, kommentierte Hubert Weiger, Präsident des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Verantwortung für die globale Umwel

Noch im vorigen Herbst hatte Forschungsministerin Johanna Wanka auf dem Forum für Nachhaltige Entwicklung (FONA) angekündigt, die Aktivitäten im Bereich „Sustainability“ zu verstärken, unter anderem mit dem neuen Forschungsprogramm FONA-3, das im Frühjahr 2015 starten sollte. „Wir haben als reiche Industrienation eine Verantwortung für die globale Umwelt“, erklärte damals die CDU-Politikerin.

Die Kürzungshinweise erhielten die Umweltverbände, unter ihnen auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu), aus den Haushaltsberatungen des Deutschen Bundestags. Nicht wenige Abgeordnete wurmt es, dass das Parlament in Finanzfragen zwar offiziell das letzte Wort hat, während bei den „globalen Minderausgaben“ die Exekutive der Ministerien aber selbst bestimmt, wo Einschnitte vorgenommen werden.

So könne das BMBF die Kürzungen „nach eigenem Gutdünken vornehmen und dadurch die Schwerpunktsetzung durch die im Parlament bewilligten Einzelhaushalte kräftig verändern“, kritisieren die Umweltverbände.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Manfred Ronzheimer , Autor*in des Artikels,

    Aus dem BMBF erreichte mich nach Redaktionsschluss diese Stellungnahme:

     

    "Die Förderung der Forschung zur Nachhaltigkeit ist und bleibt eine Priorität der Bundesregierung. Die Projektfördermittel für Klima, Klimaschutz und Globaler Wandel wurden im Zeitraum von 2005 bis 2013 von 72 Mio. Euro auf 136 Mio. Euro nahezu verdoppelt. Dieser Trend wird sich auch künftig fortsetzen. Das neue Rahmenprogramm „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA3) wird übrigens am 21.4. vorgestellt werden.

    Die von Ihnen angeführte Globale Minderausgabe (GMA), die vom Haushaltsgesetzgeber beschlossen wurde, ist kein planerisches Instrument. Vielmehr trägt eine GMA den bestehenden Unsicherheiten bei der Durchführung von Forschungsprojekten Rechnung, welche zu Verschiebungen innerhalb der Projektlaufzeit und damit zu Zahlungsverschiebungen führen können. Bei rund 20.000 Forschungsvorhaben des BMBF können dabei auch Summen in der genannten Größenordnung entstehen. Dies sind Effekte, die insbesondere beim Anlaufen von neuen Maßnahmen bzw. bei besonders innovativen Vorhaben auftreten.

    Löst man den Blick von einzelnen Projektförderlinien und betrachtet die Ist-Ausgaben für Klima, Klimaschutz und Globalen Wandel von 2013 und 2014 insgesamt, ist eine von Ihnen erwähnte Finanzlücke nicht ersichtlich. Denn die BMBF-Ausgaben für diesen Bereich sind auf hohem Niveau von rd. 205 Mio. € konstant geblieben."