Probleme der UN-Nachhaltigkeitsziele: Ein Erdball zu wenig

Umweltexperten warnen davor, dass der Bedarf an Boden die neuen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen gefährdet. Das Land wird knapp.

Soja-Ernte in Brasilien – auch für Staaten wie Deutschland. Bild: dpa

BERLIN taz | Boden wird in den kommenden Jahrzehnten verdammt knapp – so knapp, dass sein Schutz andere Umweltprobleme verursachen kann. So lautet, wenn auch wissenschaftlicher formuliert, das Ergebnis zweier internationaler Studien, die zum Auftakt der internationalen Konferenz „Global Soil Week“ am Montag in Berlin vorgestellt wurden.

Das von Klaus Töpfer geleitete Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in Potsdam und das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) nahe Wien hatten untersucht, ob und wie die geplanten Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zusammenpassen. Ergebnis: Sie passen nicht. 10 der 17 Ziele, führte Töpfer aus, „haben direkte oder indirekte Verbindung zu Böden“, wobei es „deutlich mehr Ansprüche an Böden und Biomasse“ gebe, als vorhanden seien.

Die neuen UN-Ziele sollen die früheren Millenniumsziele ablösen und im September von der Generalversammlung beschlossen werden; im Unterschied zu den alten gelten sie dann auch für Industrieländer wie Deutschland.

Auch in der Bundesrepublik sind immense Interessenskonflikte zu beobachten. Derzeit werden laut IASS 12 Prozent der Böden für die Biomasseproduktion genutzt, „mit deutlich steigender Tendenz“. Gleichzeitig gehen pro Tag 70 Hektar für Neusiedlungen, Straßenbau und Infrastruktur verloren. Deshalb importiere Deutschland „massiv virtuelle Flächen“, so Töpfer weiter.

„Druck aus dem Ballon lassen“

Jährlich seien es bis zu 80 Millionen Hektar, die vor allem für Soja- und Tierfutterproduktion in Lateinamerika genutzt würden. „Wir bräuchten einen zusätzlichen Erdball“, ergänzte Umweltwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker, „wenn alle Menschen auf der Welt unseren Fleischkonsum nachahmen würden.“

IIASA-Programmdirektor Michael Obersteiner verglich das Erdsystem mit einem überdehnten Ballon. Versuche man, eine „Delle“ auszugleichen, etwa mehr Naturschutzgebiete auszuweisen, um das Artensterben aufzuhalten, dann entstehe anderswo eine neue Delle, etwa durch intensivere Landnutzung und mehr Wasserverbrauch oder durch höhere Lebensmittelpreise. Aber er sah durchaus Chancen, Druck aus dem Ballon zu lassen, etwa durch „nachhaltigen Konsum, nachhaltige Produktion, weniger Fleischkonsum“.

Einige Ergebnisse der Studie seines Instituts wurden mit gänzlich neuen schwarmintelligenten Methoden der Bürgerwissenschaften gewonnen. Mittels mobiler Apps konnten Menschen in Afrika melden, wie bei ihnen Land genutzt wird und ob Konzerne dabei Landraub betreiben.

„In zwei Wochen hatten wir ein bis zwei Millionen Rückmeldungen“, so Obersteiner. Dabei sei nicht alles schwarz-weiß zu sehen. Im Senegal habe eine Schweizer Firma zuerst Männer für Produktion und Export grüner Bohnen eingestellt, mit vorwiegend negativen Resultaten. Danach seien nur noch Frauen angestellt worden. Ihr Einkommen stieg, sie konnten ihre Kinder in die Schule schicken. Frauenrechte und Armutsreduktion gehörten ebenfalls in das „Paket“ der Nachhaltigkeitsziele.

Für die Pariser Klimaverhandlungen wünschten sich Töpfer und Weizsäcker unter anderem, CO2-Emissionen zu verteuern. Am liebsten sei ihnen eine CO2-Steuer. Doch ein vorsichtiges Nachfragen in der Regierungskoalition habe kein positives Ergebnis erbracht.

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