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Nachhaltiger TourismusKleinteilig vernetzt

Ein Netzwerk für Europa. Tourismusveranstalter diskutieren auf Sardinien die Chancen eines ökologischen und sozialen Tourismus.

Die Schmalspurbahn Trenino Verde von Arbatax nach Mandas in der Provinz Ogliastra, Sardinien Foto: imagebroker/imago

Lanusei taz | Die Provinz Ogliastra an der zentralen Ostküste Sardiniens ist eine der ursprünglichsten Gegenden der italienischen Insel. Wild, rau, schroff. Die Kalkfelsen durchziehen tiefe Schluchten, die Küste fällt steil ins Mittelmeer. Der Zugang zu den kleinen Badebuchten ist manchmal nur vom Meer möglich. Neben Wassersport, Tauchen und Baden ist die Ogliastra daher auch ein Landstrich zum Wandern und Klettern. Hier fährt die historische Schmalspurbahn, der Trenino Verde, die einst mit Kohle und landwirtschaftlichen Produkten durch die Berglandschaft mit Olivenbäumen, Korkeichen und Weinbergen schnaufte. Ein Hinterland wie geschaffen für einen individuellen, einen langsamen Tourismus.

Hier in den Bergen der Ogliastra, in der Stadt Lanusei, fand jetzt im Herbst das Festival ITACA für einen nachhaltigen Tourismus statt. Um die Vorzüge dieser Region zu präsentieren, aber vor allem um neue Wege zu einem nachhaltigen Tourismus europaweit zu diskutieren.

„Zur Förderung des nachhaltigen und sozialen Reisens in Europa“ hat sich ein Netzwerk europäischer Reiseveranstalter zusammengeschlossen. Die Kernmitglieder stammen aus Deutschland (Forum Anders Reisen), Frankreich (les oiseaux de passage), Portugal (die Reiseagentur Proactivetur), Österreich (Conscious Tourism Group) und Italien (Sardinia Fair Travel – Ökotourismus Sardinien).

Sie wollen durch ein gemeinsames Portal nachhaltige Projekte europaweit sichtbar machen und sich für gemeinsame Ziele vernetzen: Weg vom Billigflieger, hin zu einer ökologischeren Anreise. Eine bessere Verteilung des Reisemarkts an neue Orte, die die Begrenzung von vornherein mitdenken. Wie kann vermieden werden, dass eine Abhängigkeit vom Tourismus entsteht? Wie schafft man eine gerechtere Entlohnung der Beschäftigten? Was ist notwendig, um den Tourismus in die Gegebenheiten vor Ort einzubauen?

Neue Chance für Bahnreisen

„Die Nachfrageseite ändert sich gerade“, sagt Prosper Wanner von Oiseau de Passage. „Ich sehe tatsächlich zum ersten Mal ein verändertes Bewusstsein gesamtgesellschaftlich, das uns die Chance gibt, Bahnreisen wieder nach vorne zu spielen.“ Dazu hat das junge Netzwerk Kontakt zur Europäischen Kommission aufgenommen. „Wir wollen das bodenständige Reisen mit dem Zug in Europa fördern. Aber auch die lokale Kultur. Aber vor allem geht es uns um faire Arbeitsbedingungen im Tourismus“, betont Wanner. Denn die sind oft katastrophal. Sara Lorro von der lokalen Gewerkschaft Fisascat Cisl schildert die schlechte Bezahlung, die saisonale Unsicherheit und Ausbeutung: „Ein Stundenlohn von fünf Euro wird locker unterboten.“

„Konkret arbeiten wir gerade an einem Projektantrag an die EU. Erasmus plus“, sagt Petra Thomas vom Forum Anders Reisen. „Ein Hauptansatz ist die Ausbildung in Bezug auf nachhaltigen Tourismus, Mobilität und die Beratung dazu. Wir wollen das Thema in die Reisebüros, in die Berufsausbildung einbringen. Damit die Leute am Counter gewappnet sind.“

Für Ignazio Corrao, den Vertreter der EU-Kommission, hat das Thema gesellschaftspolitisch an Wichtigkeit gewonnen. „Wir unterstützen nachhaltige Tourismusprojekte ausdrücklich. Wenn man Tourismus gut gestaltet, nutzt er der Region. Infrastrukturprojekte, beispielsweise der Ausbau des öffentliche Verkehrs, kommt immer auch den Menschen in der Region zugute.“

„Ohne die Gemeinden geht es nicht,“ sagt Jean-Luc Madinier, der Organisator des Treffens und Veranstalter von Sardaigne en Liberté. „Auch um die Gemeinden hier vor Ort aufzurütteln, mitzunehmen, ist diese internationale Konferenz wichtig für uns.“ Denn ohne die Hilfe der Gemeinden gibt es keine funktionierenden Wanderwege, keine lokale Infrastruktur.

Das Netzwerk will kontinuierlich und kleinteilig, aber europaweit weiterarbeiten. Und aus der Praxis konstruktive Antworten auf die derzeitige Krise im Tourismus und Visionen für umwelt- und sozialverträgliches Reisen ableiten.

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