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Nach tödlicher Messerattacke in MannheimEin Prozess, kein Untersuchungsausschuss

Im Mai hatte Sulaiman A. in Mannheim mit einem Messer auf Anti-Islam-Aktivisten eingestochen und einen Polizisten getötet. Nun steht er vor Gericht.

Prozessauftakt in Mannheim Foto: Thomas Kienzle/Reuters

Stuttgart taz | Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen hat vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht der Prozess gegen den 26-jährigen Sulaiman A. begonnen. Am 31. Mai letzten Jahres hatte er auf dem Marktplatz in Mannheim fünf Teilnehmer einer Kundgebung der islamfeindlichen Bürgerbewegung Pax Europa (BPE) sowie den Polizisten Rouven Laur mit einem Messer verletzt. Der 29 Jahre alte Laur erlag später seinen Verletzungen.

Es ist ein Prozess mit großem Medienaufgebot, am gleichen Tag, an dem ein mutmaßlicher Anschlag eines anderen Afghanen in München die Nachrichten bestimmt. Auch Freunde und Nachbarn des getöteten Polizeibeamten sind im Hochsicherheitsgerichtssaal in Stuttgart-Stammheim anwesend. Die Familie sowie Mitglieder der Organisation Pax Europa sind als Nebenkläger vertreten.

Des Mordes und des versuchten Mordes angeklagt

Der 26-jährige Angeklagte wird in Handschellen in den streng gesicherten Saal geführt. Er verbirgt sein Gesicht mit einem Aktenordner. Der junge Mann wirkt schmächtiger als auf den Videos. Er trägt einen Vollbart und eine goldgeränderte Brille.

Der Generalbundesanwalt wirft Sulaiman A. unter anderem Mord und versuchten Mord vor. Die Anklageschrift beschreibt detailliert, was auch auf dem Video zu sehen ist, das in den sozialen Medien kursierte. Wie Sulaiman A. blitzschnell auf den Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger einsticht. Wie er im Handgemenge weitere Menschen mit dem 18 Zentimeter langen großen Jagdmesser verletzt. Wie er Rouven Laur in den Kopf und Schulter sticht. Das Blutbad findet erst ein Ende, als ein anderer Beamte den Angreifer niederschießt.

Das Verfahren sei kein Untersuchungsausschuss und auch keine parlamentarische Stunde, so der Vorsitzende Richter. Er verwies auf die Gewaltenteilung, die hier zum Glück gelte, anders als in anderen Teilen der Welt.

Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass der Angeklagte seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan 2021 mit den Lehren des radikalen Islam in Kontakt kam und dann Sympathien für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entwickelte. Er habe sich über Monate im Internet und über Telegram-Chats radikalisiert und dazu entschlossen, einen Anschlag auf vermeintlich Ungläubige zu begehen.

Richter: „Verfahren ist kein Untersuchungsausschuss“

Angesichts des großen öffentlichen Interesses an dem Prozess dämpfte Richter Herbert Anderer die Erwartungen der Öffentlichkeit an den Prozess. Das Verfahren sei kein Untersuchungsausschuss und auch keine parlamentarische Stunde, so der Vorsitzende Richter. Er verwies auf die Gewaltenteilung, die hier zum Glück gelte, anders als in anderen Teilen der Welt. Das möge zu Enttäuschung führen, weil Fragen offen blieben. Hier stehe allein der Angeklagte und dessen mögliche Schuld im Mittelpunkt.

Der Richter wies auch darauf hin, dass das Bild- und Filmmaterial, das während des Verfahrens gezeigt werde, sehr emotionale Momente mit sich bringen werde. Für die Verfahrensbeteiligten und Angehörigen, aber auch für die Richterinnen und Richter selbst.

Das Verfahren ist auf über 50 Prozesstage bis in den Herbst dieses Jahres angesetzt. In der nächsten Woche will sich der Angeklagte nicht zur Tat, aber zu seiner Person vor Gericht äußern. Zudem soll einer der Nebenkläger der Organisation Pax Europa, der bei dem Anschlag schwer verletzt wurde, aussagen.

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