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Nach sieben Monaten Haft für OhrfeigeAhed Tamimi auf freiem Fuß

Für die Palästinenser ist die 17-Jährige eine Heldin, für Israels Sicherheitskräfte eine enervierende Herausforderung.

Erstmal zum Grab Arafats. Tamimi nach Entlassung Foto: AP

Ahed Tamimi lässt sich feiern. Schon am Straßenkontrollpunkt zum Westjordanland, wo Soldaten die 17-Jährige am Sonntagmorgen in die Freiheit entließen, warteten Familienangehörige, Freunde und zahlreiche ihrer Anhänger. Das junge Mädchen mit den wilden blonden Locken gilt als Symbol für den palästinensischen Widerstand.

Sie war erst 16, als sie in ihrem Heimatdorf Nabi Saleh, nördlich von Ramallah, festgenommen wurde, weil sie zwei Soldaten ohrfeigte, boxte und mit dem Fuß trat, die auf der Suche nach Terroristen in ihr Dorf gekommen waren. „Ich habe einen hohen Preis gezahlt, aber ich bin stolz auf das, was ich getan habe“, sagte Tamimi. „Meine Generation wird sich von der Unterdrückung nicht brechen lassen. Die Freiheit wird kommen.“

Tamimi erreichte durch ihr Schuldbekenntnis einen Vergleich über die gemilderte Haftsstrafe, musste jedoch ein Bußgeld von umgerechnet rund 1.200 Euro zahlen. Aheds Mutter Nariman wurde ebenfalls im Dezember verhaftet und kam wie ihre Tochter nach sieben Monaten Haft am Sonntag auf freien Fuß. Ihr warfen die Armeerichter vor, dass sie die Ohrfeige gefilmt und später im Internet veröffentlicht hatte.

Beide Prozesse fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der erste Weg nach ihrer Entlassung führte Mutter und Tochter zum Grab von Jassir Arafat, dem legendären Chef der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation).

Noch 291 minderjährige Palästinenser in Haft

Die Verhaftung und Verurteilung der jungen Palästinenserin löste international Protest aus gegen die gängige Praxis in Israel, Minderjährige zu Haftstrafen zu verurteilen. Der palästinensische Verband für die Unterstützung von Häftlingen und für Menschenrechte Addameer zählt aktuell 291 Minderjährige hinter Gittern, 49 davon seien sogar noch keine 16 Jahre alt.

Schon als Zwölfjährige sorgte Ahed Tamimi für Schlagzeilen, als sie auf Konfrontation mit schwerbewaffneten Soldaten ging. Ihr Vater Bassem Tamimi sorgte federführend für eine lebhafte Medienkampagne und Unterschriften-Aktionen mit der Forderung nach baldiger Entlassung seiner Tochter.

Während Ahed Tamimi im Westjordanland und im Gazastreifen als mutige Heldin verehrt wird, ist sie für Israels Armee ein lästiger Störenfried. Die Staatsanwaltschaft hätte das junge Mädchen gern für länger hinter Gitter geschickt. Sieben Monate Haft gelten bei den Militärgerichten als milde Strafe. „Der Widerstand wird fortgesetzt, solange die Besatzung andauert“, erklärte die zwar sehr blasse aber unerschrockene Palästinenserin schon kurz nach ihrer Entlassung.

Der Fall der Ahed Tamimi löste auch in Israel eine heftige Debatte aus. Der populäre Liedermacher Jonathan Geffen verglich die Palästinenserin gar mit Anne Frank, korrigierte sich kurz darauf aber selbst und meinte, Tamimi sei eher eine Art „Wonder Woman“.

Umgekehrt äußerte der Abgeordnete Michael Oren von der Mittepartei Kulanu Zweifel an der Echtheit der blonden, hellhäutigen und blauäugigen Palästinenserin. „Die Tamimi-Familie – die vielleicht gar keine echte Familie ist – steckt ihre Kinder in ein amerikanisches ‚Outfit‘ und bezahlt ihnen Geld, damit sie Soldaten vor laufender Kamera provozieren“, twitterte Oren.

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33 Kommentare

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  • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler

    Der Gipfel war der unten verlinkte Tagesschau-Beitrag im Ersten.



    Das ist schon ganz toll, in der Tagesschau zu hören, daß die “junge Frau” Ahed Tamimi 8 Monate im Gefängnis sass (fehlte nur noch das Wörtchen “nur”) weil sie Soldaten der “israelischen Besatzung” ins Gesicht geschlagen hat. Kein Wort davon, daß die Tamimis das als Familiensport betreiben. Oder davon, mindestens ein Familienmitglied an einem Attentat beteiligt war, oder daß Tamimi in einigen (wenn die u.a. Information stimmt, in 11!) weiteren Punkten angeklagt und Wiederholungstäterin ist … spielt alles keine Rolle … es ist so beschämend, das deutsche öffentlich-rechtliche Fernsehen als Werkzeug antisemitischen Aktivismus zu sehen. Zeit genug für herzzerreissende Bilder der ihre seit frühester Kindheit instrumentalisierten Tochter glücklich in die Arme schließenden Familie - aber keine Zeit für Recherche. Gab es ähnliche Bilder von Fabio V., der wegen G20 mehrere Monate in deutschen Gefängnissen saß, obwohl ihm nicht einmal Ausübung von Gewalt vorgeworfen wurde? Das ist schon hart. Das ist auf so vielen verschiedenen Ebenen unerträglich - nicht zuletzt auch, weil der Pallywood-Trick, ein "junges Mädchen mit wilden blonden Locken" zu benutzen, um die Aufmerksamkeit der weißen Westeuropäer zu erregen, funktioniert. Das würde wahrscheinlich mit einem dunkelhäutigen Palästinenser nicht funktionieren und offenbart den tiefliegenden Rassismus und Sexismus auch in der deutschen Medienlandschaft.

    www.tagesschau.de/...ed-tamimi-107.html

    www.salonkolumnist...uzzug-der-tamimis/

    www.ard-telaviv.de...il-im-fall-tamimi/

    juedischerundschau...-helden-135911203/

    http://juedischerundschau.de/pallywood-superstar-shirley-temper-135910223/

    • @Ulf Schleth:

      "...Werkzeug antisemitischen Aktivismus..."

      ist das der beweis das Juden, laut märchenbuch 1, die wahren Semiten sind und Palästinenser dagegen nur miderwertige semiten?

      • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler
        @Theloneous Honk:

        Antisemitismus ist ein Synonym für Judenfeindlichkeit. Antijudaismus würde auch sehr gut passen: "Sind die Motive der Feindschaft überwiegend religiös, wird von Antijudaismus gesprochen. Sind die Motive nationalistisch, sozialdarwinistisch oder rassistisch, wird dies im Anschluss an die Antisemiten selbst seit etwa 1870 als Antisemitismus bezeichnet. Dieser Begriff wird heute oft als Oberbegriff und Synonym für alle Formen pauschaler Judenfeindlichkeit gebraucht."



        de.wikipedia.org/w...Judenfeindlichkeit

    • @Ulf Schleth:

      "...Tamimi in einigen (wenn die u.a. Information stimmt, in 11!)..."

      Das macht mich neugierig. Können Sie bitte ein paar nennen? Sagen wir mindestens 5?

      • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Schauen Sie im 3. verklinkten Text von oben. Das ist offenbar die Seite des ARD-Studios Tel Aviv. Dort hat man anscheinend wenigstens einen Blick in die Klageschrift geworfen.

        • @Ulf Schleth:

          Meine Sie diesen Satz?

          "Die Staatsanwaltschaft entschied, einen Großteil der Anklagepunkte fallen zu lassen."

          Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, als ginge es um ein knappes Dutzend Straftaten. Dies stimmt aber offensichtlich nicht. Dazu kommt, dass ganz allgemein die Anzahl der Anklagepunkte egal ist. Wichtig ist, welche beweisbar sind. Das wiederum lässt sich in einem Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit (warum?) schwer beurteilen.

          • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler
            @warum_denkt_keiner_nach?:

            Hallo. Ich versuche gar nichts. Ich meine den Absatz, in dem steht "Die Anklage umfasste neben dem jüngsten Vorfall noch andere Vorwürfe, darunter Steinwürfe gegen Soldaten. Insgesamt waren es zwölf Punkte." Was lediglich bedeutet, daß es in der Klage nicht nur um einen Schlag ging.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Sie sollten ein Zitat nicht aus dem Zusammenhang reißen bzw. nicht nur den 2. Satz zitieren. In dem ARD-Artikel steht: "Es kam zu einer Einigung zwischen Anklage und Verteidigung, einem sogenannten Deal. Die Staatsanwaltschaft entschied, einen Großteil der Anklagepunkte fallen zu lassen." Mit anderen Worten, man hat sich geeinigt und die vielen anderen Anklagepunkte nicht weiter verfolgt. Warum denken Sie nicht nach? Es wäre natürlich interessant zu wissen, wie die anderen Anklagepunkte lauteten.

            • @Nicky Arnstein:

              "Mit anderen Worten, man hat sich geeinigt und die vielen anderen Anklagepunkte nicht weiter verfolgt."

              Und warum tut man das? Weil man Probleme hat, sie zu beweisen. Und warum hat Herr Schleth extra auf das knappe Dutzend hingewiesen? Um zu suggerieren, dass es viele beweisbare Tatbestände gibt.

              PS: Kann sein, dass es Sie verwirrt, dass ich nicht nur in eine Richtung denke. Aber probieren Sie es ruhig mal. Es lohnt sich...

    • @Ulf Schleth:

      Danke. Ich finde es auch zum Kotzen. Vor allem, weil wir für so etwas Fernsehgebühren bezahlen müssen.

      • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler
        @Nicky Arnstein:

        Hallo, ich kritisiere hier einen Beitrag, das ist noch kein Grund, die Existenzberechtigung der Öffentlich-rechtlichen oder die der dafür erhobenen Gebühren in Frage zu stellen. Das ist eine andere Diskussion und die gehört IMHO nicht hierher.

        • @Ulf Schleth:

          Ich habe weder die Existenzberechtigung der öffentlichen-rechtlichen noch die Fernsehgebühren in Frage gestellt, sondern den betreffenden Bericht der ARD-Tagesschau kritisiert. Im Übrigen ist es nicht das erste Mal, dass öffentlich-rechtliche deutsche Fernsehsender durch nicht profund recherchierte, geradezu israelfeindliche Nahost-Berichte auffallen. Und von einem mit Gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Sender kann ich schon qualitativ hochwertige Berichterstattung erwarten.

          • Ulf Schleth , Autor Moderator , Autor & Online-Entwickler
            @Nicky Arnstein:

            Da haben Sie Recht.

    • @Ulf Schleth:

      Vielen Dank für die Links und die klare Haltung!

  • Bedenklich ist es allerdings, dass Israel die doch etwas stark aggressive Dame wieder zu ihren Eltern zurückschickt und in den Knast steckte anstatt in eine Maßnahme zur Verbesserung ihres Sozialverhaltens.

    Leider besteht selbst unter aufgeklärten Menschen immer noch der Aberglaube, dass Kinder nur zu ihren Eltern gehören, egal, was die anrichten.

  • „Der Widerstand wird fortgesetzt, solange die Besatzung andauert“, erklärte die zwar sehr blasse aber unerschrockene Palästinenserin schon kurz nach ihrer Entlassung.

    Erinnern wir uns wie Gilat Schalit aus der Haft entlassen wurde:

    www.google.com/sea...grc=v4lLnOlj7yzzWM:

  • Ahed Tamini wäre eher eine Heldin, wenn Sie Politkern, Funktionären oder Sicherheitskräften der Hamas eine scheuern würde.



    So ist es nur ein Remake des klassischen Pallywood-Genres: Der Zorn der Gerechten IV: Die Rache der Kinder.

    • @pitpit pat:

      Pallywood at its best! Und die deutschen Medien springen auf den Zug, berichten und zeigen Bilder von "Wonder Woman".... Sogar in den Haupt-Nachrichten der öffentlich-rechtlichen Sender. Es wäre in der Tat gescheiter, wenn das agressive Mädchen der Hamas eine scheuern würde, nur so blöd ist sie auch nicht. Sie weiß, dass sie dann nicht mehr leben würde. Jedenfalls steht ihr eine große Karriere als was auch immer bevor.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Die ehrenwerte Familie Tamimi.

    Ahlan Tamimi brachte im August 2001 einen Selbstmordattentäter in eine Pizzeria in Jerusalem. Bei dem Anschlag wurden 15 Menschen, darunter sieben Kinder, getötet und 130 verletzt.

    Ein Cousin ihres Vaters Sa’id Tamimi, ermordet 1993 den jungen Siedler Chaim Mizrahi aus Beit El. Zusammen mit zwei Komplizen hatte er den Studenten entführt, erstochen und dessen Leiche verbrannt.

    Und der Frieden kommt immer näher.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      "...Cousin ihres Vaters..."

      Aha...

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich hatte nur die Highlights rausgepickt. Hier steht noch mehr:

        www.mena-watch.com...ind-als-kriegerin/

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Ah... Think Tank...?!



          Aha...Medienbeochschtungstelle Nahost...!!



          Na ja... dann sehr wahrscheinlich Mossad...



          M. M. nach ist das nicht unabhängige Journalismus..

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Hier ein Interview einer Jungen Frau:

          Freed Hamas Terrorist Ahlam Tamimi Revels Her Attack:

          www.youtube.com/watch?v=Iq28f0VztYw

          • 8G
            88181 (Profil gelöscht)
            @Günter:

            Schrecklich, sie erzählt davon wie von einem Sommerausflug.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Wenn das sie "Highlights" sind...

          Aber so ein bisschen Abstammungslehre stützt natürlich das Weltbild.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Entfernt, bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Moderation

          • @christine rölke-sommer:

            Vielleicht gibt es ja noch Leute bei uns, die z.B. von Graf Schwerin von Schwanefeld gelernt haben. Der im Angesicht des Todes, die Kühnheit besaß dem brüllenden Freisler die Wahrheit ins Gesicht zu sagen (z.B. -viele Morde- ab 1:20 Min)



            www.youtube.com/watch?v=D3qsImhAswo

            Und wenn Sie hier schon mit Freisler kommen, dann schauen Sie doch hier wofür Freisler steht:



            www.youtube.com/watch?v=HCvhiZRFMQ8

  • Für alle, die sich wundern, warum es "8 Monate Haft für eine Ohrfeige" gab: in den Kommentaren zum Artikel über das Urteil wurde schon viel über die Hintergründe gesagt. Für mich war das sehr aufschlussreich. Jedenfalls ein anderes Bild, als wenn ich nur die Artikel selbst gelesen hätte.

    Was gibt es noch dazu zu sagen?

    Spannend wird sein, wie ihr Kampf gegen die Existenz Israels weitergeht.



    Sicher steht erst mal eine PR Tour an. Das Grab Arafats hat sie schon besucht, vielleicht gibt es auch einen Auftritt mit Erdogan...



    Sie und ihre Familie haben sicher noch viel vor. Wahrscheinlich werden sie auch weiter israelische Soladten provozieren, in der Hoffnung, dass einer mal vor laufender Kamera die Selbstbeherrschung verliert.



    Gibt es vielleicht schon Vorverträge mit internationalen Medien über die Verwertungsrechte?

    Die Haftentlassung pünktlich zum Sommerloch war jedenfalls sicher kein Zufall.

    Aber lassen wir uns überraschen, es bleibt spannend.

  • "Der populäre Liedermacher Jonathan Geffen verglich die Palästinenserin gar mit Anne Frank, korrigierte sich kurz darauf aber selbst und meinte, Tamimi sei eher eine Art „Wonder Woman“."

    Gut, dass sich J. Geffen hinsichtlich seines Vergleichs mit Anne Frank korrigiert hat. Anne Frank hat die deutschen Nazi-Besatzer nicht geohrfeigt oder Widerstand geleistet, sondern sich verstecken müssen. Hat ihr leider nichts genützt. Die Nazis haben sie umgebracht. Wie kann man überhaupt so einen kranken Vergleich anstellen? Auch der Vergleich mit Wonder Woman ist verrückt.

    • @Nicky Arnstein:

      Es fehlt nur noch, dass die Knalltüte, die vor kurzem in Berlin zwei Männer angriff, weil diese eine Kippa trugen, als „Wonder Boy“ gefeiert wird.