Nach rassistischen Krawallen in Clausnitz: Polizei steht in der Kritik
Videos von der versuchten Blockade einer Asylunterkunft in Clausnitz lösen Empörung aus. Innenminister Ulbig verspricht Aufklärung.
CHEMNITZ/DRESDEN epd | Nach der versuchten Blockade eines Flüchtlingsheims durch Asylgegner im sächsischen Clausnitz gibt es auch Kritik am Polizeieinsatz. Ein im Internet verbreitetes Video zeigt, wie ein Polizist einen von der grölenden Menge verängstigten Flüchtlingsjungen rabiat packt.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) kündigte an, den Polizeieinsatz umgehend auszuwerten. Konsequenzen könnten erst dann gezogen werden. Bei Grünen, Linken und SPD stieß das Video am Samstag auf Empörung.
Die Aufnahme zeigt, wie der Polizist den Jungen im Klammergriff in ein Haus bringt – offenbar die Flüchtlingsunterkunft im Clausnitzer Ortsteil Rechenberg-Bienenmühle (Mittelsachsen), die rund 100 Einwohner am Donnerstag blockieren wollten. Sie wollten damit den Einzug von Flüchtlingen verhindern.
Im Video zu sehen sind sichtbar verängstigte und weinende Menschen in dem Bus. Die davor versammelte Menge skandiert laut „Wir sind das Volk“ und johlt beim rabiaten Vorgehen des Polizisten.
Hausgemachtes Problem
„Die Bilder sprechen ihre Sprache“, erklärte Innenminister Ulbig. Die Polizei in Chemnitz wollte am Samstagnachmittag statt wie ursprünglich geplant am Sonntag in einem Pressegespräch über den Polizeieinsatz in Clausnitz Auskunft geben. 30 Polizisten waren wegen der Proteste im Einsatz.
Nach den Ereignissen sehen Vertreter von Grünen, Linken und SPD auch die in der Landesregierung vertretene CDU in der Verantwortung, Konsequenzen aus dem neuerlichen Vorfall zu ziehen. „Die unverantwortliche Angstmache von einzelnen Unionspolitikern schafft die Zustände mit, vor denen sie dann warnen“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt. Die sächsischen Jusos erklärten, das Rassismusproblem in Sachsen sei „hausgemacht“. Politiker dürften nicht auf Stammtischparolen „surfen“, forderte die SPD-Jugendorganisation.
Die Vize-Vorsitzende der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt in der SPD, Nadia Khalaf, sieht in dem gewaltsamen Vorgehen des Polizisten einen Vorstoß gegen die UN-Kinderrechtskonvetion. „Staatliche Gewalt gegen traumatisierte Kinder ist nicht hinnehmbar“, sagte sie.
Die Linksfraktion im sächsischen Landtag reagierte auf einen Bericht des ZDF, wonach der Leiter des Asylheims AfD-Mitglied ist. Der Fraktionsvorsitzende Rico Gebhardt erklärte, es lege den Schluss nahe, „dass der Bus keineswegs zufällig vom Mob in Empfang genommen worden ist“. Es müsse sorgfältiger geprüft werden, mit wem die staatliche Verwaltung bei der Flüchtlingsunterbringung zusammenarbeitet. Auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck forderte in diesem Punkt Aufklärung.
Eine Initiative hat für Samstagabend zu einer Solidaritätskundgebung aufgerufen. Unter dem Motto „Refugees welcome“ will sie gegen Fremdenfeindlichkeit demonstrieren.
Leser*innenkommentare
Querdenker
Wer macht bei der Polizei eine Ausbildung um dann mit 1.450 Euro netto im Monat abgefertigt zu werden?
In der Politik kann man viel mehr verdienen, wobei da das Wort "verdienen" glatter Hohn ist.
Hanne
Das ist netto mehr als mancher Akademiker hier für eine Vollzeitstelle erhält. Und diese bezahlten Hilfspolizisten werden wohl korrekt nach Tarif (im Ausbildungsbereich) bezahlt. Viele andere Arbeitnehmer mit höheren Abschlüssen nicht.
Nur mal so zur Info!
Hanne
"Auszug aus dem Gesetz zur Wachpolizei
Einsatz im Objektschutz und Personenschutz (dieser nur im Beisein eines Polizeivollzugsbeamten)
Personalbedarf: 550 Wachpolizisten
Kosten für die Erstausstattung: vier Millionen Euro
Schätzung der Personalkosten pro Jahr: 23 Millionen Euro
Befugnisse: Befragung, Identitätsfeststellung, Platzverweis, Gewahrsam, Durchsuchung von Personen und Sachen, Betreten von Wohnungen, Sicherstellung, Beschlagnahme
zugelassene Hilfsmittel: Fesseln, Reizstoffe, Schlagstock und Pistole
eingestellt werden Personen im Alter zwischen 20 und 33 Jahren
Ausbildungszeitraum: zwölf Wochen
Gehalt: Besoldungsgruppe E6 - entspricht 1.450 Euro netto
geeignete Wachpolizisten können nach zwei Jahren als Polizeianwärter in die Laufbahngruppe 1 wechseln - bis zu sechs Monate der Dienstzeit bei der Wachpolizei werden angerechnet"
http://www.mdr.de/sachsen/wachpolizisten-werden-angeworben100.html
"Polizeigewerkschaft kritisiert kurze Ausbildungszeit
Die sächsische Polizeigewerkschaft hat sich bereits im Vorfeld kritisch zur geplanten Wachpolizei geäußert. Sie kritisiert vor allem, dass die Neulinge bereits nach einer Ausbildungszeit von drei Monaten eine scharfe Waffe benutzen dürften. Die kurze Ausbildung reiche nicht aus, um die Wachpolizisten im Umgang mit der Schusswaffe umfassend psychologisch zu schulen."
http://www.mdr.de/sachsen/ausbildungsstart-wachpolizei-sachsen100.html
Wir sind gespannt, wie das wird, wenn die Hilfspolizisten (im Beisein eines voll ausgebildeten Polizisten?) in Zukunft die Asylbewerber schützen werden.
1714 (Profil gelöscht)
Gast
Im Deutschlandfunk war in den 16:00h Nachrichten zu hören, der Einsatzleiter der Polizei vor Ort habe das Vorgehen seiner Leute verteidigt: der Junge hätte provozierende Gesten aus dem Bus heraus gemacht! Dieser Einsatzleiter gehört gefeuert, fristlos. Nur wer soll das machen? Anscheinend ist die gesamte sächsische Polizei bis hin zum Innenministerium braun durchsetzt. Blanke, weiße Wut ist kein guter Ratgeber, doch wenn man sich diese Situation halbwegs neutral betrachtet, dann kann nichts anderes als eben diese Wut hochkommen. Da wütet ein Drecksmob unter Mißachtung aller Vorschriften und Gesetze und die Polizeiführung heißt es gut, dass ein verängstigtes Kind brutal herumgezerrt wird. Warum richten diese Typen sich nicht gegen die offensichtlichen Gesetzesverstöße der Beamten? Warum? Weil sie's so wollen... Und da soll man Vertrauen in diesen Staat haben? Das alles ekelt einen nur noch an.
Jürgen Matoni
Polizei, die sich nicht absolut für den Schutz der Asylsuchenden einsetzt, muß sofort ersetzt werden, damit vernünftig gegen den rechten Mob vorgegangen werden kann.
H.G.S.
Jener schon immer fruchtbar gebliebene Schoß gebiert seine monströsen, sächsischen Kinder? Was für braun versumpfte Mentalitäten in Heimleitung und Polizistencharakter; falls der Taz -Bericht (auch im spezielle Ahnungen raunen) so zutrifft.
christine rölke-sommer
nu ja. ich habe die videos gesehen.
mir hat's den magen rumgedreht.
10025 (Profil gelöscht)
Gast
Liebe Leute, bitte verwendet nicht das Wort "Asylgegner". Es steht eine breite Palette anderer Begriffe zur Verfügung: "Rassisten", "Ausländerfeinde", "Nazis", etc. pp.
Laughin Man
Wenn die Bundespolizei sich überfordert zeigt, haben "wir" ja noch mal Glück, daß es demnächst Hilfspolizisten mit Waffen gibt.
Hanne
Ja, und diese in Sachsen aktuell auszubildenden Wachpolizisten (Ausbildung ganze 3 Monate!) sind vermutlich noch näher an AfD, NPD etc. dran und knallen dann so einen Jungen vermutlich in Zukunft einfach ab, weil er Befehle verweigert hat oder eben, weil sich diese Hilfspolizisten mit Waffe in (selbst definierter) Notwehr befanden...
Jaja, die arme Polizei ist überlastet und gefordert (Pflegepersonal ist das übrigens auch, ebenso Lehrer etc.). Ausreden haben die Polizisten zumindest in Sachsen immer, nur leider ändert sich nichts an der Fortbildung und Einstellung zum Rechtsstaat etc. Menschenrechte? Kinderrechte? "Wir" sind doch in Deutschland und noch dazu in Sachsen!
H.G.S.
@Laughin Man Zwischen "überfordert" und faschistisch gegen traumatisierte Flüchtlingskinder vorzugehen, liegen Welten.
Thorsten Pauli
Die inflationäre Nutzung des Wortes TRAUMATISIERT, für alle und jeden, die sich nicht an Anweisungen oder Gesetze halten, gewalttätig oder straffällig werden, nervt!
Solange Sie nicht Psychologe oder Arzt sind UND jeden einzelnen untersucht haben, sollten Sie diese pauschale Schutzäußerung lassen.
Karl Kraus
@Thorsten Pauli Stimmt! Wenn der Junge nicht traumatisiert ist, ist das ja wirklich nur eine Schutzbehauptung. Dann war eigentlich gar nichts. Kein Mob, keine Gewalt durch den Polizisten inmitten des Mobs, der eigentlich zuvor hätte aufgelöst werden müssen, nichts!
H.G.S.
-?-"die sich nicht an Anweisungen oder Gesetze halten, gewalttätig oder straffällig werden"-?-
Ich appelliere dringend an Ihre Intelligenz, sich den Umkehrschluß Ihres-mit Verlaub- komischen Denkergebnisses klar zu machen:
Zunächst müßten Sie erst einmal aus dem zur Sprache stehenden Vorkommnis heraus, konkret belegen, wen genau Sie in Ihrem obigen Zitat mit "d i e" meinen? Und im weiteren, welchen konkreten Flüchtling Sie genau, nicht als traumatisiert bezeichnet wissen wollen? In meinem Beitrag ist die Sache doch glasklar: Es ist das im Video gezeigte und im Taz-Artikel erwähnte Flüchtlingskind gemeint.
Auch wenn es wirklich nervt, über schräge Denkergebnisse anderer Leute debattieren zu müssen, würde ich da für Ihren Beitrag, momentan noch eine Ausnahme machen wollen.-
Also los: Welches Flüchtlingskind aus Kriegsgebieten ist Ihrer Meinung nach, nicht traumatisiert. Oder müssten Sie dafür, vorher erst einmal, zu einem der von Ihnen ins Spiel gebrachten "Psychologen"? Das kann dauern.
Jetzt mal im Ernst- ist alles ok mit Ihnen, wo Sie das alltagssprachlich hinlänglich benannt werden könnende, traumatisiert sein von Flüchtlingskindern aus Kriegsgebieten, nur akzeptieren wollen wenn erst ein Psychologe heran gezogen wurde?
christine rölke-sommer
@Thorsten Pauli und Sie sind berufsflüchtling und kriegen das ganz ohne trauma hin. oder wie oder gegen wen?