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Nach politischem Dammbruch in ThüringenLinke und SPD machen Druck

Rot-Rot-Grün und CDU beraten am Abend über einen Ausweg aus der politischer Krise in Thüringen. Linke und SPDler fordern eine Wiederwahl von Bodo Ramelow.

Will es wieder werden: Bodo Ramelow als Ministerpräsident von Thüringen Foto: Hannibal Hanschke/reuters

München/Erfurt afp/dpa | Etwa zwei Wochen ist es her, dass CDU und FDP zusammen mit der AfD in Thüringen den FDPler Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten wählten. Nun, nach bundesweiter Empörung und dem Abgang Kemmerichs, kommen die Linke, SPD und die Grünen am Abend mit der CDU in Erfurt zusammen, um erneut über die Wahl eines Ministerpräsidenten zu sprechen. Im Vorfeld erhöhen die linken Parteien den Druck auf die Union.

So bekräftigte Thüringens Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow ihre Forderung nach einer raschen Wahl des früheren Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke).

Ihre große Hoffnung sei es, eine Wahl von Ramelow zum Ministerpräsidenten hinzubekommen, „und damit zumindest eine Regierung bilden zu können, um dann geordnet in Neuwahlen zu gehen“, sagte sie am Montag im Bayerischen Rundfunk.

Sie wolle die Mauer nach rechts wieder schließen. „Das wäre gesellschaftspolitisch das größte Angebot, das wir machen können, und dass wir ja möglicherweise eine stabile Regierung Rot-Rot-Grün mit Duldung von CDU auf den Weg bringen können“, sagte die Linkenpolitikerin weiter. Wenn das alles nicht funktioniere, „dann gehen wir sofort in Neuwahlen“.

Festgefahren

Auch der SPD-Parteivize und Juso-Chef Kevin Kühnert forderte die Thüringer CDU zur Wahl von Bodo Ramelow auf. Niemand könne die CDU dazu zwingen, aber es wäre ein Akt der Schadensbegrenzung, sagte Kühnert der RTL/n-tv-Redaktion. „Und zwar die Begrenzung des Schadens, den die CDU ja selbst mit herbeigeführt hat im Thüringer Landtag.“

Der Weg für Neuwahlen in Thüringen müsse frei gemacht werden, verlangte Kühnert. Die Situation im Landtag sei doppelt festgefahren. Neben der ohnehin schon schwierigen Mehrheitssituation hätten sich die CDU- und FDP-Landtagsabgeordneten mit der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Ministerpräsidenten mit Stimmen der AfD vor zwei Wochen unmöglich gemacht.

Drei Tage nach der höchst umstrittenen Wahl am 5. Februar war Kemmerich zurückgetreten. Seitdem ist er geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Ministerpräsident gewählt ist.

Bodo Ramelow will sich dafür zur Wahl stellen, wenn es für ihn eine Mehrheit ohne AfD-Stimmen gibt – dafür sind aber mindestens vier Stimmen von CDU oder FDP nötig. Den Christdemokraten verbietet ein Bundesparteitagsbeschluss jede Form der Zusammenarbeit mit der AfD und den Linken. Linke, SPD und Grüne kommen im Parlament in Erfurt zusammen aber nur auf 42 Stimmen, für eine absolute Mehrheit wären 46 Stimmen nötig.

Vorsichtige Annäherung

Die CDU hatte zuletzt aber durchblicken lassen, sich bei einer neuen Wahl womöglich zu enthalten, so dass Ramelow im dritten Wahlgang die dann nötige relative Mehrheit erhalten könnte.

Auch Ramelow war in den letzten Tagen auf die CDU zugegangen. Er sei bereit, sich mit der CDU auf Aufgaben wie den Landesetat für 2021 oder ein Investitionsprogramm für die Kommunen zu verständigen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Erfurt. „Ich hoffe, dass es gelingt, Verabredungen mit der CDU zu treffen, so dass die beginnende Staatskrise möglichst abgewendet wird.“

Ramelow hatte vorgeschlagen, dass er nach seiner Wahl den Weg für eine geordnete Neuwahl frei macht – möglichst nach einer Verständigung über den Etat für 2021, um Thüringen bis zu einer Landtagswahl handlungsfähig zu halten.

„Auch eine Vereinbarung für Neuwahlen müssen wir zusammen treffen“, betonte Ramelow im dpa-Gespräch. Für eine Auflösung des Thüringer Landtags sind 60 der 90 Stimmen nötig. Rot-Rot-Grün hat zusammen 42 Stimmen, die CDU 21 und die FDP 5.

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