Nach massiven Kampagnen: Soros-Stiftung verlässt Ungarn
Wegen zunehmenden politischen Drucks zieht sich die Open Society Foundation von George Soros aus Ungarn zurück. Das Büro wird nach Berlin verlegt.
Die im Jahr 1984 gegründete Stiftung will Meinungs- und Gedankenfreiheit fördern. Sie spielte eine wichtige Rolle bei der Verbreitung liberalen Gedankenguts in Europas Osten vor und nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
Das Gesicht des 87-jährigen Finanzjongleurs Soros ist jedem Ungarn bekannt. Im Wahlkampf vor den Parlamentswahlen vom 8. April war es landesweit plakatiert worden. Die Regierungspartei Fidesz stellte Soros als sinistren Strippenzieher hinter den vier größten Oppositionsparteien dar. Ein Vorwurf, der keinerlei Bezug zur Wirklichkeit hat. Premier Viktor Orbán, selbst einst ein OSF-Stipendiat, wirft dem in Budapest geborenen Holocaust-Überlebenden vor, Europa mit Flüchtlingen und Zuwanderern überfluten zu wollen.
„Es ist unmöglich, die Sicherheit unserer Operationen und Mitarbeiter in Ungarn vor willkürlicher Einmischung der Regierung zu gewährleisten“, begründete OSF-Präsident Patrick Gaspard den Rückzug. Die Entscheidung erfolge angesichts der Pläne der nationalkonservativen Regierung, ein als „Stop Soros“ bekanntes Gesetzespaket zu beschließen.
Strafsteuer für NGOs
Im Parlament wird ein Gesetz diskutiert, das Organisationen, die sich um Flüchtlinge kümmern, mit einer 25-prozentigen Strafsteuer belegen soll, wenn sie aus dem Ausland unterstützt werden. NGOs, die Gelder von der OSF bekommen, würden als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt. Das betrifft etwa die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International und die Menschenrechtsorganisation Helsinki Committee. Ausländische Mitarbeiter solcher Organisationen sollen auf Anordnung des Innenministers ohne Gerichtsurteil aus Ungarn verbannt werden können.
Gaspard warf der ungarischen Regierung in dem Kommuniqué vor, sie habe in den vergangenen Jahren „mehr als hundert Millionen Euro an öffentlichen Geldern für eine Kampagne ausgegeben, um Lügen über die Stiftung und ihre Partner zu verbreiten“. Sie habe nicht nur „in für die Europäische Union beispielloser Weise“ die Arbeit der Stiftung „falsch dargestellt“, sondern auch „die Zivilgesellschaft unterdrückt, um damit politisch zu punkten“.
Wenige Tage nach den Wahlen hatte die regierungsnahe Wochenzeitung Figyelö eine Liste von 200 „Soros-Söldnern“ veröffentlicht. Darunter mehrere Professoren der von Soros gegründeten Central European University (CEU) in Budapest. Sie soll durch ein eigens auf sie zugeschnittenes Universitätsgesetz aus dem Land gedrängt werden.
Die Übersiedelung der Open Society Foundation nach Berlin werde „große Auswirkungen“ auf die etwa 100 Mitarbeiter von OSF in Budapest haben, heißt es in der Pressemitteilung. Denn 60 Prozent seien ungarische Staatsbürger und zum Teil schon mehr als ein Jahrzehnt für die Organisation tätig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Höfliche Anrede
Siez mich nicht so an
US-Präsidentschaftswahl
50 Gründe, die USA zu lieben
Bundestag reagiert spät auf Hamas-Terror
Durchbruch bei Verhandlungen zu Antisemitismusresolution
Grundsatzpapier des Finanzministers
Lindner setzt die Säge an die Ampel und an die Klimapolitik
Klimaziele der EU in weiter Ferne
Neue Klimaklage gegen Bundesregierung
Serpil Temiz-Unvar
„Seine Angriffe werden weitergehen“