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Nach gescheiterter WaffenruheIsrael bombardiert Hamas-Führer

Die israelische Armee hat ihre Angriffe im Gazastreifen verschärft. Die Zahl der Toten steigt auf über 200. Erstmals ist auch ein Israeli ums Leben gekommen.

Israelischer Luftschlag am Mittwochmorgen. Bild: ap

GAZA dpa | Nach dem Scheitern einer Waffenruhe in Nahost hat die israelische Luftwaffe Häuser von politischen Führern der im Gazastreifen herrschenden Hamas angegriffen. Dies teilte die Hamas am Mittwoch mit. Eine Armeesprecherin in Tel Aviv sagte, man prüfe die Berichte.

Bisher hatte Israel vor allem die Häuser von militanten Hamas-Mitgliedern beschossen. Die neuen Angriffe zeigten „den Zustand der Verwirrung der israelischen Regierung und des Militärs, nachdem es ihnen nicht gelungen ist, den palästinensischen bewaffneten Widerstand zu brechen“, hieß es in der Hamas-Mitteilung.

Auch am Mittwoch feuerten militante Palästinenser weiter Raketen auf Israel. Am Morgen wurden mindestens zwei Raketen über Tel Aviv abgefangen. Bei einem Angriff mit Mörsergranaten auf den Eres-Grenzübergang war am Dienstag erstmals ein Israeli getötet worden. Der 37 Jahre alte Familienvater wollte dort Soldaten Essen bringen.

Die Zahl der Toten bei israelischen Luftangriffen stieg am Mittwoch auf 203, wie der Sprecher der örtlichen Rettungsdienste, Aschraf al-Kidra, über Twitter mitteilte. 1.520 Menschen seien seit Beginn der Offensive vor acht Tagen verletzt worden.

Israel forderte Bewohner im nördlichen Gazastreifen zum Verlassen ihrer Häuser auf. Dies sollte „zu ihrer eigenen Sicherheit“ geschehen, teilte das Militär mit. Zivile Opfer bei Luftangriffen gegen Stellungen der islamistischen Hamas sollen so vermieden werden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte für Mittwoch eine Ausweitung des Einsatzes angekündigt. Eine Feuerpause hatte lediglich sechs Stunden gewährt.

Kommt jetzt die Bodenoffensive?

Netanjahu warf der Hamas am Dienstagabend vor, Israels einseitige Feuerpause zu ignorieren. Nun werde die Miliz dafür „einen hohen Preis bezahlen“. Er ließ offen, ob nun israelische Bodentruppen in den Küstenstreifen am Mittelmeer einmarschieren.

Inzwischen haben rund 10.800 Palästinenser in Gaza-Stadt aus Angst vor den Bombenangriffen Zuflucht in 16 Schulen des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) gesucht. Weitere 7.000 seien im Norden in fünf Unterkünften untergebracht, berichtete UNRWA-Sprecher Chris Gunness. Die Organisation verteilt nach eigenen Angaben täglich Essen an mehr als 830.000 Menschen, also knapp die Hälfte der Einwohner des Küstenstreifens.

Der Konflikt gefährdet auch die Stromversorgung der Bevölkerung im Gazastreifen. Von dort abgefeuerte Raketen hätten eine Stromleitung beschädigt, berichtete der israelische Rundfunk am Mittwoch. Damit sei bereits die zweite von insgesamt zehn Leitungen getroffen worden, die die Stromversorgung des Gazastreifens gewährleisteten. Nach der Beschädigung der ersten Leitung hieß es, 70.000 Palästinenser seien vom Strom abgeschnitten.

Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.

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4 Kommentare

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  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Auslöser der jüngsten Eskalation war wohl eher die von der USA/EU begrüßte Hamas einbeziehende Einheitsregierung Palästinas, die Israel unter Druck gesetzt hat, die von den USA angestrebten Friedensverhandlungen fortzusetzen.

     

    Die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern, war dann Vorwand, bei der angeblichen Fahndung massiv gegen Hamas Aktivisten/Palästinenser Kollektivstrafen zu verhängen, tausende Haushalte im Westjordanland zu verwüsten und zu plündern (Euro-MID berichtet von 3 Millionen Dollar geraubten Privatvermögen) und 6 Palästinenser zu ermorden.

     

    Dass die Hamas und radikalere Widerstandsgruppen bei solchen Verbrechen Israels mit Kassambeschuss antworten, ist wohlbekannt.

     

    Als dann Wohnhäuser von Hamasmitgliedern mit den Familien darin zerbombt worden sind, hat die Hamas sich erst zum offiziellen Kampf bekannt und die Eskalation hat endgültig ihren Lauf genommen.

     

    Alles voraussehbar und wegen dem Druck auf Nethanjahu, ungewollte Friedensverhandlungen zu vermeiden (Frieden heißt, dass auch die Raubverbrechen Israels im Westjordan enden und Israel erstmals das bisher mit tödlicher Gewalt verweigerte Existenzrecht zugestehen müsste), keine Überraschung.

     

    Der Rachemord an dem palästinensischen Jungen spielt auch eine beängstigende Rolle. Das Ermordungsbedürfnis von Palästinensern/Paliisraelis in Israel "wegen" den Morden an den drei jüd. Teenagern, welches leicht in den Sozialen Medien wie Twitter oder Facebook nachzuvollziehen ist, hat auch gewissen Druck auf Nethanjahu ausgeübt. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass die Gewalt gegen Gaza als ein Ventil für diesen Teil der israelischen Gesellschaft gedacht ist, damit diese ihre Mordlust an Palästinensern/Paliisraelis nicht selber ausleben, wie bei dem ermordeten Jungen, oder dem 9Jährigen Kind, den Mordlustige Israelis am gleichen Tag seiner Mutter entreissen wollten, es glücklicherweise aber nicht geschafft haben.

  • "Der Konflikt gefährdet auch die Stromversorgung der Bevölkerung im Gazastreifen. Von dort abgefeuerte Raketen hätten eine Stromleitung beschädigt, berichtete der israelische Rundfunk am Mittwoch."

     

    Dass die Lichter für 70.000 Palästinenser in Khan Younis und Deir al-Balah im Norden des Gazastreifens ausgingen, ist einer Hamas-Rakete zu verdanken, die eine israelische Hochspannungsleitung zerstörte. Jetzt dürfen Israelis unter fortgesetztem Raketenbeschuss eine Leitung reparieren, um den ihnen feindlich gesinnten Gaza-Bewohnern wieder Strom zu liefern, der noch nicht einmal bezahlt wird (bisher schuldet man allein der Israel Electric Corporation 220 Millionen Shekel).

    • @Soquette:

      Gosbody (bisher schuldet man allein der Israel Electric Corporation 220 Millionen Shekel). also da sollte man Denen aber mal den Strom abstellen.

      Oder wie wär es Israel zahlte mal die vorenthaltenen Steuern an die Palästinenser aus derzeit über 500 milionen Euro, nicht Shekel sondern Euro.