Nach der Wahl in Bulgarien: In der Dauerblockade

In Bulgarien war die Wahlbeteiligung extrem niedrig. Es stellt sich die Frage nach der politischen Legitimität der politischen Institutionen.

Ein Politiker steht in einem Wahllokal in Bulgarien

Steht vor einem politischen Comeback: Bojko Borissow im Wahllokal Foto: Visar Kryeziu / AP

In Bulgarien ist ein Wahlsieg nicht immer Anlass zur Freude: Zwar hat Bulgariens Ex-Regierungschef Bojko Borissow mit seiner bürgerlichen Partei „Bürger für eine demokratische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) bei der Parlamentswahl am Sonntag – der vierten innerhalb von 18 Monaten – wieder einmal den ersten Platz gemacht. Das ist insofern bemerkenswert, als die Bul­ga­r*in­nen einen politisch Toten reanimiert haben, der wie kaum ein anderer zum Symbol für die grassierende Korruption geworden ist und deshalb 2021 in die Opposition geschickt wurde.

Doch das Wahlergebnis dürfte den Balkanstaat leider nicht aus der Dauerblockade herausführen. Denn unter den sieben Parteien, die voraussichtlich den Einzug ins Parlament geschafft haben, ist derzeit keine Konstellation absehbar, die auf die Bildung einer tragfähigen Regierung hinauslaufen könnte.

Dass aus dem erhofften Befreiungsschlag auch diesmal nichts geworden ist und der Eiertanz weitergeht, lässt tief blicken. In Bulgarien, das seit 2007 Mitglied der EU ist, haben wir es mittlerweile mit einer veritablen Krise der Demokratie zu tun. Der Anzeichen dafür gibt es viele. Am Sonntag haben nur noch 30 Prozent der Bul­ga­r*in­nen den Weg an die Urnen gefunden – der geringste Wert seit 1989! Welcher Indikator könnte besser Verdruss, Apathie und Enttäuschung ausdrücken? Wenn der Souverän freiwillig seine politischen Gestaltungsrechte links liegen lässt, ist zudem die Frage nach der Legitimität der politischen Institutionen aufgeworfen.

Als sei das noch nicht politische Krise genug, werden jetzt zu allem Überfluss auch noch zwei rechtsextreme Parteien – „Wiedergeburt“ und „Bulgarischer Aufstieg“ – im Parlament vertreten sein. Beide sind glasklar auf Russlandkurs, was in der gespaltenen Gesellschaft zu weiteren Verwerfungen führen könnte.

In Bulgarien werden so schnell keine stabilen politischen Verhältnisse einkehren. Das ist angesichts des Ukrai­ne­krieges, einer Energiekrise nebst galoppierender Inflation eine wirklich schlechte Nachricht.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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