Gescheiterte Koalition in Bulgarien: Sofia in Schwierigkeiten

Bulgarien droht nach drei Wahlen in weniger als einem Jahr nun eine vierte. Vorerst soll es eine Minderheitsregierung geben. Hoffentlich klappt das.

Ein Mann im Anzug vor einer EU-Flagge.

Ist die Regierung zerbrochen: Bulgariens Premier Kiril Petkow Foto: reuters

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Bulgariens liberalem Ministerpräsidenten Kiril Petkow seine Vierparteienregierung um die Ohren fliegen würde. Als Begründung für den Rückzug des populistischen Juniorpartners „So ein Volk gibt es“ (ITN) müssen jetzt unter anderem Petkows Bemühungen herhalten, historische Streitigkeiten mit dem Nachbarn Nordmazedonien beilegen und Sofias Veto gegen EU-Beitrittsgespräche mit dem Nachbarn zurückziehen zu wollen.

Dieses Argument ist vorgeschoben und lächerlich. Als gebe es in Zeiten eines Krieges mitten in Europa, einer drohenden weltweiten Ernährungskrise und explodierender Energiepreise keine wichtigeren Fragen als einen Selbstfindungstrip in die Vergangenheit. Doch ITN-Chef und Showmaster Slawi Trifonow hat schon öfter gezeigt, dass ihm der Politbetrieb herzlich egal und seine Bühne woanders ist. Übernahme von Verantwortung und Respekt gegenüber der Entscheidung der Wähler*innen? Nicht sein Ding.

Auch mit den Sozialisten (BSP), mehr eine Verlegenheitslösung denn Wunschpartner in der Koalition, läuft es für Petkow nicht rund. Die angegraute Gruppe ewig Gestriger schielt weiter nach Moskau, was auch, im Gegensatz zu Petkows Partei, die vornehme Zurückhaltung bei Waffenlieferungen an die Ukraine zeigt.

Dennoch will die BSP eine Minderheitsregierung unter Petkow stützen. Wie das funktionieren soll, ist unklar. Ergo ist nicht auszuschließen, dass die Wäh­le­r*in­nen demnächst erneut an die Urnen gerufen werden – zum vierten Mal seit April 2021.

Für Bulgarien hätte das wieder eine Phase politischer Instabilität zur Folge, die das Land gar nicht brauchen kann. Was jedoch noch schlimmer wäre: Neuwahlen könnten ein Comeback für den langjährigen Ex-Premier Bojko Borissow einläuten – den Mann, dessen korrupte Machenschaften 2020 Zehntausende auf die Straße getrieben hatten. Auch die Nationalisten, seit November wieder im Parlament vertreten, könnten noch einmal zulegen. Dann würden – nicht nur für Nordmazedonien – ganz düstere Zeiten anbrechen.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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