Nach der Verschärfung des Kartellrechts: Amtschef will maßvoll vorgehen
Das Bundeskartellamt hat neue Kompetenzen bekommen. Präsident Andreas Mundt sieht die Reform nüchtern, die Bundesregierung spricht von Umbruch.
Das Bundeskartellamt soll gewährleisten, dass für Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen gelten. Kann die Behörde nachweisen, dass Firmen Preisabsprachen treffen, kann sie Geldbußen verhängen. Außerdem kontrolliert sie, ob bei Zusammenschlüssen die fusionierten Unternehmen eine zu große Marktmacht bekommen.
Das Amt überwacht auch, ob sehr große Konzerne ihre Marktmacht missbrauchen. Das spielt gerade in der Internetwirtschaft eine große Rolle. Im vergangenen Jahr hat die Behörde zahlreiche Verfahren gegen Konzerne wie Amazon, Apple, Google, Facebook oder Microsoft geführt. Einige endeten mit einer Abmahnung, bei anderen laufen noch Gerichtsverfahren. In der vergangenen Woche hatte der Europäische Gerichtshof die Rechte der Kartellbehörden gestärkt und entschieden, dass sie auch in Fragen des Datenschutzes tätig werden dürfen.
Auch der Bundestag hat der Behörde vor Kurzem neue Befugnisse gegeben. Bislang endete die Untersuchung bei Verdacht einer marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens mit einem Bericht des Amts. Künftig kann die Behörde bei Wettbewerbsverzerrungen Maßnahmen verfügen, mit denen der Konkurrenz der Zugang zum Markt geebnet wird.
Nach britischem Vorbild
Im schlimmsten Fall kann die Behörde die Zerschlagung von Konzernen anordnen. Vorbild der Reform sind die Kompetenzen der britischen Wettbewerbsbehörde CMA, die etwa den Flughafenbetreiber in Raum London entflochten hat. Verbraucher:innen profitieren von starken Kartellbehörden, weil Marktmachtmissbrauch in der Regel zu überhöhten Preisen führt.
Die Union und Teile der Wirtschaft haben gegen die neuen Rechte laut protestiert, weil sie darin einen Standortnachteil für Unternehmen und die Gefahr von staatlichen Eingriffen sehen. Diese Bedenken versuchte Mundt zu zerstreuen. „Wir werden das ganz maßvoll anwenden“, betonte er. Die Reform werde oft mit Preiskontrollen in Zusammenhang gebracht.
Aber das neue „Instrument taugt nicht für schnelle Preissenkungen“, stellte er klar. Der erste Schritt sei die Untersuchung des jeweiligen Sektors. Sie dauere bis zu 18 Monate, die Anforderungen an die zu erbringenden Nachweise seien hoch. Bei alldem ginge es um „gerichtsanfällige Handlungen“, Unternehmen können also dagegen klagen. Zusätzliches Personal für die neuen Aufgaben stellt die Bundesregierung dem Amt nicht zur Verfügung.
Tankrabatt weitergegeben
Ausgangspunkt für die Verschärfung waren die gestiegenen Spritpreise nach Einführung des sogenannten Tankrabatts im vergangenen Sommer. Die Regierung hatte vorübergehend die Steuern auf Benzin und Diesel gesenkt. Weil die Preise trotzdem stiegen, kam der Verdacht auf, dass die Unternehmen der Branche Preise abgesprochen und den Rabatt eingesteckt hatten.
„Zwischenzeitlich sind verschiedene Studien, vor allem auf Basis eines Vergleichs der Preisentwicklung in Deutschland mit der in Frankreich, zu dem Ergebnis gekommen, dass die Steuerentlastung überwiegend weitergegeben wurde“, heißt es im Jahresbericht. Die Untersuchung des Bundeskartellamts sei zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen.
Insgesamt hat die Behörde im vergangenen Jahr Bußgelder in Höhe von 24 Millionen Euro wegen Kartellabsprachen verhängt. Betroffen waren 20 Unternehmen und sieben Personen aus Branchen wie Brückendehnfugen oder dem Industriebau. Die Strafzahlungen sinken seit Beginn der Coronapandemie, weil die Behörde laut Mundt schlechter ermitteln kann. 2019 lag die Höhe der verhängten Bußgelder bei rund 848 Millionen Euro.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?