Nach der US-Wahl: Trumps gefährliche Fanbasis
Die Welt ist voll von verbitterten Politiker*innen. Das Problem bei US-Präsident Trump ist: Er hat eine ihm ergebene und teils militante Bewegung.
E s ist ein unwürdiges Schauspiel, das US-Präsident Donald Trump gerade aufführt, auch wenn es niemanden überraschen kann. Trump folgt exakt dem Szenario, das er selbst seit Monaten angekündigt hat. Eine Gefahr für die Demokratie ist es im Prinzip nicht, wenn der Präsident versucht, Auszählungen in Bundesstaaten zu stoppen, in denen er selbst gerade noch führt, oder die Legitimität von Stimmzetteln anzuzweifeln, wo er hinten liegt. Das ist durchsichtig, peinlich und unwürdig, aber nicht gefährlich.
Jedenfalls ist es dann nicht gefährlich, wenn er den normalen Rechtsweg beschreitet und unabhängige Gerichte aufgrund der vorgelegten Argumente und Beweise entscheiden werden. So wie die Rechtsstreitigkeiten in den vergangenen Wochen verlaufen sind, muss man sich darum keine Sorgen machen – nicht einmal dann, wenn Trump durch alle Instanzen gehen sollte. Das ist sein Recht.
Das Problem liegt woanders: Selbst wenn sich Trump schließlich doch gezwungen sähe, einen Wahlsieger Biden zu akzeptieren, wird er nicht von seiner schon präventiv aufgestellten Behauptung ablassen, seine Niederlage sei durch Wahlbetrug zustande gekommen.
Wenn er diesen Groll einfach mit nach Hause nähme und in einem seiner geschmacklosen Prunkgemächer still vor sich hin zetern und weinen würde, wäre das egal: Die Welt ist voll von verbitterten Ex-Politiker*innen, die der Meinung sind, dass ihnen Unrecht angetan wurde.
Aber aufsetzend auf eine schon länger existierende radikale Rechte in- und außerhalb der Republikanischen Partei hat Trump in den vergangenen vier Jahren eine ihm treu ergebene und in Teilen militante Bewegung geschaffen, die seine Abneigung gegenüber demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen in offene Ablehnung und Feindschaft verwandelt hat.
Bidens hohle Worte
Diese Leute haben vier Jahre lang nicht nur keine Worte der Mäßigung aus dem Weißen Haus gehört – ganz im Gegenteil. Sie können kaum anders, als ganz im Stil der QAnon-Verschwörungsideologen daran zu glauben, dass Kräfte der alten Eliten, des „Establishments“ oder des „Deep State“ Trump aus dem Weißen Haus getrickst hätten. Wie es möglich sein soll, mit diesem inzwischen viel zu groß gewordenen Teil der Gesellschaft, der in der Demokratie kräftig mitwirkt (ohne ihre Regeln aber mitzutragen), zu einer gesellschaftlich zivilisiert geführten Auseinandersetzung zu kommen, ist völlig unklar.
Die Worte Joe Bidens vom Mittwoch, es gehe nach der Wahl darum, die Rhetorik herunterzufahren, sich nicht gegenseitig als Feinde zu betrachten und die Einheit zu suchen, klingen unrealistisch und hohl wie nie zuvor. Trump mag das Weiße Haus verlassen müssen – die zerstörerische Kraft des Trumpismus bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann