Nach dem Referendum in Griechenland: „Europa muss jetzt stark sein“
Während die Menschen in Athen jubeln, stellt sich auch auf der Straße die Frage, wie es nun weitergeht. Eins ist sicher: Es braucht Veränderung.

Ob Varoufakis zu dem Zeitpunkt schon weiß, dass er als Bauernopfer der Regierung Tsipras auftritt? Am Montagmorgen ist er zurückgetreten, um konstruktiven Verhandlungen mit EZB, EU und den Regierungschefs Europas nicht im Wege zu stehen. Die meisten Griechen werden Jannis Varoufakis nicht vermissen. „Er ist arrogant“ sagen selbst die, die im Referendum mit Nein gestimmt haben. Als „eine Zumutung“ haben ihn die Ja-Sager empfunden, die Griechenland nicht der Gefahr ausgesetzt hätten, den Euro verlassen zu müssen. „Er hat versprochen, versprochen und nicht gehalten“, sagt einer.
Am Abend spricht er dann auch nur fünf Minuten im mintgrünem T-Shirt zur Weltpresse darüber, wie er das Land nach dem Referendum im Euro halten will. Auf Griechisch. Und dreht sich schon zum Gehen, während sein letzter Satz noch im Raum verklingt. Keine Nachfrage, kein Innehalten als die Fernsehleute hinter ihm herrennen und er durch die Gänge wieder im Ministerbüro verschwindet. Inhaltlich bleibt er nichtssagend, wie einer seiner Mitarbeiter freundlicherweise auf Englisch übersetzt und die Botschaft des Ministers mit „blablabla“ ergänzt.
Auf dem zentralen Syntagma-Platz vor dem Parlament jubeln die Menschen noch bis in die Morgenstunden. Je länger die Nacht, desto mehr blau-weiße Griechenlandfahnen wehen über den Köpfen der Feiernden. „Wir sind stolz, Griechen zu sein“, tönt es aus dem Lautsprecher der Vereinigten Volksfront EPAM, einem Bündnis von gemäßigten Rechten und Linken gegen die Austeritätspolitik. „Unser Nein bedeutet Solidarität und Freundschaft mit den Menschen in Europa“, ruft einer ins Mikrofon und stimmt dann einen Sprechchor an, in den die Menge mit „oxi, oxi, oxi“ einfällt.
Solidaritätsgruppen aus Italien sind nach Athen gereist, Pepe Grillo und Unterstützer der Legaambiente aus Turin schwenken nun auch die Griechenland-Fahne auf dem Syntagma. „Something needs to change“, sagt Maria Teresa Ruta, die zwar Fernsehjournalistin in Rom ist, aber ganz privat nach Athen zum Referendum gefahren ist, um an dem historischen Tag die Griechen zu unterstützen. Etwas muss sich ändern. Nach dem Nein zum Spardiktat sagt sie: „Europa muss nun sehr stark sein.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen