Nach dem Brandanschlag in Tröglitz: Sie ächten oder salonfähig machen
Der Anschlag auf die geplante Flüchtlingsunterkunft könnte Fremdenfeindlichkeit fördern, fürchten Experten. Die Polizei sucht derweil nach den Tätern.
TRÖGLITZ/POTSDAM/DÜSSELDORF dpa/afp | Nach dem Brandanschlag auf die geplante Asylbewerberunterkunft in Tröglitz in Sachsen-Anhalt geht die Polizei am Mittwoch von Tür zu Tür und befragt die Einwohner. Die Beamten der eigens eingerichteten Ermittlungsgruppe mit dem Namen „Kanister“ suchen so nach Hinweisen auf den oder die Täter, wie der Direktor des Landeskriminalamts (LKA), Jürgen Schmökel, mitteilte.
Er bat die Tröglitzer um Unterstützung. Am Dienstag hatten LKA und Innenministerium eine Belohnung in Höhe von 20.000 Euro für Hinweise zur Aufklärung des Anschlags ausgesetzt.
Der evangelische Pfarrer des Ortes, Matthias Keilholz, äußerte die Hoffnung auf klare Signale für die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen in der Region. „Es gibt nicht viele Alternativen, denn der Landkreis muss ja die Menschen, die zu ihm kommen, irgendwo unterbringen“, sagte Keilholz am Mittwoch im RBB-Sender Radioeins. „Und Tröglitz ist einer der Standpunkte, der vorgesehen war.“
Keilholz fügte hinzu: „Von außen erhoffe ich mir einfach deutliche Signale, auch aus anderen Orten, aus der Politik, aus der Kirche, aus Vereinen, die deutlich sagen: Wir nehmen Menschen auf, die in Not sind. Das ist unsere allererste Menschenpflicht.“
Hohes Potenzial für Fremdenfeindlichkeit
Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, hält es unterdessen für möglich, dass sich in Deutschland nach den Vorfällen ein fremdenfeindliches Stimmungsbild verfestigen könnte. „Das hängt vor allem davon ab, wie die politische Elite mit den Vorgängen umgeht“, sagte Güllner der Rheinischen Post vom Mittwoch.
Es gebe ein latentes Potenzial an Fremdenfeindlichkeit, das je nach Definition zwischen zehn und 15 Prozent der Bevölkerung umfasse. „Was aus Gruppen wird, entscheidet sich dadurch, wie man mit ihnen umgeht – ob man sie also ächtet oder salonfähig macht“, sagte der Meinungsforscher.
Auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Eva Högl, sagte der Rheinischen Post, sie habe Sorge, „dass die Stimmung in Deutschland wie Anfang der 1990er Jahre kippen könnte“. Der Bund dürfe die Städte und Gemeinden mit dem Problem Fremdenhass nicht allein lassen.
Die SPD-Politikerin forderte, dass die betroffenen Kommunen früher und sehr konkret über die Flüchtlinge informiert werden, die zu ihnen kommen. Das sorge für Akzeptanz in der Bevölkerung und vermeide Ängste, sagte Högl der Zeitung.
In Tröglitz hatten am Wochenende Unbekannte einen Brand in einem weitgehend leer stehenden Gebäude gelegt, in dem ab Mai 40 Asylbewerber untergebracht werden sollten. Die Unterkunft ist deshalb derzeit unbewohnbar.
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