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Nach dem Anschlag in MagdeburgRechtsextreme instrumentalisieren Gedenken

Hunderte gedenken in Magdeburg der Opfern der Amokfahrt auf dem Weihnachtsmarkt. Doch zur gleichen Zeit demonstrieren in der Stadt auch Neonazis.

Stilles Gedenken auf dem Domplatz: Mehrere Tausend kamen zur Mahnwache Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Magdeburg taz | Der Eingang zum Weihnachtsmarkt ist abgesperrt. Ein paar Regentropfen fallen am Samstagmittag auf die rund hundert Menschen, die still am rot-weißen Polizeiband stehen. Manche legen Blumen ab, andere Kuscheltiere. Ein Seufzen ist zu hören, ansonsten ist es still.

Die Tat am Freitagabend dauerte laut Angaben der Polizei drei Minuten. Um kurz nach 19 Uhr sei der mutmaßliche Täter mit seinem Auto in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt in der Magdeburger Innenstadt gefahren. Laut der Stadt Magdeburg gibt es am Samstagnachmittag 5 Tote und 200 Verletzte, darunter 41 Schwerverletzte. Der Weihnachtsmarkt ist in diesem Jahr beendet, aus Respekt vor den Opfern.

International äußerten Po­li­ti­ke­r:in­nen Bestürzung über den Anschlag in Magdeburg. Mehrere Bundesländer, etwa Hamburg und Schleswig-Holstein, erhöhten die Polizeipräsenz auf Weihnachtsmärkten. Deutsche Spitzenpolitiker besuchten den Tatort in Magdeburg und versprachen, die Betroffenen zu unterstützen. Aber in der Stadt selbst ist neben Trauer auch Anspannung zu spüren. Rechtsextreme ordneten den Anschlag schon nach kurzer Zeit als mutmaßlich islamistisch ein und betonen die nichtdeutsche Herkunft des mutmaßlichen Täters. Rund um das Gedenken in Magdeburg sind Rechtsextreme präsent.

Vor dem Absperrband malt am Samstagmittag eine Frau mit ihrem Zeigefinger eine Kurve von den Straßenbahnschienen zu den Marktständen in der Luft: So sei der Täter hineingefahren. Ein junger Mann mit Mütze zieht ein Teelicht aus seinem Beutel und zündet es an. Er hat sich einen Button angesteckt, darauf ist das Logo der Neonazi-Partei Dritter Weg zu sehen.

Neonazis demonstrieren in Magdeburg

Der mutmaßliche Täter ist laut Behörden Taleb A., ein 50-Jähriger, der die saudi-arabische Staatsbürgerschaft hat und 2006 nach Deutschland kam. Er hatte demnach einen unbefristeten Aufenthaltstitel und arbeitete zuletzt als Psychiater in Bernburg, etwa 50 Kilometer von Magdeburg entfernt. Warum er den Anschlag begangen hat, ist bislang unklar. In Interviews und auf Social Media äußerte sich A. immer wieder feindlich über den Islam und lobte die Politik der AfD. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hatten saudi-arabische Behörden die Sicherheitsbehörden in Deutschland in den Jahren 2023 und 2024 auf Posts des mutmaßlichen Täters hingewiesen.

Doch auch die deutschen Ermittlungsbehörden machten bislang noch keine abschließenden Angaben zu seinen Motiven. Der leitende Oberstaatsanwalt Horst Walter Nopens sagte am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Magdeburg, dass „Unzufriedenheit mit dem Umgang mit saudi-arabischen Flüchtlingen in Deutschland“ der Grund für die Tat gewesen sein könnte. Aber noch verhöre die Polizei den Tatverdächtigen.

Kurz nach dem Anschlag mobilisierten mehrere Neonazi-Parteien und -Vereine zu einer Kundgebung beim Magdeburger Hasselbach am Samstagabend. Die Polizei rechnet vorab mit rund 1.000 Teilnehmer:innen. Wie viele genau gekommen sind, lässt sich zum Redaktionsschluss noch nicht abschätzen. Aber um kurz nach 18 Uhr skandierten mehrere hundert Personen auf dem dunklen Hasselbachplatz: „Wir sind das Volk.“ Viele trugen rechte Szenekleidung, einige waren vermummt. Auf einem großen Banner stand „Remigration“. Behelmte Beamte hinderten die Neonazis zunächst daran, durch die Stadt zu marschieren.

Einen direkten Gegenprotest vor Ort aus der Zivilgesellschaft gab es nicht. Stattdessen versammelten sich mehr als tausend Menschen zur gleichen Zeit ein paar hundert Meter entfernt vor dem Magdeburger Dom zu einer Mahnwache. Pascal Begrich, Geschäftsführer des Vereins Miteinander in Sachsen-Anhalt, erklärte vorab dazu: „Wir wollen mit der Mahnwache Raum zum stillen Gedenken geben.“ Trotzdem stand die Instrumentalisierung des Anschlags durch Rechtsextreme dabei nicht im Mittelpunkt. Darauf hätten sich verschiedene zivilgesellschaftliche Bündnisse, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände geeinigt. „Bei uns sitzt der Schock und die Trauer tief“, sagte Begrich.

Mit Instrumentalisierung meine er, dass die Tat schon am Freitagabend genutzt worden sei, um migrationsfeindliche Politik zu bewerben. Auch als sich abzeichnete, dass der Täter selbst islamfeindlich eingestellt sei, habe sich das nicht geändert. „Die Akteure der rechten Szene behaupten, da habe sich Rassismus gegen Weiße Bahn gebrochen.“ In deren Weltbild gehöre der Täter nicht nach Deutschland. Er sei demnach durch Werte geprägt, die nicht zu der deutschen Kultur passten und einen Hass auf die westliche Gesellschaft förderten, erklärt Begrich.

Olaf Scholz bepöbelt

Zahlreiche AfD-Politiker:innen hatten direkt nach der Tat begonnen, die Tat als vermeintlich islamistisch einzuordnen. Auch in Magdeburg äußerten sich zwei schon Freitagabend zum Wort. „Die politisch Verantwortlichen sitzen in Berlin und in Magdeburg in der Regierung“, sagte Martin Reichardt, Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt und Mitglied des Bundestags, in einem Video des AfD-nahen Deutschlandkuriers. Er stand noch am Freitagabend neben dem Weihnachtsmarkt, hinter ihm blinkte Blaulicht, Rettungskräfte waren im Einsatz. An seiner Seite stand Ronny Kumpf, Vorsitzender der AfD im Magdeburger Stadtrat, und ergänzte, die Sicherheitsmaßnahmen hätten offensichtlich nichts gebracht. „Es ist eine völlig falsche Migrationspolitik, die hier betrieben wurde“, sagte Kumpf.

Auf dem leeren Weihnachtsmarkt traten Tags darauf um kurz nach 12 Uhr Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) vor die Kameras. Die Lage sei „noch schrecklicher“ als am Abend zuerst angenommen. „Bisher hat sich das niemand vorstellen können“, sagte Haseloff zu dem Anschlag. Den Rettungskräften und der medizinischen Versorgung der Krankenhäuser im Umland sei es zu verdanken, dass bislang nicht noch mehr gestorben sind.

Scholz versicherte die Solidarität aller, die in Deutschland Verantwortung tragen. „Wir werden und wir müssen zusammenstehen.“ Es sei wichtig, solidarisch zusammenzustehen und „dass wir diejenigen nicht durchkommen lassen, die Hass sähen wollen“. Zunächst stehe an, die Tat aufzuklären, das Motiv des Täters zu verstehen, „um dann mit den strafrechtlichen und notwendigen anderen Konsequenzen darauf zu reagieren.“

Als der Bundeskanzler dann den Weihnachtsmarkt verließ, bepöbelten ihn einige Leute am Absperrband. Unter ihnen waren auch bekannte Mitglieder des AfD-Jugendverbands Junge Alternative, etwa Anna Leisten, die dem Bundesvorstand angehört.

Danach beruhigte sich die Situation vor dem leeren Weihnachtsmarkt wieder. Trotz der Kälte kamen und gingen Menschen, legten weiter Trauerkerzen, Blumen und Kuscheltiere ab. Als es dunkel wird, gehen in den Bäumen Lichterketten an und beleuchten die geschlossenen Stände.

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16 Kommentare

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  • „International äußerten Po¬li¬ti¬ke¬r:in¬nen Bestürzung über den Anschlag in Magdeburg“

    Schwer zu sagen, ob Ekel Elon nun qua Killer Clown Trump auch zum Politiker geworden ist. Falls so, dann stimmt der obzitierte Satz nicht mehr. Denn Ekel Elon hat er nicht nur keinerlei Bestürzung ausgedrückt, sondern – wie stets und zu allem – Fürchterliches dazu benutzt, um seiner Scheisse (die das einzige sein dürfte, das er innehat) wieder mal freien Lauf zu lassen, indem er jene „Partei“ zur „einzigen Retterin“ Deutschlands verklärte, die ebenjene Partei ist, die der Attentäter von Magdeburg anhimmelt.

  • Die Instrumentalisierung ist bereits passiert. Weidel genauso beliebt wie der CDU-Kanzlerkandidat. Prost Mahlzeit.

    • @Leningrad:

      Frau Weidel war vorher schon genauso beliebt wie der CDU Kanzlerkandidat. Das hat mit dem Anschlag gar nichts zu tun. Die Auswirkung auf die Beliebtheit, die werden wir in einigen Tagen sehen, bei den nächsten Umfragen.

  • Aber auch die Linken sollten das nicht direkt für sich nutzen und eine Demo gegen Rechts machen. Das fand ich für die Opfer gestern nicht passend und nicht respektvoll. Man kennt ja noch nicht mal das Motiv

    • @Cello:

      Im Artikel steht was von Mahnwache und "verschiedene zivilgesellschaftliche Bündnisse, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbände". Zumindest die haben erkannt, daß Antifaschismus keine Freizeitbeschäftigung der "Linken" ist sondern "demokratiegesellschaftlicher" Konsens.



      Und, egal wer, ned abwarten kann, zu spekulieren und des auch noch in die Welt zu kippen incl. Garnierung mit dem üblichen Dreck, hat allesmögliche bloß keinen Respekt vor Menschen.

      • @Hugo:

        Ich habe geschrieben von den Demos und nicht von den Mahnwachen. Der Anschlag hat nichts mit Faschismus zutun genauso wenig wie der zweite Weltkrieg. im Zweiten Weltkrieg war auch nicht das Hauptproblem der Faschismus

  • Die Opfer sind der AfD doch sch**ss egal! Sie suchen nur einen Grund - und sei er noch so abwegig - um Hass und Gewalt zu verbreiten. Dass sie sich so offen zeigen können, ist ein Armutszeugnis unserer Gesellschaft und ihrer gewählten Vertreter.

  • "Laut der Nachrichtenagentur Reuters hatten saudi-arabische Behörden die Sicherheitsbehörden in Deutschland in den Jahren 2023 und 2024 auf Posts des mutmaßlichen Täters hingewiesen."

    Was bitte sollen diese Zitat von Reuters in allen Zeitungen? "Auf den Mann hingewiesen"? Lächerlich. Der Attentäter hat gegen den Islam gewettert und das als Ex-Muslim. Natürlich wollten die Saudis den auch zerstückeln.

  • Ich meine wenn der Täter Alice Weigel mag und Elon Musk müsste man den doch als Rechtsextremen Täter bezeichnen oder? Auf Merkel hat er auch geschimpft. Warum und wogegen randalieren die dann durch die Stadt?

  • Weil hier einige Leute wüst spekulierten:

    Der Täter benutzte für seinen Angriff die Rettungsgasse, durch die die Tram-Schienen verlaufen, die zu schmal für einen LKW war, aber nicht für einen SUV, und die von einer Gruppe Fußpolizei bewacht wurde.

    Es ist nun so, dass eine hypothetische Totalsperre des Magdeburger Weihnachtsmarktes just am Morgen des Anschlagstages aus Sicherheitsgründen "angesichts der Katastrophe in Oberhausen" (siehe www.derwesten.de/s...-id301274125.html) beseitigt worden wäre...

  • Tagesschau.de Ticker:



    "19:35 Uhr | Deutliche Zunahme von Übergriffen auf Menschen mit ausländischem Aussehen

    Die Fach- und Beratungsstelle für Gewalt- und Radikalisierungsprävention "SALAM Sachsen-Anhalt" berichtet einem MDR-Reporter von einer deutlichen Zunahme von Übergriffen auf Menschen mit ausländischem Aussehen im Stadtgebiet von Magdeburg am heutigen Samstag.

    Geflüchtete berichten von körperlichen Angriffen, Menschen würden geschubst, beleidigt oder angespuckt. In einem Fall sei ein Mensch von vier Personen angegriffen und geschlagen worden."

    • @Hannes Hegel:

      Erstaunt sie das?

    • David Muschenich , Autor des Artikels, Korrespondent
      @Hannes Hegel:

      Lieber Hannes Hegel, vielen Dank für die Ergänzung. Das habe ich selbst heute nicht gesehen, aber kann es mir gut vorstellen.

    • @Hannes Hegel:

      Wundert sie das?

  • Das instrumentalisieren von ganz furchtbaren Tragödien gehört leider in das Repertoire der Neonazis! Das verzerren der Wahrheit und die Erzeugung von Empörung trifft auf fruchtbaren Boden und triggert die einfältigen, das ist deren Kalkül!

    Das schlimmste ist, das man die Ermittlungen der Ermittlungsbehörden nicht abwarten kann. Die Lüge verbreitet sich heute leider schneller als die Wahrheit, und die Algorithmen die Empörung noch triggern, denn das ist das Geschäftsmodell der asozielen Medien, befeuern diesen Umstand!

  • "Warum er den Anschlag begangen hat, ist bislang unklar."

    Er hat sein Motiv mehrfach, ausdrücklich, und völlig offen auf Elon Musks Hassplattform verbreitet: "die Deutschen" seien zu bestrafen, man müsse ihnen den Krieg erklären und sie vernichten, da sie sich der Beihilfe zur "Umvolkung" schuldig gemacht hätten.

    Was genau soll daran "unklar" sein?

    "International äußerten Po­li­ti­ke­r:in­nen Bestürzung über den Anschlag in Magdeburg."

    Man hätte hier auf die Reaktionen aus Kyiw respektive Moskau näher eingehen können.