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Nach dem AfD-Frauenmarsch in BerlinGefahrenabwehr für die Tonne

Bei einer Demo in Berlin hat die Polizei am Wochenende antifaschistische Fahnen beschlagnahmt. Die Begründung für die Aktion ist fragwürdig.

Maximale Eskorte für den sogenannten Frauenmarsch Foto: dpa

Ein Hakenkreuz in einer Mülltonne: Was als eindeutig antifaschistische Symbolik erkennbar sein dürfte, war der Polizei am Samstag offenbar zu heikel. Zwei Mitgliedern der Grünen Jugend wurden auf dem Weg zum Protest gegen den sogenannten Frauenmarsch der AfD Fahnen mit beschriebenem Aufdruck abgenommen. Auf Nachfrage der Grünen-Abgeordneten June Tomiak im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erklärte Polizeipräsidentin Barbara Slowik am Montag, dass die Beamten wohl die Gefahr einer „Verkennung“ sahen.

Da war das Social-Media-Team der Berliner Polizei am Samstag schon weiter. Über Twitter erklärten die: „Unsere Kolleg. an der Demostrecke sind sensibel, was mögliche Provokationen betrifft. Zur Gefahrenabwehr wurden die Fahnen daher sichergestellt. Die Aufschrift ist nicht strafbar.“

Ganz recht, seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2007 ist klargestellt, dass die Verwendung sonst verbotener Symbole wie des Hakenkreuzes ausdrücklich erlaubt ist, „wenn die Gegnerschaft [zum Nationalsozialismus] sich eindeutig und offenkundig ergibt und ein Beobachter sie somit auf Anhieb zu erkennen vermag.“

Fragt sich nun, welche Gefahr da abgewehrt werden sollte und ob eine widerstreitende Meinungs­äußerung mittels Wink-Elementen am Rande eines rechten Aufmarsches tatsächlich eine unzulässige Provokation ist.

Die inkriminierten Flaggen der Grünen Jugend Foto: Sebastian Weise

Wie überhaupt angesichts der weiträumigen Absperrung der Demoroute der AfD gefragt werden kann, inwieweit Gegenproteste für die Berliner Polizei insgesamt nur verzichtbare Provokationen sind. Hakan Taş bemängelte für die Linkspartei ebenfalls im Innenausschuss den eingeschränkten Zugang zu den eingegitterten Gegenkundgebungen am Samstag. Bemerkenswert fand Taş auch die umfassende und disruptive Sicherung zweier weiterer Aufzüge im näheren Umkreis, einer zum „Schutz der Bäume“ und einer mit dem Thema „Biene Maja“, beide ohne TeilnehmerInnen.

Barbara Slowik sicherte zu, sich der angesprochenen Punkte anzunehmen. Nachschulungen in Demonstrationsrecht und im Erkennen verfassungsfeindlicher Symbole haben ja tatsächlich noch niemandem geschadet.

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9 Kommentare

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  • Unerlaubtes entwenden und zerstören ist Diebstahl mit Schachbeschädigung. Unzulässige Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Einkesselungen ist Freiheitsberaubung. Das Recht gilt auch für die Polizei. Vielleicht sollten betroffene Demonstranten ihre Rechte konsequent über Strafanzeigen geltend machen. Da man der Polizei und damit jedem Polizisten individuell ja Rechtskenntnis unterstellen darf, wären diese Rechtsbrüche also grob vorsätzlich, so daß der grundgesetzliche Rechtsschutz außer Kraft gesetzt ist und die Beamten persönlich für den erlittenen Schaden haften.

  • 8G
    82278 (Profil gelöscht)

    "Nachschulungen in Demonstrationsrecht"

     

    Das Recht auf Gegendemonstration oder Störung/Blockade einer anderen Demonstration ist rechtlich verbrieft?

     

    Interessant. Zitieren Sie doch bitte mal den entsprechenden Paragraphen, Herr Kretschmar.

    • @82278 (Profil gelöscht):

      Das Recht auf Gegendemonstration in Hör- und Sichtweite ist tatsächlich verbrieft. Gibt nen Urteil des Verfassungsgerichts dazu.

  • Die Fahnen hätte die Polizei nicht beschlagnahmen dürfen, das stimmt. Die Frage ist aber auch inwiefern solche Symbolik zu einem Diskurs, einem Meinungsaustausch, beiträgt. Ich meine eine Gegendemonstration ist sehr wichtig, nicht aber um der Gegenseite zu sagen "Ihr seid Nazis und scheiße", sondern um eben ein Statement pro Diskurs, zu setzen. Ich denke dieses sich-profilieren über Hakenkreuz-Karikaturen ist sowieso nicht besonders intelligent, sondern verhärtet die eh schon hohen Mauern zwischen den Lagern.

    • @Unaufföllig:

      Artikel 8 GG sagt nichts von einer Diskursverpflichtung.

      Finde ich gut so. Jeder darf seine Meinung sagen, muss aber mit keinem darüber reden, wenn man es nicht will.

       

      Wenn Sie an einer Gegendemo teilnehmen, um mit der Bezugsdemo Gespräche zu führen, so bleibt Ihnen das unbenommen.

    • @Unaufföllig:

      Es geht bei einer Demonstration auch um Sichtbarkeit einer Position. Dafür haben sich Transparente, Fahnen und Lautsprecher bewährt. Die berliner Polizei scheit der Meinung zu sein, wer als Nazi eine Demo anmeldet, dem steht die uneigeschränkte Präsenzhoheit zu. Da stören dann Gegendemonstranten mit bunten Fahnen das Bild der großen Volksgemeinschaft und gehören entfernt oder unsichtbar gemacht.

    • @Unaufföllig:

      Ich glaube bei einer solchen Demo geht es nicht um Diskurs und Demos, beziehungsweise Gegendemos sind auch nicht der richtige Ort dafür .Hier geht es oft vielmehr darum zu zeigen, dass es Widerstand, beziehungsweise Widerspruch gegenüber dem Weltbild der Rechten gibt.

      • @wirklich?:

        Sie haben völlig Recht! Allerdings: Ein Deutscher ohne Fahne? - sowas geht ja gar nicht! Völlig egal welche Farbe, eine Fahne muß her. Aber sofort! Sonst is er ja nackich, der Teutone.