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Nach Verdacht der VorteilnahmeDie nächste Andy Grote-Affäre

Die Hamburger Staatsanwaltschaft wollte die Wohnung des SPD-Innensenators durchsuchen. Beschützte ihn der Generalstaatsanwalt davor?

Musste doch keine Hausdurchsuchung erleben: Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) Foto: Jonas Walzberg/dpa

Hamburg taz | Wer will schon einen „politischen Tsunami“ auslösen? Das fragte sich wenige Monate vor der Hamburger Bürgerschaftswahl 2020 offenbar Hamburgs Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich. Und so beschied er in einer internen Runde der Hamburger Staatsanwaltschaft, dass die Ermittlung gegen Innensenator Andy Grote (SPD) wegen einer möglichen Vorteilsnahme nicht weiter verfolgt werden soll.

Den juristischen Beurteilungsspielraum in der Sache solle die Staatsanwaltschaft doch eher zu Grotes Gunsten auslegen, soll Fröhlich der jüngst veröffentlichten Recherche des Digital-Mediums t-online.de zufolge intern vertreten haben. Wurde der Innensenator also vor staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen geschützt?

Klar ist, dass gegen Grote ermittelt wurde. In seiner Zeit als Bezirksamtschef von Hamburg-Mitte 2012 bis 2016 soll Grote vom FC St. Pauli VIP-Tickets für die Heimspiele des Fußballvereins erhalten haben. Das kann unter Umständen in den Bereich der Korruption fallen. Denn 2015 liefen zwischen dem Bezirksamt und dem Verein noch Verhandlungen um den Umbau des Millerntorstadions.

In Anbetracht dieser Umstände begann eine Staatsanwältin mit Ermittlungen wegen möglicher Vorteilsnahme Grotes. Auch gegen den Hamburger Polizeipräsidenten Ralf Martin Meyer und den früheren Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) wurde ermittelt.

Promibonus für den Innensenator?

Die Vorermittlungen veranlassten t-online.de zufolge die Staatsanwaltschaft zur Vorbereitung einer Durchsuchung von Grotes Amts- und Wohnräumen. Was genau sie von einer Durchsuchung für die Ermittlung erhofften, ist unklar. Dazu kam es jedoch ohnehin nicht. Eine interne Besprechung soll das durch den Einfluss des Generalstaatsanwalts Fröhlich verhindert haben. Zugleich warnte die mit den Ermittlungen betraute Staatsanwältin jedoch davor, dass so der Eindruck erweckt würde, es gebe einen Promibonus.

Tatsächlich drängt sich dieser Einfluss auf, da erst kürzlich zwei Hamburger Beamte wegen Vorteilsnahme zu Geldbußen verurteilt wurden, da sie ebenfalls Freikarten des FC St. Pauli angenommen hatten. Später kam es zu einer Durchsuchung beim FC St. Pauli, der die Freikarten angeboten hatte. Gegen Grote und Meyer wurden die Ermittlungen eingestellt.

Damit ist die lange Liste um Andy-Grote-Affären um eine reicher: So stand er etwa 2020 wegen einer Party nach seiner Bestätigung als Innensenator in der Kritik – die er schmiss, obwohl derlei Veranstaltungen zu diesem Zeitpunkt wegen der Corona-Pandemie untersagt waren.

Während Grote eine Hausdurchsuchung nun erspart blieb, sorgte eine andere Durchsuchung 2021 für die nächste Affäre: Grote hatte wegen eines Tweets, in dem er als „1 Pimmel“ bezeichnet wurde, Anzeige erstattet. Darauf folgte eine als völlig unverhältnismäßig erachtete Hausdurchsuchung bei der Ex-Freundin des Verfassers.

So wenig verständlich die Haltung des Generalstaatsanwalts in der aktuellen Grote-Affäre erscheint – bislang hat sich Fröhlich nicht öffentlich dazu geäußert –, so treffend scheint seine Haltung zum Innensenator trotz allem: So zitiert t-online.de Fröhlich auf Basis eines Vermerks, er „halte Grote nicht für integer“.

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3 Kommentare

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  • Andy Grote hat es weit gebracht im Leben. Eventuell einfach viel zu weit. Er wäre ein guter Ortsamtsleiter gewesen. Aber das Schicksal wollte es anders: Er ist tatsächlich für die SPD Senator und Bezirkamtsleiter geworden.



    Und nun stellt sich immer mehr heraus, dass dies wohl zu große Schuhe für ihn waren. Dabei hat Grote durchaus glaubhaft ein Herz für St. Pauli, Hamburg und Polizisten, aber bei seinen begrenzten Möglichkeiten häufen sich die Fehler. Das Problem ist, dass die SPD nur Parteirechte ins Innenressort setzt, bis vor Kurzem bestand der rechte Oberanführer Johannes Kahrs auf seine Leute, seine Auswahl.

    Jetzt könnte Grote bald gehen, kommen müsste dann Kienscherf, auch er ein Parteirechter, bislang hat er keine Skandale oder Ausfälle geliefert, er macht manchmal kleine Punkte, Minuspunkte bisher nicht. Dafür müsste die Regierung sich aber berappeln und eine Entscheidung treffen. Dass die SPD-Mitte nicht mehr den Innensenator stellt, scheint eher unwahrscheinlich.

    Es gibt noch die Möglichkeit rechte Sozialdemokraten zu ernennen, aber dick ist das Personaltableau nicht. Wirklich im Detail wird nichts aufgeklärt werden. Sondern es geht solange weiter, wie die SPD die Regierung stellt. Solange warten wir dann auf eine kompetenten Innensenator oder Senatorin.

  • Wenn Hamburgs Generalstaatsanwalt Fröhlich, entgegen seiner Einschätzung, SPD Innensenator Andy Grote sei nicht integer, diesen, trotz Korruptionsanfangsverdacht vor anberaumter Hausdurchsuchung durch mutige Staatsanwältin bewahrt, sich dabei auf "Beurteilungsspielraum" beruft, ist anzunehmen, dass von ganz oben, vom Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher SPD, in Nachfolge Olaf Scholz, politische Weisung erging, von Hausdurchsuchung abzusehen, angesichts bevorstehender Bürgerschaftswahlen in Hamburg 2020. Das Politische Weisungsrecht von Ministerien in Bund, Ländern gegenüber Staatsanwaltschaft, BKA, Steuerehörden, Richterschaft ausgenommen, die, anders als z. B. in Frankreich weder Recht auf eigene Ermittlung noch Klageerhebung hat, ewurde aus 19. Jahrhundert semiparlamentarischer Monarchie Deutschland über Weimarer Republik 1919-1933, noch vor Hitlers Machtergreifung 30. Januar 1933 von Landesregierungen brauner Färbung als willkommenes Instrument genutzt, legal Ämter nationnalsozialistisch aufzurüsten. Das NS Terrorsystem 1933-1945 bedurfte dieses Instruments nur zum Schein, Willkürakte zu legitimieren wie das Nürnberger Rassegesetz 1935, um dann in die Bundesrepublik Deutschland 1949 hinübergerettet, exekutiv Melange aus "Biederrmeier&Brandstifter" Urständ bei Gefahr zu feiern, von Europol, Interpol u. a. internatiionalen Ermittlungsbehörden Netzwerken, nur eingeschränkt mit geheimdienstlichen, polizeilichen Erkenntnissen versorgt zu werden. Besonders nachdem Interpol zuletzt 2018 in Berlin vergeblich darauf drang, Politisches Weisungsrecht in Deutschland abzuschaffen. Im Ampel Koalitionsvertrag 2021 ist verklausuliert von politischen Anpassungen an EU Standards die Rede, ohne dass bisher geliefert wurde. Ergebnis könnte sein, dass sich Schweden gestern aus Zusammenarbeit mit Deutschland bei Ermittlungen zu den Ostsee Pipelines Sabotageakten zurückzog, ohne dass das in deutschen Medien im Kontext fortbestehend politischen Weisungsrecht debattiert wird.

  • Es gibt oberste Dienstherren als Ressort-Chefs fürs Innere in diese Republik, die möge bitte sofort der Blitz beim sch...... treffen.