piwik no script img

Nach Urteil im Fall George FloydChauvin beantragt Neuauflage

Für die Verteidigung habe der verurteilte Ex-Polizist keinen fairen Prozess bekommen. Einer der Geschworenen wurde mit einem Black-Lives-Matter-Shirt abgelichtet.

Demonstrant am 19. April während des Prozesses in Minneapolis Foto: John Minchillo/ap

Washington afp | Nach dem Schuldspruch im Prozess um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd hat der verurteilte weiße Ex-Polizist Derek Chauvin eine Neuauflage des Prozesses beantragt. Sein Mandant habe kein faires Gerichtsverfahren bekommen, schrieb Chauvins Anwalt, Eric Nelson, in einer Erklärung am Dienstag (Ortszeit). Zuvor hatte ein früheres Foto für Wirbel gesorgt, das einen Geschworenen mit einem T-Shirt mit der Abkürzung „BLM“ für Black Lives Matter zeigt.

In seiner Begründung für seinen Antrag führte Chauvins Anwalt die öffentliche Aufmerksamkeit rund um den Fall, Fehler des Gerichts und der Staatsanwaltschaft sowie Druck auf die Jury auf. Die Berichterstattung sei „vor und während des Verfahrens so (…) voreingenommen gewesen“, dass sich daraus strukturelle Verfahrensfehler ergeben hätten. Das Foto des Geschworenen Brandon Mitchell erwähnte Nelson nicht.

Auf der Aufnahme aus dem vergangenen Jahr ist Mitchell mit einem T-Shirt mit der Aufschrift „BLM“ sowie „Nehmt euer Knie aus unseren Nacken“ zu sehen. Das könnte die Unvoreingenommenheit des 31-jährigen Afroamerikaners im Prozess gegen den weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin in Frage stellen: Der Slogan war bei den landesweiten Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt nach Floyds Tod häufig zu sehen gewesen. Chauvin hatte dem festgenommenen Afroamerikaner am 25. Mai 2020 in Minneapolis neuneinhalb Minuten lang das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl Floyd wiederholt klagte, keine Luft mehr zu bekommen.

Mitchell hatte bei der Vorauswahl der Geschworenen im Prozess gegen Chauvin angegeben, nicht an Demonstrationen gegen Polizeigewalt teilgenommen zu haben. Nach Auftauchen des Fotos sagte der Basketballtrainer örtlichen Medien, die Aufnahme sei im vergangenen August am Rande einer Kundgebung zum Jahrestag der berühmten Rede „I Have a Dream“ des Bürgerrechtlers Martin Luther King in der Hauptstadt Washington entstanden.

Kippen des Schuldspruches unwahrscheinlich

Der Jury-Experte Jeffrey Frederick sagte nun der Nachrichtenagentur AFP, Mitchells Antworten seien „technisch korrekt“ gewesen, weil es sich offiziell um eine Erinnerungsveranstaltung gehandelt habe. Der Vorsitzende Richter des Prozesses könne Mitchell nun erneut befragen und prüfen, ob er befangen gewesen sei und möglicherweise gelogen habe.

Frederick und ein anderer Experte hielten es für unwahrscheinlich, dass der Schuldspruch wegen Mitchell gekippt werden könnte. Für einen solchen Schritt gebe es hohe Hürden.

Die zwölf Geschworenen hatten Chauvin am 20. April einstimmig in allen drei Anklagepunkten schuldig gesprochen, darunter wegen Mordes zweiten Grades. Das Strafmaß soll am 25. Juni verkündet werden. Ursprünglich war der 16. Juni angesetzt worden. Auf Mord zweiten Grades steht eine Höchststrafe von 40 Jahren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Ich glaube das war absehbar, dass das Urteil keinen Bestand haben würde. Das wird auf Totschlag, oder schwere Körperverletzung mit Todesfolge rauslaufen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      second degree murder ist vergleichbar mit dem deutschen Totschlag in besonders schwerem Fall.

      • @Rider:

        Es gibt keinen Straftatbestand des Totschlags in einem besonders schweren Fall. Hier liegt allenfalls tatbestandsmäßig eine fahrlässige Tötung oder eine Körperverletzung mit Todesfolge vor.

  • Ohh Mann möchte die Gesellschaft damit abdecken, und am Ende waren die Juroren, scheinbar nicht weiß genug. Nicht aufgeschlossen genug zu Polizeigewalt etc.



    Nach der These wäre doch jede*r Geschworene leider völlig unpassend welche Gewalt ablehnt, oder?