Nach Tod von Schwarzem durch Polizei: Proteste trotz Ausgangssperre
In Minneapolis protestieren erneut Dutzende, die Polizei setzt Reizgas ein. Zuvor hatte US-Präsident Biden zur Ruhe aufgerufen.
Eine Polizistin hatte am Sonntag bei einer Verkehrskontrolle auf Wright geschossen. Der Vorfall löste Proteste aus, die auch in Gewalt ausarteten. In Minneapolis und der benachbarten Stadt Saint Paul trat am Montagabend eine nächtliche Ausgangssperre für die Metropolregion in Kraft, die bis Dienstagmorgen um 6 Uhr (Ortszeit/13 Uhr MESZ) andauern sollte. Trotzdem kam es zu Protesten. Dutzende Demonstranten riefen Parolen und schwenkten Banner vor der Polizeistation von Brooklyn Center. Die Demonstranten schmähten die Polizisten über einen neu errichten Zaun um die Polizeistation hinweg. „Alle rassistischen Mörder-Bullen ins Gefängnis“ und „Bin ich der nächste?“ stand auf Schildern, die die Demonstranten hielten. Die Polizei setzte Tränengas ein und ordnete ein Ende der Demonstration an.
Der Polizeichef von Brooklyn Center, Tim Gannon, hatte zuvor gesagt, er gehe davon aus, dass eine Polizistin versehentlich einen Schuss abgegeben habe. Nach ersten Erkenntnissen habe sie statt eines Elektroschockers (Taser) irrtümlich ihre Pistole gezogen. Der Präsident der Bürgerrechtsorganisation NAACP, Derrick Johnson, erklärte: „Ob es sich um Nachlässigkeit und Fahrlässigkeit handelt oder um einen unverhohlenen modernen Lynchmord, das Ergebnis ist das gleiche. Ein weiterer schwarzer Mann ist durch Polizistenhand gestorben.“
Gannon zeigte bei einer Pressekonferenz Aufnahmen der Kameras, die die Polizisten am Körper trugen (Bodycams). Darauf ist zu sehen, wie Sicherheitskräfte Wright Handschellen anlegen wollen. Dabei löst sich Wright aus dem Griff und steigt wieder in sein Auto. Eine Polizistin ruft „Taser Taser Taser“, hat aber eine Pistole in ihrer Hand. Aus der Waffe scheint sich ein Schuss zu lösen, bevor Wright davonfährt. Die Polizistin sagt erst einen erschreckt wirkenden Kraftausdruck und dann: „Ich habe gerade auf ihn geschossen.“
Bürgermeister sichert vollständige Aufklärung zu
Bürgermeister Mike Elliott sagte, Wright sei noch mehrere Blocks weitergefahren und dann mit einem anderen Fahrzeug zusammengeprallt. Er habe nicht wiederbelebt werden können. Elliott sicherte vollständige Aufklärung und Gerechtigkeit für Wright zu. Der örtliche Sender WCCO berichtete unter Berufung auf die Gerichtsmedizin, Wright sei an einer Schusswunde an seiner Brust gestorben.
Polizeichef Gannon betonte: „Es gibt nichts, was ich sagen kann, um den Schmerz der Familie zu lindern.“ Ihm sei nicht bekannt, dass im Wagen des Opfers eine Waffe gefunden worden sei. Die Polizistin sei während der laufenden Untersuchung freigestellt worden. Die Polizisten hätten Wright kontrolliert, weil die Zulassung seines Wagens abgelaufen gewesen sei. Bei der Überprüfung seiner Personalien hätten sie dann festgestellt, dass gegen ihn ein Haftbefehl wegen eines „groben Vergehens“ vorliege.
Bürgermeister Elliott sagte, dass nach George Floyd erneut ein Schwarzer durch die Polizei getötet worden sei, sei „herzzerreißend und einfach unfassbar“. Elliott betonte: „Das hätte nicht zu einer schlechteren Zeit geschehen können.“ Amerika und die ganze Welt blickten auf die örtliche Gemeinschaft, die nach dem Tod Floyds immer noch „am Boden zerstört“ sei.
Der neue Todesfall hatte am Sonntagabend schwere Proteste ausgelöst. US-Medien berichteten, Hunderte Demonstranten hätten ein Polizeirevier umringt. Es sei zu Zusammenstößen mit Sicherheitskräften gekommen, die unter anderem Tränengas eingesetzt hätten. Die örtliche Polizei habe später Verstärkung von der Nationalgarde von Minnesota erhalten, die derzeit wegen des Chauvin-Prozesses in Minneapolis stationiert sei.
Profi-Ligen NBA, NHL und MLB sagen mehrere Spiele ab
Nach dem Tod Floyds in Minneapolis am 25. Mai 2020 war es in den USA monatelang zu Massenprotesten gegen Polizeigewalt und Rassismus gekommen. Dem Ex-Polizisten Chauvin wird vorgeworfen, bei dem Einsatz im vorigen Jahr sein Knie minutenlang auf George Floyds Hals gepresst zu haben, obwohl dieser flehte, ihn atmen zu lassen.
Als Reaktion auf den neuerlichen Vorfall sagten die Profi-Ligen NBA, NHL und MLB die für Montagabend geplanten Partien unter Beteiligung der Mannschaften aus Minnesota ab. In der NBA hätten die Minnesota Timberwolves gegen die Brooklyn Nets Basketball gespielt, in der National Hockey League ist die Begegnung der Minnesota Wild um den Augsburger Nico Sturm gegen die St. Louis Blues betroffen. In der Major League Baseball wurde das Spiel der Minnesota Twins mit dem Berliner Max Kepler im Kader gegen die Boston Red Sox abgesagt, wie die Ligen jeweils mitteilten.
In Windsor im US-Bundesstaat Virginia wurde unterdessen ein Polizist entlassen, der bei einer Verkehrskontrolle gegen einen schwarzen Leutnant der US-Streitkräfte Reizgas eingesetzt hatte. Die Stadt teilte mit, eine Untersuchung des „unglücklichen“ Vorfalls vom vergangenen Dezember habe ergeben, dass der Polizist Verfahrensregeln nicht eingehalten habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau