Nach Tod des Präsidenten: Offene Zukunft in Burundi
Burundis Präsident ist tot. Nun droht ein Machtkampf an der Staatsspitze. Geheimniskrämerei und Gewaltangst beherrschen die Stimmung im Land.
Der 55-Jährige war am frühen Sonntagmorgen in eine Klinik eingeliefert worden, nachdem er sich nach einem Volleyballspiel am Samstagnachmittag neben seinem Präsidentenpalast in seinem Heimatort Ngozi im Norden des Landes nicht wohl gefühlt hatte. Als ihn Familienmitglieder am Sonntag im Kreiskrankenhaus der Nachbarprovinz Karuzi besuchten, habe er sich bereits besser gefühlt, so eine Regierungserklärung. Es sei eine „sehr große Überraschung“ gewesen, dass er am Montag einem Herzstillstand erlegen sei.
Die Gerüchteküche hatte da schon das ganze Wochenende lang gebrodelt. Einwohner der Wirtschaftsmetropole Bujumbura berichteten von regem Hubschrauberverkehr – vermutlich, um Ärzte und medizinisches Gerät nach Karuzi zu fliegen. Die Vermutung lag auf der Hand, der Präsident sei möglicherweise an Covid-19 erkrankt.
Bereits Ende Mai hatten Medien gemeldet, Nkurunzizas Frau Denise Bucumi sei mit Covid-19-Symptomen zur Behandlung in Kenias Hauptstadt Nairobi ausgeflogen worden. Am Dienstag, nach dem Tod ihres Mannes, soll sie wieder in Burundi gelandet sein. Lokale Medien melden, weitere Familienmitglieder seien in kritischem Zustand.
Corona-Risiken werden verschwiegen
Geheimniskrämerei bestimmt Burundis Umgang mit der Coronakrise seit ihrem Beginn im März. Laut offiziellen Angaben sind in dem kleinen Land mit rund elf Millionen Einwohnern 83 Menschen an Covid-19 erkrankt, es gibt nur einen Toten. In Diplomatenkreisen heißt es jedoch, die Dunkelziffer sei enorm, und es mangele in dem bettelarmen Land an Tests und politischem Willen.
Als die Vertreter der Weltgesundheitsorganisation WHO im Mai vor Ansteckungsgefahr während des Wahlkampfes warnten, wurden sie hinausgeschmissen. Um die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 20. Mai trotzdem stattfinden zu lassen, verschwieg die Regierung die Coronarisiken glattweg. Der strenggläubige Christ Nkurunziza betonte, Gott werde den Burundern beistehen. Zu Wahlveranstaltungen kamen Abertausende Menschen dicht gedrängt – ohne Schutzmaßnahmen.
Bereits im Vorfeld der Wahl, zu der Nkurunziza nach 15 Jahren an der Macht nicht mehr angetreten war, gab es Gerüchte um seinen Gesundheitszustand. Seine Partei CNDD-FDD (Nationalrat/Kräfte für die Verteidigung der Demokratie), eine ehemalige Hutu-Guerillabewegung, hatte einen Vertrauten als Nachfolger ins Rennen geschickt: Evariste Ndayishimiye, bislang Generalsekretär der Partei und einer der wichtigsten Generäle des Landes. Er gewann die Wahl laut offiziellen Angaben mit knapp 69 Prozent. Am 20. August wird er in das höchste Amt eingeschworen.
Nun, da Nkurunziza vorzeitig gestorben ist, übernimmt gemäß der Verfassung erst mal der Parlamentspräsident die Staatsführung: Pascal Nyabenda. Der gilt allerdings als Rivale des zukünftigen Präsidenten Ndayishimiye innerhalb der Regierungspartei. Im Januar bei der Kandidatenaufstellung zur Wahl soll einem Bericht zufolge Nkurunziza Nyabenda favorisiert haben, einen Zivilisten, aber die mächtigen Generäle aus Bürgerkriegszeiten hätten mit Ndayishimiye einen der ihren durchgedrückt. Beim ersten Krisentreffen nach dem Tod Nkurunzizas soll es zwischen den beiden Streit gegeben haben.
Straßen in Bujumbura leergefegt
Wie die Lage ohne den „obersten Führer“ sich nun entfalten wird, bleibt unklar. Burundis Geschichte ist von Gewalt geprägt. Bereits vor der Wahl gab es Tote durch Granatenanschläge. So war es nicht weiter erstaunlich, dass sich nach der Todesnachricht die Burunder am Dienstagnachmittag in ihren Häusern verschanzten. Die geschäftigen Straßen in Bujumbura waren leergefegt. Laut unbestätigten Meldungen sollen Kneipengäste verhaftet worden sein, weil sie angeblich den Tod des Präsidenten gefeiert hätten.
Burundis Regierung appelliert jetzt an das Volk, Ruhe zu bewahren. Eine einwöchige Trauerzeit läuft, die Flaggen wehen auf Halbmast. In der Diaspora sowie im Nachbarland Ruanda, mit dem Nkurunziza im Clinch lag und wohin viele seiner Gegner geflohen sind, äußerten viele die Hoffnung, dass sich die Lage nun entspannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby
Tiefkühlkatze aufgetaut