Nach Terroranschlag in Ankara: Türken fürchten Gewalt in Deutschland
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde Gökay Sofuoğlu warnt vor Polarisierung auch in Deutschland. Auf zahlreichen Demos wird Trauer und Wut bekundet.
Er beobachte, „dass in den sozialen Medien sehr schnell von allen Seiten zu Demonstrationen aufgerufen wird, die gar nicht genehmigt sind“, sagte Sofuoğlu. Sowohl auf türkischer als auch auf kurdischer Seite entwickelten sich verschiedene Gruppierungen.
So gebe es auf der einen Seite sogenannte Osmanen in Deutschland, die sich als gewaltbereite Verteidiger des Türkentums bezeichneten. Auf der anderen Seite stünden Anhänger von „Apo“, die bei Demonstrationen vermummt aufträten und auf ihren Plakaten teilweise von Vergeltung sprächen. „Apo“ ist der Kosename seiner Anhänger für den inhaftierten Führer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan. Beide Gruppen seien zwar in der Minderheit, betonte der Chef der Türkischen Gemeinde, fügte jedoch hinzu: „Wehret den Anfängen“.
Bei dem Anschlag auf eine Friedensdemonstration in Ankara am Samstag wurden mindestens 97 Menschen getötet, mehr als 500 weitere wurden verletzt. Die türkische Regierung verdächtigt die Islamistenorganisation Islamischer Staat (IS).
Prokurdische Demonstrationen am Wochenende
Unmittelbar nach dem verheerenden Terroranschlag in der Türkei haben in mehreren deutschen Städten Tausende Kurden und Sympathisanten gegen den Terror demonstriert. Bei Kundgebungen machten Teilnehmer den türkischen Staat und den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan für die Tat verantwortlich. „Kein Beileid für Erdoğan aussprechen, denn er ist der Täter“, stand auf einem Schild bei einer Demonstration am Samstag in Hamburg. Die größte Kundgebung wurde aus Stuttgart gemeldet, wo spontan etwa 5.000 Menschen auf die Straße gingen.
In Hamburg beteiligten sich 1.500 überwiegend Kurden, in Berlin 1.000, in Freiburg etwa 700 und in Mannheim bis zu 400. „Sag Nein zum Staatsterror“ forderten 200 Teilnehmer in Karlsruhe. In Heilbronn kamen etwa 350 Menschen zu einer Demo der Kurdischen Gemeinschaft. Auch in Dresden, Ulm, Heidenheim und Pforzheim wurde demonstriert. Nennenswerte Zwischenfälle wurden nicht bekannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?