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Nach Streit in Sachsen-Anhalt22-Jähriger stirbt in Köthen

Zwei Afghanen wurden wegen Tatverdachts vorläufig festgenommen. Linke und Rechte kündigen Demonstrationen an.

Ein Streit in Köthen endete tödlich Foto: dpa

Berlin taz | Bei einem Streit in Köthen (Sachsen-Anhalt) ist am Samstagabend ein 22-jähriger Deutscher gestorben. Der Mann ist nach Angaben der Polizei an akuten Herzversagen gestorben. Das Herzversagen stehe nicht „im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen“, teilte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost am Sonntagabend mit Blick auf das vorläufige Obduktionsergebnis mit. Nach einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung hatte das Opfer eine kardiologische Vorerkrankung.

Die Polizei gab das Alter der beiden festgenommenen Afghanen mit 18 und 20 Jahren an. Wie der MDR berichtete, sei der eine als Flüchtling anerkannt, der andere habe abgeschoben werden sollen. Die Staatsanwaltschaft ermittele aber noch wegen anderer Delikte gegen ihn. Das Opfer stammte aus Deutschland.

Gegen den 18 Jahre alten Verdächtigen würden die Ermittlungen nun wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung geführt. Gegen den 20-Jährigen werde wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau werde am zuständigen Amtsgericht entsprechende Haftanträge stellen.

Laut der Tageszeitung Die Welt sollen die Afghanen mit einer jungen Deutschen auf einem Spielplatz zusammen gewesen sein. Sie hätten darüber gestritten, wer von ihnen die junge Frau geschwängert habe. Dann seien zwei Deutsche hinzugekommen, es habe eine Auseinandersetzung gegeben. Das Opfer konnte vor seinem Tod noch ins Krankenhaus gebracht werden, wo ihn sein Bruder, laut Welt ein rechtsextremer Intensivtäter, aufsuchte.

Innenminister Stahlknecht ruft zur Besonnenheit auf

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) rief nach der Tat zur Besonnenheit auf. Er habe vollstes Verständnis für die Betroffenheit der Bürger, sagte er. Der Rechtsstaat werde alle Mittel konsequent einsetzen. „Der tragische Tod des jungen Mannes geht mir sehr nahe, und ich bedauere das Geschehene zutiefst“, sagte er.

Für Sonntagabend riefen verschiedene Gruppen zu einem Trauermarsch in Köthen auf, darunter die rechtsextreme Partei „Die Rechte“. Bei Redaktionsschluss überlegte die AfD, die am Wochenende im nahen Dessau ihren Landesparteitag abhielt, noch, ob sie sich den Protesten anschließen sollte. Linke Gruppen, darunter das Bündnis „Dessau nazifrei“, mobilisierten zu Gegenprotesten nach Köthen.

Auf dem Spielplatz legten am Sonntag Bürger, Kirchenvertreter und Politiker Blumen nieder. „Ich kann nur hoffen und appellieren, dass nicht Gewalt mit Gewalt quittiert wird“, sagte der Köthener Kreisoberpfarrer Lothar Scholz am Sonntag am Tatort auf einem Spielplatz. „Wir sind betroffen, was hier geschehen ist.“ Der Landrat des Kreises Anhalt-Bitterfeld, Uwe Schulze (CDU), sagte: „Wir gehen davon aus, dass der deutsche Rechtsstaat Recht walten lässt. Wir wissen aber noch nicht genau, was passiert ist.“ Die Aufeinanderfolge von Chemnitz und Köthen sei „für uns schlecht“. (mit dpa)

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wurde am Sonntag um 19.27 Uhr aktualisiert.

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13 Kommentare

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  • Dies wäre jetzt der ideale Moment, detektivisch und unabhängig vorzugehen und genau nachzufragen.



    Es wäre hilfreich, wenn die Beschuldigten und die junge Frau mit Menschen sprechen können, die ihr Vertrauen genießen.



    Hier kann sich die Unbestechlichkeit und Vorurteilslosigkeit eines Rechtsstaats beweisen.

    Die Fanatiker melden sich gerne zuerst, zum Beispiel bei der Nazidemo, als Trauermarsch deklariert, gestern abend, wo ex-NPD-Mitglieder laut DLF "Nationalsozialismus jetzt" gefordert haben.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...seltsam, nach den sog. NSU-Morden ging kein Mensch auf die Straße.



    Das 'Abendland' war nicht in Gefahr.



    Waren ja keine 'Deutschen', sondern 'Türken' ; )

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Sie haben den Unterschied zwischen dem NSU und, sagen wir, der RAF, immer noch nicht begriffen, obwohl in den letzten sechs Jahren die Zeitungen voll davon waren.

      Im Falle des NSU gab es erst einmal keine konkret Tatverdächtigen. Es gab auch keine Bekennerschreiben, aus denen seitens der Ermittler ein Muster bzw. ein Zusammenhang hergeleitet werden konnte. Die im Nachhinein den Ermittlungsbehörden vorgeworfene Blindheit wurzelte u.a. darin.

      Im Übrigen ist mir auch nach RAF-Anschlägen keine Demo bekannt geworden, obwohl ich ziemlich dicht dran war. Aber ich will das gerne bei Kraushaar nochmals verifizieren.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...der 'Deutsche' starb an akutem Herzversagen.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      dann ist ja alles gut.

  • Und weiter geht die Talfahrt nach rechts. Beunruhigte Bürger, ihre rechten Anpeitscher und Oxident-Untergangsbeschwörer auf der einen Seite und auf der anderen Seite der internationale solidarische Imperativ und die „Im Vergleich zu ähnlichen Sozialökonomischen Gruppen....“-Erklärbären....

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Das Opfer konnte aber zunächst noch ins Krankenhaus gebracht werden, wo ihn sein Bruder, laut Welt ein rechtsextremer Intensivtäter, aufsuchte."

    War der Bruder beim Tötungsdelikt anwesend/beim Streit beteiligt?

    Spiegel hat noch etwas mehr Information zu einem der Afghanen:



    "Bei dem zweiten wurde von einer Abschiebung vorläufig abgesehen, weil noch Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der schweren Körperverletzung und des räuberischen Diebstahls laufen. In solchen Fällen drängt die Staatsanwaltschaft üblicherweise darauf, die Ermittlungen abzuschließen, bevor eine Abschiebung vollzogen wird."

    www.spiegel.de/pan...alt-a-1227234.html

  • „Das Opfer konnte aber zunächst noch ins Krankenhaus gebracht werden, wo ihn sein Bruder, laut Welt ein RECHTSEXTREMER INTENSIVTÄTER, aufsuchte.“



    Von einem „rechtsextremen Intensivtäter“ in Köthen war mir bisher nichts bekannt. Was für schlimme Verbrechen hat er begangen und warum war bisher in Presse, Funk und Fernsehen davon nicht die Rede in den Medien (auch nicht in der TAZ und nicht in der WELT)?

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Sofern diese Person bei dem Tatvorgang nicht involviert war, ist seine politische Orientierung (oder Desorientierung) von keinerlei Interesse und verletzt meiner Meinung nach die Persönlichkeitsrechte.

      Jetzt ist er in seinem sozialen Kreis, der von dem Tod seines Bruders ziemlich schnell Wind bekommt, gebrandmarkt.

      Aber hey, Geht ja nur um einen Rechtsextremen Intensivtäter. Da gelten ja keine Persönlichkeitsrechte.

    • 9G
      96830 (Profil gelöscht)
      @Pfanni:

      Es war bisher nichts davon zu lesen, weil man das erst jetzt herausgefunden hat. Die Polizei ermittelt noch. Da werden noch viele weitere Details ans Licht kommen, von denen Sie logischerweise noch nichts gelesen haben werden.

  • Naja, in Köthen können es jetzt alle Beteiligten besser machen: brave Demonstranten auf beiden Seiten, überzählige Polizei, ausgewogene Presse, klare Statements der Politik,... und ein schönes Rockkonzert mit rechten und linken Szene-Bands zum Schluss.

    • @TazTiz:

      Würde auch demonstriert, wenn kein Migrant in der Nähe gewesen wäre?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Ich find es es völlig normal, daß es einen besonders eschüttert wenn jemand ein Gewaltdelikt begeht den man aufgenommen hat um ihn vor Verfolgung und Gewalt zu schützen.



        Außerdem sind in 15% aller Gewaltdelikte Zuwanderer tatverdächtigt bei einem Bevölkerungsanteil von 1-2%.



        www.ardmediathek.d...ocumentId=52914016



        Das heißt es gibt hier ein strukturelles Problem gegen das auch demonstriert werden darf auch wenn die Demonstranten ziemlich unappetitlich sind.



        Die meistens Menschen, mich eingeschlossen, erwarten einfach, daß sich Gäste besser benehmen als die Gastgeber.