Nach Schusswechseln in Guinea-Bissau: Alles „unter Kontrolle“?

Im westafrikanischen Land ist es anders als befürchtet doch nicht zu einem Umsturz der Regierung gekommen. Schwach bleibt der Staat aber trotzdem.

Guinea-Bissau's Präsident Umaro Sissoco Embalo

Der Präsident von Guinea-Bissau, Umaro Sissoco Embalo, bei der UN-Generalversammlung im September Foto: Eduardo Munoz/reuters

COTONOU taz | Die Aufregung war in West­afrika groß gewesen – kurz nachdem am Dienstagnachmittag die ersten Schüsse auf den Präsidentenpalast in Guinea-Bissau gefallen waren. Alles deutete auf den zweiten Staatsstreich innerhalb gut einer Woche in West­afrika hin. Erst am 24. Januar hatte das Militär in Burkina Faso geputscht. Nach einem „fünfstündigen Schusswechsel“ kam in der Nacht zu Mittwoch aber die Entwarnung aus dem knapp zwei Millionen Ein­woh­ne­r*in­nen großen Land: „Die Situation ist unter Kontrolle“, sagte Präsident Umaro Sissoco Embaló vor Fernsehkameras, betonte aber auch: „Man hat versucht, mich zu töten.“ Der Angriff soll auch seinem Kabinett gegolten haben, mit dem er sich am Dienstagnachmittag getroffen hatte. Zum Zeichen, dass es allen gut geht, traten mehrere Mi­nis­te­r*in­nen ebenfalls vor die Kameras.

Anfangs hatte es geheißen, dass die Angreifer bereits Staatsradio und -fernsehen besetzt hätten. Informationen verschiedener Medien zufolge sollen sie Zivilkleidung getragen haben. Am Mittwochmittag wird von mindestens sechs Toten ausgegangen: vier Angreifer und zwei Wächter. Sol­da­t*in­nen patrouillieren weiter rund um den Präsidentenpalast. Wie viele Menschen bisher verhaftet wurden, ist offiziell nicht bekannt.

Grund für den Anschlag, so sieht es Embaló, seien seine restriktive Drogenpolitik und sein Kampf gegen Korruption. Ein Teil der Täter sind möglicherweise in den Drogenhandel verstrickt. Guinea-Bissau galt lange als Drehkreuz für den Transport von Kokain von Lateinamerika nach Europa. Immer wieder hat es den Verdacht gegeben, dass auch die Armee in den Handel verstrickt ist. Embaló, Brigadegeneral der Reserve, hat diese Spekulationen aber zurückgewiesen: „Dem Putschversuch hat sich kein Lager angeschlossen. Er war isoliert.“

Embaló ist erst seit 2020 im Amt. Als Oppositionsführer ging der einstige Premier­minister 2019 in die Präsidentschaftswahl und gewann nach Einschätzung der Wahlkommission die Stichwahl gegen Domingos Simões Pereira. Dennoch folgte ein wochenlanger Streit, und beide Lager vereidigten eigene Präsidenten und Premierminister. Eine monatelange Blockade folgte.

Eine stabile Politik gab es hier ohnehin nie

Eine stabile Politik hat es in Guinea-Bissau, das 1974 in einem Befreiungskrieg von Portugal unabhängig wurde, ohnehin nie gegeben. Vier Putsche hat es seitdem verzeichnet, den letzten 2012. Doch auch Präsidentschaftswahlen wurden nicht in vorgegebenen Zeitfenstern vorbereitet. Deshalb wurde 2019 beispielsweise José Mário Vaz entmachtet. Er war zwar noch Präsident, hatte in den letzten Monaten aber keinerlei Befugnisse mehr. Auch zwischen Staatschefs und ihren Premierministern kam es immer wieder zu Zerwürfnissen, und im Parlament blockierten sich die verschiedenen Parteien gegenseitig.

Auf dem Index für instabile Staaten der US-amerikanischen Denkfabrik Fund for Peace rangiert Guinea-Bissau zum Beispiel weit hinten auf Platz 23 von 178 Ländern. Knapp 70 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze.

Dass Guinea-Bissau schnell kippen kann, weiß die West­afrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas nur zu gut, musste sie doch regelmäßig intervenieren, da die Regierungen geschwächt oder zerstritten waren. Am Dienstagnachmittag sprach die Regionalorganisation von „großer Besorgnis“ über die aktuelle Entwicklung. Einen weiteren Staatsstreich kann die Region nach Burkina Faso auf keinen Fall brauchen. Auch Mali steht seit August 2020 ohne gewählte Regierung dar. In Guinea kam es im September 2021 zum Coup.

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