Nach Rücktritt der Regierung in Portugal: Die mageren Jahre sollen vorbei sein
Portugal könnte nun von Sozialisten, Kommunisten und Grünen regiert werden. Das gemeinsame Programm: Löhne rauf und Reiche besteuern.
Die zweite Amtszeit von Pedro Passos Coelho hatte gerade einmal elf Tage gedauert, bis er bei der Vorstellung seines neuen Sparprogramms von der linken Parlamentsmehrheit aus Sozialisten (PS), dem Linksbündnis Bloco de Esquerda (BE) und der kommunistisch-grünen CDU abgewählt wurde.
Zwar hatte Passos Coelho, der Portugal in den vergangenen vier Jahren mit hartem Sparkurs regierte, die Wahlen Anfang Oktober mit seinem Mitte-rechts-Bündnis „Portugal voran“ (PaF) gewonnen, allerdings verlor er dabei die absolute Mehrheit. Obwohl der ebenfalls konservative Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva seinen Parteifreund Passos Coelho erneut mit der Regierungsbildung beauftragt hatte, war das nahe Ende absehbar.
Jetzt steht – wenn Cavaco Silva dies absegnet – dem Generalsekretär der Sozialisten, António Costa, die Tür zum Amt des Ministerpräsidenten offen. Der Exbürgermeister von Lissabon hat in den letzten Wochen ein Bündnis links der Mitte geschmiedet und kann dabei auf 122 der insgesamt 230 Abgeordneten setzen. „Die Portugiesen wollen Veränderung“, erklärte Costa nach der Abstimmung.
Pakt mit langer Liste von Maßnahmen
Erstmals seit 40 Jahren einigten sich die Sozialisten mit den Kommunisten. Grundlage für seine Regierung sind drei Abkommen, die Costa mit dem Bloco de Esquerda, der kommunistischen PCP und deren Partner, der Ökologischen Partei Os Verdes (Die Grünen), ausgehandelt hat. Allen gemein ist der Wunsch, dass der Pakt die „Perspektive einer Legislatur“ habe.
Die Partner der Sozialisten verpflichten sich ausdrücklich, an keinem Misstrauensvotum gegen Costa teilzunehmen, egal was geschieht. Costa wird unter Duldung der drei Partner regieren. Der Bloco, ein Sammelbecken radikaler Linker, ähnlich der griechischen Syriza, sowie die als sehr orthodox geltenden Kommunisten, die auf ihre umstrittenen Programmpunkte wie den Euro- und den Nato-Austritt verzichteten, erreichten im Gegenzug die Zusage Costas, nichts zu unternehmen, „was der Arbeiterklasse und den Rentnern schadet“.
Das Herzstück des Abkommens ist eine lange Liste von Maßnahmen. Weite Teile des Austeritätsprogramms, das in den vergangenen Jahren unter Druck der Troika im Gegenzug für ein Rettungspaket von 78 Milliarden Euro durchgeführt wurde, sollen zurückgenommen werden.
So sollen unter anderem die Renten ab dem 1. Januar wieder an die Preissteigerung angepasst, Steuerabgaben für Rentner gestrichen, Sozialhilfe für Schlechtverdienende wiedereingeführt und die Lohn- und Gehaltskürzungen im öffentlichen Dienst schrittweise zurückgenommen sowie die 35-Stunden-Woche für Staatsbedienstete eingeführt werden.
Kostenfreie Abtreibungen, höherer Mindestlohn
Außerdem soll der Mindestlohn bis Ende der Legislatur von bisher 505 Euro schrittweise auf 600 Euro angehoben werden. Teile der Arbeitsmarktreformen der Vorgängerregierung werden überarbeitet. Die Gewerkschaften werden künftig wieder mehr Rechte haben, Tarifverträge werden wieder verpflichtend. Vier Feiertage, die im Laufe der Sparmaßnahmen gestrichen wurden, werden wieder eingeführt.
Auch im Gesundheitswesen wird sich einiges ändern: Zuzahlungen im Krankenhaus entfallen; Abtreibungen sind künftig wieder kostenfrei. Geplante Privatisierungen, wie die der Wasserversorgung, des Fernbussystems oder der U-Bahn in Oporto, werden nicht stattfinden. Der Verkauf der staatlichen Fluggesellschaft TAP wird gestoppt.
All das soll von einer Steuerreform begleitet werden. Die Lohn- und Einkommensteuer für Besserverdienende wird steigen. Passos Coelho hatte die Steuerprogression von acht auf fünf Stufen gesenkt. Jetzt soll wieder mehr Progressivität Einzug halten. Außerdem wird bald eine Erbschaftsteuer für Vermögen von mehr als einer Million Euro fällig. Nur bei der Mehrwertsteuer will das Bündnis von Costa Erleichterung verschaffen. Eine Senkung des Betrags von 23 auf 13 Prozent im Hotel- und Gaststättengewerbe soll die Wirtschaft ankurbeln.
Nach dem Fiasko seines Parteifreundes Passos Coelho vor dem Parlament wird Staatspräsident Cavaco Silva jetzt alle Parteien erneut zu Gesprächen laden. Es gilt als wahrscheinlich, dass er Costa tatsächlich mit der Regierungsbildung beauftragt. Denn Passos Coelho bis zu vorgezogenen Neuwahlen, die laut Verfassung erst im Mai möglich wären, kommissarisch im Amt zu belassen, wäre der Stabilität alles andere als dienlich.
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