Nach Mord an slowakischem Journalisten: Regierungschef bietet Rücktritt an

Ministerpräsident Fico will mit einem Rücktritt seine Regierungskoalition retten. Ob der Staatspräsident das Angebot annimmt ist ungewiss.

Porträt Róbert Fico

Der Premier am Mittwoch in Bratislava Foto: ap

PRAG taz | Der Druck auf Róbert Fico steigt: am Mittwoch hat der slowakische Regierungschef dem Staatspräsidenten Andrej Kiska seinen Rücktritt angeboten. Der Schritt ist ein letzter Versuch Ficos, die derzeitige Regierungskoalition aus seiner Partei Smer, der ungarischen Most-Hid und der Slowakischen Nationalpartei (SNS) zu retten.

Seinen Rücktritt hat Fico, inzwischen in seiner dritten Amtszeit als Ministerpräsident, unter eine Bedingung gestellt: Keine Neuwahlen, die Regierung bleibt bestehen. Fico erklärte am Mittwoch: „Ich erachte es als wichtig, dass die gegenwärtige Regierungskoalition weiterhin das Mandat ihrer Wähler erfüllt. Es ist unsere Pflicht, den Willen der Menschen auch weiter zu erfüllen und nicht den Staat grundlos den Amateuren und Schreihälsen der Opposition zu übergeben“.

Die hat aber Blut geleckt: am kommenden Montag wird sie im slowakischen Nationalrat ein Misstrauensvotum einreichen. Bislang sieht es aber nicht so aus, dass es die erforderlichen 90 von 150 Stimmen für ein Ende der Regierung erreichen könnte. Viel hängt also von den kleineren Koalitionspartnern ab. Und die scheinen der Idee von Neuwahlen nicht völlig abgeneigt. Während die SNS bereits in der vergangenen Woche die Möglichkeit vorgezogener Wahlen nicht ausschloss, forderten die Ungarn die Regierung auf, Neuwahlen ins Auge zu fassen.

Auch Staatspräsident Andrej Kiska scheint Veränderungen in der Slowakei nicht abgeneigt. Er brachte die Möglichkeit von Neuwahlen vor zwei Wochen ins Spiel.

Verbindungen mit der Mafia

Seit Ende Februar wird die Slowakei von einer heftigen Regierungskrise erschüttert. In den vergangen Wochen demonstrierten Zehntausende im ganzen Land gegen die Regierung. Auslöser war der brutale Mord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová.

Die Polizei glaubt, der Mord hänge mit der investigativen Arbeit Kuciaks zusammen. Auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass der Mord je aufgeklärt wird, sehen viele Slowaken eine Mitschuld bei Fico und seiner Regierung. Nicht nur, weil Fico Journalisten in wüsten Beschimpfungen immer wieder entmenschlicht hatte. Sondern auch, das haben Kuciaks Recherchen offen gelegt, weil er enge Beziehungen zum organisierten Verbrechen pflegte. So wusste Fico zum Beispiel von den Machenschaften der italienischen Ndrangheta, die in der Ostslowakei EU-Fördermittel schröpft.

„Der Chef des slowakischen Verfassungsschutzes hat mir versichert, dass er die Regierung mehrmals auf die Aktivitäten der Mafia in der Ostslowakei aufmerksam gemacht hat“ erklärte Präsident Kiska in einer Ansprache. Ficos Chefberaterin Marie Trošková pflegte indes sehr enge Beziehungen zu einem der angeblichen Mafiosi, die im Osten des Landes operieren.

Fico selbst sieht sich aber als Opfer und glaubt, die Regierungskrise sei von der Opposition hervorgerufen worden. Dahinter stehe, so Fico, niemand anderes als George Soros, der sich im vergangenen Jahr mit Präsident Andrej Kiska getroffen hatte. Nun liegt es an Kiska zu entscheiden, ob er Ficos Bedingungen annimmt und die Smer zwei weitere Jahre bis zu den regulären Wahlen regieren darf.

Bei zustimmung würde Fico noch am Donnerstag zurücktreten und entweder Vizepremier Peter Pellegrini oder Finanzminister Peter Kažimír als seine Nachfolger vorschlagen. Falls nicht, ist noch lange nicht sicher, ob Fico es tatsächlich schaffen wird, noch zwei Jahre auszusitzen. Denn bei den Slowaken hat er seine Legitimität als Regierungschef verspielt. Für den Freitag sind weitere Massendemonstrationen geplant.

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