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Nach Kritik bei der Echo-VerleihungBundesverdienstkreuz für Campino?

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung will den Tote-Hosen-Sänger auszeichnen. Bei allem Respekt für die Echo-Rede ist das zu viel des Guten.

Starker Auftritt: Campino hält bei der Echo-Verleihung eine Rede gegen Rechtsextremismus Foto: ap

Ein Bundesverdienstkreuz für Campino? Kann man machen, findet zumindest Felix Klein, seit Anfang Mai Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung. Wörtlich sagte Klein: „Campino sollte für sein Engagement auf der Echo-Verleihung unbedingt gewürdigt werden, am besten mit dem Bundesverdienstkreuz.“ Der Sänger der Toten Hosen habe „vielleicht sogar langfristig unsere Gesellschaft verändert“, nannte Klein als Begründung.

Bei der Echo-Verleihung hatte Campino die antisemitischen Textzeilen der Rapper Farid Bang und Kollegah scharf kritisiert. Die beiden waren mit dem Echo in der Kategorie Hip-Hop/Urban National ausgezeichnet worden, obwohl es schon im Vorfeld Diskussionen um die Texte ihres Albums „Jung, brutal, gutaussehend 3“ gab. Umstritten war vor allem die Zeile „Mein Körper definierter als der von Auschwitzinsassen“. Ein Satz, der witzig provozieren sollte; die Echo-Jury glaubte sich bei der Entscheidung für das Duo am Puls der Zeit.

Mit der ach so hippen Provokation zerschoss der Musikpreis erst mal sich selbst: Zahlreiche Künstler gaben ihren Echo zurück, der Preis wurde ganz abgeschafft. Der Echo gab ein Bild ab wie Opa, der auch mal cool und wild sein will und dafür mit den zwei größten Vollpfosten feiern geht. Die ganze Echo-Verleihung sei ein kollektiver Blackout gewesen, „ein gemeinschaftliches Versagen“, sagte jetzt Felix Klein.

Auf der Veranstaltung reagierte Campino direkt und reflektiert. Provokation sei ein wichtiges Stilmittel, kommentierte der Tote-Hosen-Frontmann, als er die Auszeichnung für die Kategorie Rock national entgegennahm. Habe Provokation aber eine frauenfeindliche, homophobe, rechtsextreme oder antisemitische Form, sei eine Grenze überschritten. „Wir sollten nicht damit anfangen, einen tieferen Sinn in Dingen zu suchen, wo es keinen tieferen Sinn gibt.“ Es gehe im Kern nicht um einen Rap-Text, „sondern viel mehr um einen Geist, der zur Zeit überall präsent ist.“

Die Auszeichnung hat unfreiwillig für eine Politisierung rund um die Echo-Verleihung gesorgt; selbst glattgebügelt unpolitische Schweiger wie Helene Fischer waren gezwungen, auf ganz vage kritisch zu machen. Dass im Vorfeld der Verleihung kaum einer empört gewesen sei, habe etwas mit der Verrohung der Gesellschaft zu tun, sagte nun Felix Klein: „Provokation und das Überschreiten roter Linien werden hingenommen, ohne sie zu hinterfragen.“ Bei den Verantwortlichen der Echo-Verleihung habe ganz klar der Kommerz im Vordergrund gestanden. „Aber wenn die Gefühle von Holocaust-Überlebenden verletzt werden, muss Schluss sein mit dem Geschäftemachen.“

Lethargisch-kommerzielle Statementlosigkeit

Neben der späten Reaktion bleibt aber vor allem das Schweigen vieler in Erinnerung. Das hat Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch scharf angeprangert: „Viele junge Musiker sind feige Schweine“, sagte er. Sie hätten bei der Echo-Verleihung keine Stellung bezogen, um sich nicht die Finger zu verbrennen.

Mit der aktuellen Reflexion haben der Echo und die deutsche Musik unfreiwillig eine hoch interessante Diskussion verursacht. Die Verleihung an die Herren Farid Bang und Kollegah, die mittlerweile auf Bildungsreise nach Auschwitz gehen wollen, war eine schlechte Idee. Die Folgen aber haben Mainstream-Musik-Deutschland zumindest für ein paar Sekunden aus seiner lethargisch-kommerziellen Statementlosigkeit geholt.

Campino hat dabei seine Authenzität gewahrt, weil er, im Gegensatz zu vielen Musikkollegen, den Mumm hatte, direkt bei der Verleihung zu sprechen, und nicht als sichere Nummer Sieben hinter sechs anderen Stars, oder nach wochenlangem Zaudern, damit niemand blöd bei Facebook nachfragt. Dafür gebührt ihm Anerkennung. Dafür gebührt ihm vielleicht sogar eine Auszeichnung.

Wenn aber nun die Kernaussage, man finde Antisemitismus und Sexismus doof, zu einem Bundesverdienstkreuz führen sollte, wäre das ein Zeichen eines wirklich erschreckenden Zustands in Deutschland. Und außerdem Hohn für andere Gruppen, die sich seit langem viel gezielter gegen Rechtsextremismus einsetzen. Und sich dabei, wie „Feine Sahne Fischfilet“, schon mal vom Verfassungsschutz beobachten lassen müssen.

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17 Kommentare

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  • Hallöchen!

    Es ist immer noch die

    Au·then·ti·zi·tä̱t

    (Substantiv [die]gehoben

    a̱u̱tɛntiʦiˈtɛt/

    Echtheit).

    Authenzität klingt doch auch nicht gut. Oder?

    Liebe Grüße.

  • Wenn zahlreiche Musiker ihren Echo zurückgegeben haben, weil Kollegah auch einen bekommen hat, kann man dann eine Ehrung annehmen, die Frauke Petry zuteil wurde?

    ;)

  • Wenn man sieht, wie viele Preisverleihungen es mittlerweile für Politiker, Journalisten und Sportler gibt (gefühlt jeder zehnte Bundesbürger - also die, die meinen, uns die Welt erklären zu müssen), ist das Bundesverdienstkreuz für Campino nur folgerichtig. Wenn er auf der richtigen Seite steht, wir er aus genannten Gründen ablehnen.

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...die Verleihung des sog. Bundesverdienstkreuzes IST eine Beleidigung.

    Campino sollte dankend ablehnen.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Ok, tschuldigung, ich habs zu sanft formuliert. :D

  • …Der Sänger der Toten Hosen habe „vielleicht sogar langfristig unsere Gesellschaft verändert“, nannte Klein als Begründung…

     

    Die Band hat in der Geschichte der Deutschen Musikindustrie sich am meisten gegen Rechtsextreismus und Diskriminierungen engagiert. Für sein Engagement insgesamt muss Campino einfach das Bundesverdienstkreuz bekommen!

     

    Folglich nur ein Paar Beispiele.

     

    Für ihr jahrzehntelanges Engagement gegen Rechtsextremismus sind die Toten Hosen mit einer hohen jüdischen Auszeichnung geehrt worden. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf verlieh der Rockband die Josef-Neuberger-Medaille. Auch der Prorektor der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf, Thomas Leander, wurde ausgezeichnet. Die Toten Hosen hatten zusammen mit den jungen Sinfonikern der Musikhochschule an drei Konzertabenden in Düsseldorf Musik gespielt, die im Nationalsozialismus als "entartet" diffamiert worden war.

    https://www.n-tv.de/panorama/Juedische-Gemeinde-ehrt-die-Toten-Hosen-article13711101.html

     

    „Willkommen in Deutschland.“ Das Lied entstand 1992 im Zeitraum der Pogromen von Rostock-Lichtenhagen. Gespielt wurde der Song zu unterschiedlichen Zeiten und Anlässen: als Flüchtlingsheime angegriffen wurden, Pegida marschierte oder AfD laut wurde.

    https://www.youtube.com/watch?v=mbfIlKvDOik

     

    Die Toten Hosen unterstützen die von Pro Asyl angeregte Anti-Rassismus-Kampagne. "Wegschauen heißt mitmachen" heißt es im gemeinsamen Appell der Initiative mit den Punkrockern um Sänger Campino.

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/kampagne-der-toten-hosen-mit-pro-asyl-band-um-campino-fordert-klare-kante-gegen-rassismus/20543306.html

     

    Die Toten Hosen spielen Ärzte-Song auf Anti-Pegida-Konzert in Dresden

    https://www.youtube.com/watch?v=PLwtiOyjR7U

    • @Stefan Mustermann:

      Eine Frage: was hat Campino vom Bundesverdienstkreuz?

       

      Als einziges Argument würde mir die "Signalwirkung" einfallen. Ich tippe aber drauf, dass er für sich persönlich voll darauf scheißt.

  • Scheiß auf das Bundesverdienstkreuz, das ist schon fast eine Beleidigung! Die neueren Tote Hosen Sachen mag ich zwar nicht mehr so, aber immerhin beziehen die noch Position. Ich finde aber, dass sollte eigentlich fucking normal sein!

    • @Neinjetztnicht:

      jepp seit der Schlagzeuger ersetzt wurde kann ich nix mehr mit denen anfangen. Der alte Kram ist weltklasse...

  • Campino sollte auch als Schlagersänger einem Preis bekommen.

  • Und FSF hat sich getraut, sich mit Radikalfeminist*innen anzulegen - spviel Mut sollte auch mit einem BVK belohnt werden! ;-)

    • @Emmo:

      Wann, wie, wo? Hab ich nichts neueres zu gefunden... nur was von 2013... und "anlegen" ist da wohl deutlich zu viel.

  • Ich fänd's cool, wenn Campino das Bundesverdienstkreuz bekommt - er muss es dann nur ablehnen, sonst wird's uncool.

  • wir hatten schon unwürdigere Kandidaten...

     

    Frage ist halt will jemand wie Campino von jemand ausgezeichnet werden über den ein Bundesricher a.D. im Deutschlandfunk über seine illegalen Unterschriften als Kanzleramtsminister sagte: wäre er nicht von den Kollegen solange gedeckt worden bis die Verjährung greift, er wäre ins Kitchen gegangen...

     

    Ich schätze Campino würde eher den Marcel machen

  • Da hat er noch mehr genannt als Antisemitismus, wo für ihn Grenzen überschritten sind. Und das scheint mir ganz wichtig zu sein.

     

    Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung hat aber bei der explodierenden gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gegen zahlreiche Gruppe ein erstaunlich kleines Aufgabenfeld übertragen bekommen.

     

    Aber mal zurück zu Thema: Ich finde schon, dass das Bundesverdienstkreuz auch mal für ein wenig Zivlcourage mit Ausstrahlungswirkung vergeben werden sollte. Das brauchen wir derzeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ganz dringend.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Die anderen Flitzpiepen haben ja alle die Klappe gehalten. Von daher war es schon cool von Campino, dem ewigen Sozialdemokratenpunk.

     

    Aber das Bundesverdienstkreuz? Warum nicht gleich den Friedensnobelpreis?

  • Ich verleihe dem Herrn hiermit "Die Goldenen Eier".

    Ist doch auch nich schlecht!