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Nach Kritik am Jüdischen Museum BerlinDas Vertrauen vespielt

Der Direktor der Stiftung Jüdisches Museum tritt zurück. Das Jüdische müsse mehr Einfluss haben, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Juden.

Zieht Konsequenzen aus der Kritik: Peter Schäfer, Direktor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin Foto: dpa

Der Direktor der Stiftung Jüdisches Museum Berlin, Peter Schäfer, ist am Freitagabend zurückgetreten. Der international anerkannte Judaist, dessen Vertrag noch bis 2020 lief, zog die Konsequenz aus wachsender Kritik an einem Tweet der Presseabteilung. Diese hatte auf einen taz-Artikel über eine Erklärung von israelischen und jüdischen Wissenschaftlern verwiesen, die gegen den Anti-BDS-Beschluss des Bundestages Stellung bezogen hatten. „Der Beschluss hilft im Kampf gegen Antisemitismus nicht weiter“, so der Tweet. BDS fordert den Boykott Israels wegen der Besatzungspolitik des Landes.

Schäfer hatte den Tweet des Museums selbst kritisiert. Die Pressesprecherin war freigestellt worden. In Interviews mit Spiegel online und dem Tagesspiegel hatte der Direktor bis zuletzt seine grundsätzliche Position verteidigt: Das Jüdische Museum müsse sich als offenes Forum für Debatten begreifen. Dieser Kurs ist mit seinem Rücktritt gescheitert. Der Druck war offenbar zu groß.

Auslöser von Schäfers Rücktritt war die harsche Kritik des Zentralrats der Juden an dem Tweet. Man müsse „darüber nachdenken, ob die Bezeichnung ‚jüdisch‘ noch angemessen ist. Das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft hat die Leitung des Hauses verspielt“, hieß es in einer Erklärung des Zentralrates Mitte der Woche. In einem am Donnerstag geführten Interview mit der taz sagte Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats: „Das Museum ist keine politische Institution. Es sollte zu aktuellen politischen Fragen keine Stellung beziehen.“ Und: „Ich habe kein Verständnis, dass eine Institution, die sich jüdisch nennt, Kritik an dem Bundestagsbeschluss retweetet“.

Schuster ist Mitglied der von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters eingesetzten Findungskommission. Die trifft sich in der nächsten Woche erstmals – eigentlich, um über die Nachfolge Schäfer für 2020 zu beraten. Das wird nun schneller gehen.

Am Donnerstag sagte Schuster der taz zur Zukunft des Museums: „Es ist nicht zwingend, dass der Direktor eines Jüdischen Museums Jude sein muss. Es wäre aber sicherlich nicht schlecht, wenn es künftig eine jüdische Leitung gibt. Das Jüdische muss mehr Einfluss haben.“

Fürs Erste leitet der Geschäftsführende Direktor Martin Michaelis das Museum.

Die Hintergründe lesen Sie hier (Stand Freitagnachmittag vor dem Rücktritt).

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12 Kommentare

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  • Schade, dass Debatten, auch kontroverse, die lediglich durch einen Link angestoßen werden, zu solchen Konsequenzen führen.

    Der Zentralrat ist nicht „die“ Stimme der jüdischen Gemeinschaft, es gibt auch die liberalen Gemeinden ohne direkte Verbindungen zu der repressiven Regierung in Israel.

    Die Neubesetzung und das Selbstverständnis des Museums darf nicht vom politischen Willen einer politischen Richtung in Israel abhängen.

    Der Zentralrat hat da einen schlechten Dienst geleistet. Den muss man genauso kritisch sehen wie die Boykott-Bewegung, und nicht in geringerem Maß.

  • Schade ! Peter Schäfer ist gestern vom Amt des Museumsdirektors zurückgetreten. Für mich als Leser, der



    zu den vielen Besuchern der großartigenAusstellung "Welcome to Jerusalem" gehörte, insbesondere als Theologe, steht zu fürchten, dass die Offenheit, die Peter Schäfer sich selbst ebenso wie seinen Museumsbesuchern abverlangte, nun auf dem Altar zwielichtiger Interessen mächtiger Politakteure geopfert werden soll. Was im Orient augenblicklich wieder einmal Gegenstand kriegerischer Aus-



    einandersetzungen werden kann, darf



    nicht in der Hauptstadt unseres freien Landes zu vermeintlichen Rücksichtnahmen gegenüber einer Politik führen, die Netanjahus Israel



    zu verantworten hat. Peter Welinsky

  • „Das Museum ist keine politische Institution. Es sollte zu aktuellen politischen Fragen keine Stellung beziehen.“ Absurdes Verständnis von Kultur und der Rolle von Museen in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung.

  • Man kann sagen, dass die "große Themenausstellung" des jüdische Museums "Welcome to Jerusalem" die Geschichte weniger aus jüdischer Sicht dargestellt hat, aber auch nicht in erster Linie aus muslimischer Sicht. Besonders in Bezug der Geschichte Jerusalems zwischen 1933 und 1945 ist es eben die deutsche Sicht der Geschichte Jerusalems die dort ausgestellt wurde. Die Ausslassungen, die hier genannt werden sind ein Skandal.



    www.zeit.de/2019/0...benjamin-netanjahu

    • @Günter:

      mir fehlt besonders der jebusitische blick auf die geschichte Jerusalems!

  • Man hat jahrelang versucht, den Leuten begreiflich zu machen, dass Judentum(Religion) und Israel (Staat) nicht identisch sind. Meinem Eindruck nach wird diese Sichtweise – spätestens seit Steinmeiers Rede zu den Flaggenverbrennungen in Berlin – gerade von Politik und Verbänden wiederholt in Abrede gestellt, auch durch solchen Druck, der nun zum Rücktritt Schäfers geführt hat. Hat es da einen bewussten Richtungswechsel gegeben? Und welche weiteren Konsequenzen hat das?

    • 9G
      93559 (Profil gelöscht)
      @Volker Maerz:

      Das machen die rechten israelischen Politiker, besonders Netanjahu schon lange. Damit nehmen sie sämtliche Juden in der Diaspora in Geiselhaft.



      Gleichzeitig beschweren sich dann der ZdJ und seine Vertreter darüber, dass sie nicht als Deutsche angesehen werden, sondern als Vertreter Israels.causa.tagesspiegel...schalisierung.html

      "Man kann aber theoretisch auch den Spieß umdrehen und für diese Entwicklung Israel oder die israelische Politik mitverantwortlich machen. Denn es ist der Staat Israel, der darauf beharrt, der ultimative Vertreter aller Juden zu sein. So werden die Diasporajuden nolens volens zu Auslands-Israelis und somit zur erweiterten Angriffsfläche für Israel-Gegner, aber auch für Antisemiten, die Israel als Alibi für ihre Attacken benutzen. Man kann den Spieß so oder anders umdrehen - Henne und Ei nach Gesichtspunkt - doch um aus diesem Teufelskreis und aus der Begriffsverwirrung auszusteigen, müssen sich beide Seiten (Diaspora und Israel), wie auch die nicht-jüdische Gesellschaft um die klare Trennlinie, dort wo sie vorhanden ist, bemühen."

      Im übrigen: Ist ein jüdisches Museum eine jüdisch-zionistische Institution und damit parteilich oder ist es eher eine wissenschaftliche Institution?

  • Na endlich, ein BDS-Artikel! So etwas hatte die TAZ schon lange nicht mehr

  • Honi soit qui mal y pense •