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Nach Krawallen in HamburgKampf um die Deutungshoheit

Was geschah beim G20-Gipfel? Neun Monate nach der Gewalt in Hamburg meldet sich das autonome Zentrum Rote Flora zu Wort.

Noch vor Beginn der Demonstration „Welcome to Hell“ stoppt die Polizei die Teilnehmer Foto: Andreas Herzau/laif

Hamburg taz | In einer Kneipe im Hamburger Schanzenviertel sagte eine Bekannte neulich: „G20 war unser Nine-Eleven.“ Mit „uns“ meinte sie die Hamburgerinnen und Hamburger. Einige in der Runde schauen irritiert, ein paar lachen, auch die Frau selbst. Natürlich kann man einen terroristischen Anschlag, bei dem 3.000 Menschen starben, nicht mit dem Gipfelgeschehen in Hamburg vergleichen. Aber ein Fünkchen Ernst steckte schon in dem polemischen Vergleich. Seit sich im Juli vergangenen Jahres die Staats- und Regierungschef*innen der reichsten Industrie- und Handelsnationen in der Stadt trafen, hat die Stadt eine neue Zeitrechnung: Wir teilen Erinnerungen in vor und nach dem G20-Gipfel.

Heute, neun Monate danach, sind kaum noch Spuren der Auseinandersetzungen zu finden. Nur einzelne Parolen machen die Ablehnung noch sichtbar, mit der Zehntausende Gipfelgegner*innen dem Regierungstreffen im Juli begegnet waren. „Smash G20“ steht einer Hafenmauer im Stadtteil St. Pauli. Nicht weit entfernt, auf einer anderen Mauer, eine Replik auf die Aussage des damaligen Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD): „Polizeigewalt hat es nicht gegeben. Die Erde ist eine Scheibe. Jesus lebt!“

Das Schanzenviertel, wo wütende Gipfelgegner*innen die größten Zerstörungen angerichtet hatten, wirkt längst wieder normal. Die geplünderte und komplett verwüstete Drogerie Budnikowsky hat wieder geöffnet, genau wie der damals verkohlte Rewe-Supermarkt. Bei der Wiedereröffnung ließ Budnikowsky die Kund*innen mit bunten Stiften Solidaritätsbotschaften an die Türen schreiben: „Schön, dass ihr wieder da seid“, stand da, aber auch: „Hoffentlich werden die Übeltäter bestraft“.

Die Sparkassenfiliale im Schulterblatt hat noch geschlossen. Früher, also vor G20, standen hier junge Menschen mit knöchelfreien Jeans und bunten Nike-Schuhen auf dem Gehweg Schlange, um Geld abzuheben. An jedem ersten Mai wird die Sparkassenfiliale von Randalierer*innen und Krawalltourist*innen attackiert, aber beim G20-Gipfel war es den Vermummten gelungen, das Gitter aufzubrechen, die Türen einzuschlagen und Feuer zu legen. Die Filiale soll komplett abgerissen und neu gebaut werden, diesmal fünfstöckig.

Andreas Blechschmidt will etwas klarstellen

Keine 50 Meter entfernt steht, als letzte Bastion von Widerständigkeit in der Schanze, die Rote Flora. Dass es sie noch gibt, ist nicht selbstverständlich. Kurz nach dem Gipfel sah es schlecht für das seit 1989 besetzte autonome Zentrum aus: Der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) forderte die Schließung der Flora, Bürgermeister Scholz nannte die Besetzer*innen „geistige Brandstifter“ und sagte, sein Geduldsfaden sei gerissen.

Der Gipfelprotest

Welcome to Hell: 12.000 Teilnehmer*innen kamen zur autonomen Vorabenddemo am Donnerstag. Als sie starten wollte, löste sie die Polizei auf.

Frieden und Krawall: Am Freitag blockierten Gipfelgegner Zufahrtswege für Staatsgäste. Derweil zogen Autonome durch Altona und setzten Mülleimer und Pkws in Brand.

Black Friday: Abends eskalierten die Proteste im Schanzenviertel. Über mehrere Stunden zündeten Protestierende Barrikaden an und plünderten Läden. Gegen Mitternacht räumte die Polizei das Viertel.

Bei der Großdemo am Sonntag gingen 76.000 Menschen friedlich auf die Straße.

Auf 12 Millionen Euro schätzt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft den Sachschaden. (taz)

„Es geht um Deutungsmacht“, sagt Andreas Blechschmidt, der Mann, der wie kein anderer mit der Roten Flora verbunden wird. Weil der Anfang Fünfzigjährige mit den kurzen schwarzen Haaren sich seit vielen Jahren in der Roten Flora engagiert und weil er gut reden kann, wird er in der Öffentlichkeit als deren Sprecher wahrgenommen, obwohl es solche Ämter bei Autonomen eigentlich nicht gibt. In Hamburg kennt ihn jeder.

In der Zeit, als die Flora massiv unter Beschuss stand, hat er eisern geschwiegen. Neun Monate nach dem G20 will er mit der taz reden. Er will der Polizei nicht die Geschichtsschreibung überlassen.

An einem grauen Hamburger Nachmittag sitzt der Aktivist im Gemeinschaftsraum eines Wohnprojekts der Hafenstraße und wählt seine Worte mit Bedacht. Wie die Flora im Nachhinein den Gipfelprotest bewertet, was aus ihrer Sicht gut und was schlecht lief – zu alldem schweigt er. Aber Blechschmidt ist auch der Anmelder der autonomen „Welcome to Hell“-Demonstration, die am Donnerstag vor dem Gipfelwochenende von der Polizei zerschlagen wurde, bevor sie überhaupt losgehen konnte. Und dazu will er einiges sagen.

Ausgebremst: „Welcome to Hell“-Demonstration vor Beginn des Gipfels Foto: Andreas Herzau/laif

Für Blechschmidt geht die Geschichte so: Die Polizei habe niemals vorgehabt, die autonome Demo, die die Organisator*innen als „größten schwarzen Block Europas“ angekündigt hatten, überhaupt starten zu lassen.

War die Polizei von Beginn an auf eine Zerschlagung aus?

Deshalb genehmigte die Versammlungsbehörde – in Hamburg: die Polizei – die Route ohne Auflagen. „Was meiner gesamten Erfahrung der letzten 15 Jahre in Hamburg widerspricht“, sagt Blechschmidt. Nach der genehmigten Route wäre „Welcome to Hell“ an einer Polizeiwache vorbeigelaufen und hätte direkt am G20-Tagungsort Messehallen geendet. Eine solche Route hätte die Polizei gar nicht zulassen können, sagt Blechschmidt, erst recht nicht, weil sie angab, Hinweise zu haben, dass an der Route Depots für Steine, Wechselkleidung oder Ähnliches versteckt seien.

Während die Teilnehmer*innen sich am Donnerstagnachmittag in der Nähe des Fischmarkts aufgestellt hätten, seien an der Spitze der Demo Verhandlungen über Vermummung zwischen Blechschmidt und der Polizei gelaufen. Nach einer Durchsage hätten die vorderen Teilnehmer*innen ihre Vermummung abgenommen, aber hinten sei die Ansage nicht angekommen. Blechschmidt habe sich auf den Weg gemacht, um es ihnen zu sagen, sagt er. Was dann passiert, ist unstrittig: Eine Berliner Polizeieinheit stürmt von der Seite in die Menge und prügelt auf die Demonstrant*innen ein. Die können nicht weg: vorne die Wasserwerfer, hinten 12.000 Menschen, links Häuser, rechts die Flutschutzmauer. Flaschen fliegen auf Polizist*innen, Menschen versuchen, sich über eine Flutschutzmauer zu retten, und springen mehrere Meter in die Tiefe. Viele werden verletzt. „Aus Kalkül“, sagt Blechschmidt. „Um so viele Autonome wie möglich für die nächsten Tage, militärisch gesprochen, auszuschalten.“

Die Polizei gibt allein den Autonomen die Schuld

Die Polizei interpretiert die Geschichte völlig anders. Hartmut Dudde, der G20-Gesamteinsatzleiter, sitzt neben Innensenator Grote und dem Leiter des Polizeieinsatzes bei „Welcome to Hell“, Joachim Ferk, im Kaisersaal des Hamburger Rathauses. Hier tagt der G20-Sonderausschuss, hier soll die politische Aufarbeitung der Proteste stattfinden, hier müssen sich der Innensenator und die Polizeiführung rechtfertigen. Acht Wochen nach dem Gipfel hatte sich der Ausschuss unter Zustimmung aller Fraktionen konstituiert, bis zum Sommer soll er noch tagen. Am Ende soll ein Bericht herauskommen. Auch Olaf Scholz war schon vorgeladen, als er noch Bürgermeister war. Da sagte er, dass er zurückgetreten wäre, wenn es einen Toten gegeben hätte.

Es ist die siebte Sitzung und auf der Tagesordnung steht „Welcome to Hell“. Man habe alles dafür getan, dass die Demo laufen könne, sagt Grote. Über den gesamten Gipfel habe die Polizei äußerst versammlungsfreundlich agiert, indem sie den friedlichen Ablauf von 148 angemeldeten Versammlungen ermöglicht habe – nur eine Versammlung, „Welcome to Hell“, sei eskaliert. Und zwar, weil die Autonomen es so gewollt hätten.

„Mit der Route konnten wir leben“, sagt Dudde. Zwar habe es Hinweise des Verfassungsschutzes gegeben, dass auf Höhe der Polizeiwache an der Reeperbahn „Machtspiele mit der Polizei“ geplant gewesen seien. Deshalb habe man an den „neuralgischen Punkten“ Wasserwerfer positioniert. „Nichts sprach dafür, dass die Versammlung bereits auf dem Antreteplatz dermaßen gewaltvoll aus dem Ruder laufen würde“, sagt Ferk. Wegen ein bisschen Vermummung hätte man das Ganze auch nicht abgebrochen, sagt er den Abgeordneten, „aber wenn kollektiv Straftaten begangen werden sollen, dann schon“.

Man habe zwei Wasserwerfer vor die Spitze der Demo auf die Straße gestellt, um die Demonstrant*innen über die Sprechanlage aufzufordern, Schals und Sonnenbrillen abzunehmen. „In Sachen Kommunikation“, sagt Grote, „haben wir beim G20 ganz neue Dimensionen erreicht.“ Das Stoppen der Demo an genau diesem Ort sei alternativlos gewesen, sagt Ferk. „Hätten wir die Demo so loslaufen lassen, hätte sich eine Gefahrenlage ergeben, die wir nicht einschätzen konnten.“

Vermummungsverbot nicht angekommen? Maskierte Demonstranten bei „Welcome to Hell“ Foto: Andreas Herzau/laif

Linke-Abgeordnete Schneider glaubt nicht an Aufklärung

Wer sich mit Kritik am Hamburger G20-Gipfel beschäftigt, kommt an Christiane Schneider nicht vorbei. In jeder Dokumentation, jedem kritischen Fernsehbeitrag kommt sie zu Wort. Die kleine Frau mit den kurzen grauen Haaren ist Abgeordnete der Linken und war beim Gipfel auf den Straßen unterwegs. Sie stellt die meisten kritischen Fragen im G20-Ausschuss.

Die Hoffnung, der Aufklärung im Ausschuss wirklich näherzukommen, hat Schneider weitgehend begraben. „Das Problem ist“, sagt sie, „dass die Polizei die Deutungshoheit für sich beansprucht und nicht willens ist, ihr Verhalten selbstkritisch zu reflektieren. Ihre Version soll die gültige sein.“ Demo-Teilnehmer*innen haben bisher nicht im Rathaus ausgesagt, aber Ende Mai soll es eine öffentliche Anhörung der Schanzenbewohner*innen geben.

Die Akten, die die Parlamentarier*innen einsehen können, bekommen sie von der Polizei. Das ist normal bei solchen Ausschüssen, nur gibt die Behörde, wenn es um G20 geht, viele Akten eben nicht heraus. Im Herbst war der Ausschuss mit einem Skandal gestartet, viele Parlamentarier*innen regten sich darüber auf, dass große Teile der Akten geschwärzt waren. Die Polizei entschuldigte sich. Grundlegend geändert habe sich seitdem nichts, sagt Schneider: „Was die Behörde nicht herausgeben will, entnimmt sie oder schwärzt die Passagen.“

Die Sitzungen im Sonderausschuss sind lang und zäh. Da ist die Rede von Kräften, die vom Einsatzort A zum Einsatzort B „verbracht werden“ mussten, um „eine Separation vorzunehmen“, mit dem Ziel, „das Kräftepotenzial der Gegenveranstaltung zu halbieren“. An anderer Stelle redet Dudde zwanzig Minuten am Stück über Organisationsabläufe bei Polizeiuntereinheiten, den „Rahmeneinsatzbefehl“ und davon, dass dem G20-Einsatzstab 15 Einsatzabschnitte unterstellt waren. „Die labern dich tot“, sagt Schneider.

Das waren Straftäter!Die haben versuchtzu fliehen, und das ist ihnen leider gelungen

Polizeileiter Joachim Ferk

Als die Linke fragt, welche Vorkehrungen die Polizei bezüglich einer Massenpanik getroffen habe, fragt Ferk zurück: „Massenpanik? Das waren Straftäter! Die haben versucht zu fliehen, und das ist ihnen leider gelungen.“

Ein Vertreter der CDU bedankt sich bei der Polizei für ihren Einsatz. Schneider sieht unglücklich aus. „Ich stelle fest, dass die Wahrnehmungen sehr verschieden sind“, sagt sie.

Blechschmidt formuliert es radikaler: „Der Ausschuss ist ein Forum für die Polizei, sich ohne jegliches Korrektiv darzustellen. Er ist nutzlos und Zeitverschwendung.“

Warum griff die Polizei so spät am Schanzenviertel ein?

Eine Frage, die der Ausschuss noch wird klären müssen, ist die, warum die Polizei am Freitag des Gipfelwochenendes die Bewohner*innen des Schanzenviertels allein ließ. Es war der erste Abend des Gipfelwochenendes, der für die Hamburger*innen zum einschneidenden Ereignis wurde und die Stimmung in der Stadt kippen ließ – zu Ungunsten der Linken.

Der G20-Sonder-ausschuss ist ein Forum für die Polizei, sich ohne jegliches Korrektiv darzustellen. Er ist nutzlos und Zeitverschwendung

Autonomensprecher Blechschmidt

Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die anderen Staatsgäste in der Elbphilharmonie Beethovens Neunte Sinfonie anhörten, entwickelte sich im Schanzenviertel so etwas wie eine staatsfreie Zone. Über Stunden feierten Linksradikale, Krawalltourist*innen, Schaulustige und Trittbrettfahrer*innen die Abwesenheit der Polizei. Sie tanzten um Straßenfeuer, entzündeten Barrikaden, brachen in Geschäfte ein und stahlen Computer und Süßigkeiten. An den schmalen Zufahrtsstraßen zum Schanzenviertel standen Wasserwerfer lange herum und tropften vor sich hin. Erst gegen Mitternacht räumte die Polizei das Viertel.

Es habe Lebensgefahr für die Polizeibeamt*innen bestanden, sagte der Polizeisprecher Timo Zill später, „wir hatten Hinweise vom Verfassungsschutz, dass die Polizei in einen Hinterhalt gelockt werden sollte“. Beweise gibt es dafür nicht. Aber auch die Anwohner*innen im Schanzenviertel sind nach den Ausschreitungen verunsichert, manche sind wütend auf die Flora, obwohl diese sich von den Ausschreitungen distanziert hatte.

Deshalb suchen Blechschmidt und der Flora-Anwalt Andreas Beuth zehn Tage nach dem Gipfel das Gespräch mit den Anwohner*innen. Auf einer Stadtteilversammlung stehen sie tausend Menschen Rede und Antwort. Es sei unverantwortlich, Barrikaden in der Nähe von Wohnhäusern anzuzünden, sagen Blechschmidt und Beuth. Grundsätzlich von politischer Militanz distanzieren wollten sie sich aber nicht. Die Stimmung ist deutlich auf ihrer Seite.

Drei Monate später nehmen Innensenator Grote und Polizeipräsident Ralf-Martin Meyer das Kulturzentrum aus der Schlusslinie. Sie sagen, die Flora habe „keine aktive Rolle“ bei den Protesten gespielt. Seitdem ist Ruhe eingekehrt. Auch wenn es nicht offiziell gesagt wird: In Hamburg will niemand, außer vielleicht der AfD, die Räumung des autonomen Zentrums.

Und dann ist da noch die juristische Aufarbeitung. Jede Woche laufen am Hamburger Amtsgericht mehrere Prozesse gegen G20-Gegner*innen. Von den bisher 40 abgeschlossenen Verfahren endeten nur zwei mit Freisprüchen. Die restlichen Urteile lesen sich so: zwei Jahre und sieben Monate Haft, ein Jahr und vier Monate Haft, drei Jahre Haft, drei Jahre und drei Monate Haft, zwei Jahre Jugendstrafe zur Bewährung, ein Jahr Jugendbewährung, ein Jahr und zehn Monate Bewährung. Meistens geht es um Flaschenwürfe auf Polizeibeamt*innen. Das kann verschiedene Anklagen zur Folge haben: schwerer Landfriedensbruch, versuchte gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätlicher Angriff.

Drei Menschen sitzen noch in Untersuchungshaft.

Linke Gruppen ziehen keine Konsequenzen

Deniz Ergün sitzt in einer Kneipe auf St. Pauli und wartet noch auf die Eröffnung seines Strafverfahrens. An einer Wand hängt ein riesiger roter Stern, an einer anderen zwei Flaggen aus Metall, die indirekt beleuchtet werden, Antifaschistische Aktion steht in dem Kreis um die Flaggen. Es ist keine normale Kneipe, sondern der Treffpunkt des Roten Aufbau, einer Hamburger Gruppe linker Antiimperialisten. Ergün heißt in Wirklichkeit anders, aber unter seinem Pseudonym tritt er als Sprecher des Roten Aufbaus auf. Seine Wohnung durchsuchte die Polizei gleich zwei Mal, einmal vor und einmal nach dem Gipfel.

„Die Repression hat uns hart getroffen“, sagt er. „Das schwächt die Bewegung.“ Eine groß angekündigte G20-Antirepressionsdemo im März blieb klein und leise. Teile der linken Szene seien wie paralysiert gewesen, sagt Ergün. Trotzdem will er nicht von einer Niederlage sprechen. „Wir machen ja weiterhin Politik.“ Dass Repression auch zur politischen Arbeit gehöre, lerne die radikale Linke jetzt, und auch, dass der Knast nicht ganz so weit weg ist, wie man vielleicht dachte.

Was bleibt, neun Monate nach dem Massenprotest? Auch aus Sicht der Interventionistischen Linken war es trotz allem ein Erfolg. Die Bedeutung des Protest-Großereignisses würde sich zwar wohl erst in ein paar Jahren zeigen, sagt deren Sprecherin Emily Laquer. Aber was man schon jetzt sehe: Seit dem Gipfel würden Interessierte der IL die Bude einrennen. Die Frage, ob der Preis, den die Linke zahlen musste, zu hoch gewesen sei, stelle sich nicht, sagt Laquer. „Man muss den Preis einkalkulieren, aber er darf einen nicht davon abhalten zu kämpfen.“

„Olaf, zahl die Zeche“, stand vor einigen Monaten in roten Buchstaben am Fenster einer Kneipe in der Nähe der Reeperbahn. Aber die Zeche zahlt niemand, dafür hätten Köpfe rollen müssen. Zwar ermittelt das Dezernat Interne Ermittlungen der Polizei wegen G20 gegen 150 Beamt*innen, in den meisten Fällen wegen Körperverletzung im Amt. Zu Anklagen ist es bisher aber nicht gekommen. Und während Olaf Scholz zum Bundesfinanzminister befördert wurde, ist Hartmut Dudde zum Leiter der Hamburger Schutzpolizei avanciert.

Im Hamburger Senat hat man sich längst auf eine G20-Erzählung geeinigt: Linke Gewalttäter*innen haben kurz die Sicherheit und Ordnung der Stadt bedroht, aber unterm Strich hatte die Polizei alles unter Kontrolle. Ihr ist für ihren mutigen und entschlossenen Einsatz zu danken, Ende der Geschichte.

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27 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 9G
    95823 (Profil gelöscht)

    Ergänzend zu meiner vorherigen Aussage möchte ich folgendes hinzufügen:

    Laut einem Artikel im Abendblatt hat Blechschmidt vor dem Gipfel als "Mittel der politischen Auseinandersetzung" bezeichnet:

     

    "Beuth und Blechschmidt hatten jeweils bereits im Vorfeld des Gipfels gesagt, dass auch Gewalt ein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein könnte."

    Das er im Nachhinein behauptet sich für einen friedlichen Ablauf eingesetzt zu haben erscheint mir angesichts solcher früheren Aussagen ein wenig unglaubwürdig. Hier ist der Link zu dem entsprechenden Artikel: https://www.abendblatt.de/hamburg/article213408855/G20-Staatsanwaltschaft-stellt-weitere-Verfahren-ein.html

  • Die reichsbürger haben schräge "Argumente"

  • 9G
    95823 (Profil gelöscht)

    Es mag durchaus sein das zumindest Teile der linken Demo-Organisatoren Gewalt vermeiden wollten, man muss sich aber nur die Aussagen einer Emily Laquer ansehen um zu sehen das diese Haltung eindeutig nicht für alle gilt. Im Gegenteil, diese Frau hat es zum einen bisher konsequent vermieden sich von der Gewalt zu distanzieren, man kann ihren Aussagen auch entnehmen das sie gezielte Provokationen von Polizist*Innen als legitim betrachtet um die Reaktion dann als Ausdruck einer repressiven Staatsmacht darzustellen.

    Soviel zum Thema Doppelmoral...

    • @95823 (Profil gelöscht):

      "Man kann ihren Aussagen auch entnehmen das sie gezielte Provokationen von Polizist*Innen als legitim betrachtet um die Reaktion dann als Ausdruck einer repressiven Staatsmacht darzustellen."

       

      Genauso ist es. Jedem einigermaßen neutralen Betrachter sind Ursache und Wirkung klar. Wer sich vermummt, hat Böses vor und provoziert die Staatsgewalt. Wer Demonstrationen mit "Welcome to Hell" betitelt, muss das wohl als Kampfansage meinen.

  • Eine anonyme Befragung von Polizisten mit dem Thema : Wie gehe ich mit der linken Szene um , und was halte ich von deren Gesinnung ?! würde eine menge Klarheit darüber bringen warum es überhaupt Eskalation gibt , glaube ich. Wäre es nicht besser in Zukunft einen Weg miteinander zu entwickeln und nicht alles zu verteufeln was die anderen gemacht haben ?

    Außerdem würde mich mal Interessieren wie viele verdeckte Ermittler von der Polizei sich in die Reihen der Demonstranten befanden....

  • Danke dem schwarzen Block für den Einsatz gegen staatliche Gewalt, gegen die Zumutungen des Neoliberalismus, gegen die Kultur zynischer Kaputtheit und für den Schutz des Demonstrationsrechtes, für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, für zukünftige Verhältnisse jenseits von Obdachlosigkeit, Chauvinismus und Ausbeutung.

  • Wäre die deutsche Polizei nummeriert und dadurch die einzelne Person identifizierbar hätten wir 150 Polizisten im Gefängnis wegen Körperverletzung im Amt. Machen wir uns nichts vor. Viele gehen zur Polizei um sich unter dem Deckmantel des Rechtsstaates auszutoben. Dass Polizisten nicht gegen Polizisten aussagen ist kein Geheimnis und gilt als Nestbeschmutzung. Dass es keine unabhängige Ermittlungsbehörde für Straftaten von Polizisten gibt ist ebenfalls gewollt.

    Wer einen Hartmut Dudde für sein Versagen auf ganzer Linie noch befördert muss blind sein oder wollte genau das. Eskalation um in Zukunft alles zu rechtfertigen zu können.


  • Zitat: 'Über den gesamten Gipfel habe die Polizei äußerst versammlungsfreundlich agiert, indem sie den friedlichen Ablauf von 148 angemeldeten Versammlungen ermöglicht habe – nur eine Versammlung, „Welcome to Hell“, sei eskaliert.'

     

    Stimmt das denn?

    Wär ja komisch, wenn es genau auf der Demo zu Gewalt kommt, bei der die Anmelder sich nicht von Gewalt distanzieren.

     

    Und Repression gehört zur Politik?

    Hört ihr euch mal selber zu?

     

    Vielleicht finden die Leute es einfach nicht so geil, wenn das eigene Viertel angezündet wird, insbesondere wenn es die aus der 'Szene' eingeladenen auswärtigen Gäste tun.

    Die RAF hatte auch mal ne relativ große Sympathierate, sowas kann man auch verspielen.

    Meistens, wenn man sein wahres Gesicht zeigt.

    • @Peterbausv:

      "Stimmt das denn?"

      Nein. Die Cops haben bspw. genehmigte Camps verhindert/terrorisiert.

       

      "Und Repression gehört zur Politik?"

      Sicher. Die Polizei ist dazu da, die Einhaltung der beschlossenen Gesetze zu durchzusetzen. Desweiteren im konkreten Fall wurde ja, bewusst Dudde, bekannt als Hardliner, eingesetzt.

       

      "Hört ihr euch mal selber zu?"

      Hören Sie Scholz&Co zu? Wie sie ihr Vorgehen rechtfertigen?

       

      Nehmen Sie auch Stellungnahmen einzelner Linker wahr, wie:

      "Es sei unverantwortlich, Barrikaden in der Nähe von Wohnhäusern anzuzünden, sagen Blechschmidt und Beuth."

      • @Uranus:

        Wann soll man mit Leuten groß bereden, die die Durchsetzung von demokratisch beschlossenen Gesetzen für Repression halten?

        Genau das ist der Job des Polizisten.

        Und Spaß macht der bestimmt nicht.

         

        Und dazu: Nehmen Sie auch Stellungnahmen einzelner Linker wahr, wie:

        "Es sei unverantwortlich, Barrikaden in der Nähe von Wohnhäusern anzuzünden, sagen Blechschmidt und Beuth."

        Hätten sie das mal vorher gesagt, wäre es ja glaubhaft.

        Haben sie aber nicht, gaben stattdessen Interviews bezüglich der Anwendung von Gewalt.

        Und auch jetzt gibt es keine generelle Ablehnung von politischer Militanz

         

        Und das stimmt das denn bezog sich auf die anderen 148 Demos, ob alle friedlich blieben, außer welcome to hell.

         

        Aber da gibt es wohl keine Antwort drauf.

  • Und wer stoppt die rassistischen, marodierenden Mörderbanden in der BRD? Diese sind durch ihren politischen Arm - der AfD - bereits im Parlament angekommen und zersetzen dieses!

    Beim Plündern der Geschäfte wurde auch mind. ein neo-faschistischer Provokateur festgenommen, der angeblich nur fotografieren wollte...

    • @amigo:

      Ach, die Bürgerlichen haben auch ein gutes Potenzial, an einen Polizeistaat aufzubauen und Grundrechte auszuhebeln, wenn es ihnen in den Weg passt. Verschleiern und Relativieren des Handelns staatlicher Institutionen können sie auch gut - siehe NSU-Komplex.

  • Erst wird gejammert, die Polizei habe am Hafen zu früh eingegriffen. Dann wird gejammert, die Polizei habe in der Schanze zu spät eingegriffen. Schließlich wird gejammert, man würde von Krawalltouristen diskreditiert. Dabei bestünde doch genügend Grund darüber zu jammern, warum die eigene Fixierung auf Gewalt immer wieder die Diskussion über die politischen Ziele in den Hintergrund drängt. Stattdessen wird - wer hätte es gedacht - gejammert, die "Bewegung" sei nicht in der Lage, sich mit den Gipsköpfen nachträglich zu solidarisieren.

  • Meinen beiden Vorkommentatoren ist scheinbar nicht ganz bewusst worum es geht.

    Es geht darum wie in Zukunft Demos ablaufen und wie unliebsame Mitbürger diffamiert werden.

    Keiner heißt hier Gewalt gut. Die einen werden Verurteilt die Anderen haben den Persilschein der Staatsmacht.

    • @FriedrichH:

      Naja, die einen werfen Flaschen, die anderen nicht.

      • @Peterbausv:

        Genau darum geht es ... Sie differenzieren nicht zwischen einem wo auch immer herkommenden Flaschenwerfer und dem eigenltlichen Ziel der Demo... das ist schlicht an der Thematik vorbei.

        • @FriedrichH:

          Differenzieren Sie etwa?

          Als ob das Ziel der Demo konstruktiv war.

          Das Motto war, 'Trefft euch woanders', oder neudeutsch nimby.

      • @Peterbausv:

        Stimmt, die anderen werfen nur Wasser, Knüppel und Tränengas

  • Wer zur Gewalt aufruft, diese begünstigt oder durchführt macht sich Strafbar, ist eigentlich in einem Rechtsstaat ganz einfach, nur anscheinend beim Autor nicht.

    • @Klartexter:

      "Wer zur Gewalt aufruft, diese begünstigt oder durchführt macht sich Strafbar, ist eigentlich in einem Rechtsstaat ganz einfach, nur anscheinend beim Autor nicht."

       

      Ihnen ist da ein kleiner und sinnentstellender Rechtschreibfehler unterlaufen. Statt "beim Autor" muss es "bei der Polizei" heißen.

  • Warum finde ich hier keine Kritik an denjenigen, die in einer Demokratie - mangels Wahlerfolgen und Akzeptanz ihrer linken Ideologie - Gewalt für ein legitimes Mittel in der Politik halten?

     

    Man darf und kann diese Leute kritisieren, man muss es sogar! Denn, niemand hat sie gezwungen, die Elbchausee entlangzulaufen und Autos abzufackeln. Oder in der Schanze zu plündern. Oder ...

    • @der Sperling:

      "Warum finde ich hier keine Kritik an denjenigen, die in einer Demokratie - mangels Wahlerfolgen und Akzeptanz ihrer linken Ideologie - Gewalt für ein legitimes Mittel in der Politik halten?"

      Die Polizeigewalt, die ja vorherrschend als legitimes Mittel in der Politik gehalten wird, wird doch kritisiert. ;)

      • @Uranus:

        Ja, aber eben "nur" die Polizeigewalt. Ist ja nicht so, das die "linken" Gruppen alle in Latzhose mit Sonnenblumen im Haar gekommen sind. Unter den vielen friedlichen Gruppen waren auch die Irren, also die, die gekommen sind um Gewalt auszuüben. Die werden hier im artikel schon sehr geschont - oder gar nicht erwähnt ...

    • @der Sperling:

      Wer auf linker Seite hält denn Gewalt für ein legitimes Mittel in der Politik?

      • @Jan Berger:

        Ganz einfach: All diejenigen, die das kommunizieren und tun - seien es viele Mitglieder von Gruppen wie z.B. der interventionistischen Linken, Teilen der AntiFa (ich meine große Teile des " schwarzen Blocks", nicht den demokratischen Antifaschisten zu denen ich mich zähle), dann hätten wir die ganzen revolutionären Linken Gruppen (linke Revolutionen waren bisher zum größten Teil Gewalttätig), alle diejenigen, die mit den Symbolen des Stalinismus herumlaufen (Thälmannfaust, Hammer&Sichel) ...

         

        Die Liste kann beliebige verlängert werden ...

      • @Jan Berger:

        Die Frage ist nicht, wer das für legitim hält, sondern wer hat wo, wie und wann Gewalt angewendet, gedeckt, verschwiegen, apologisiert oder hat nicht Stellung dagegen bezogen.

        • @Rudolf Fissner:

          Beide "Seiten" haben unberechtigterweise Gewalt angewendet, die eine kommt leider mit davon (da Sie das Gewaltmonopol hat), die andere bekommt vor Gericht die Quittung - zwar nicht selten überzogen, aber eher sehr selten ohne Grundlage.