Nach „Compact“-Verbot: Antifa heißt Angriff
Das „Compact“-Verbot, teilweise ausgesetzt, war trotzdem richtig. Denn Rechtsextreme müssen mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden
D ie rechtsextreme Zeitschrift Compact darf vorerst wieder erscheinen. Mit dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist das Vertrauen in den Rechtsstaat aber nicht, wie oft zu lesen ist, wiederhergestellt: Es ist schlicht bestätigt worden. Die Exekutive in der Gestalt von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte mit dem Verbot kraftvoll und werteorientiert antifaschistisch agiert, im Sinne von Artikel 1 des Grundgesetzes: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Und die andere Gewalt, die Judikative, sagt nun, Moment mal, wir haben da noch ein paar – ziemlich formale – Einwände, die geprüft werden müssen.
Wer durch einen so vollkommen banal-alltäglichen Vorgang nun die Grundfesten des Rechtsstaates erschüttert sieht, hätte wohl auch hinter den Stacheldraht eines Konzentrationslagers darauf beharrt, dass die Regierung unter Reichskanzler Hitler ja rechtmäßig an die Macht gekommen sei, und also alles seine Ordnung habe – „Jawoll, Herr SA-Mann, ich stehe sofort zum Gefoltertwerden bereit!“
Einer masochistischen deutschen Öffentlichkeit, an der 80 Jahre antifaschistische Erziehung bemerkenswert spurlos vorübergegangen sind, scheint das immer noch das Wichtigste zu sein: Die Hausordnung muss eingehalten werden, gerade auch im Kampf gegen rechts.
So wie ein nicht unbeträchtlicher Teil dieser Öffentlichkeit aus dem deutschen Überfall auf Polen, mit dem 1939 der Weltenbrand begann, den Schluss gezogen hat, dass der Überfall des faschistischen Putinregimes auf die Ukraine zuvörderst diplomatische Streicheleinheiten für den Aggressor nötig machte. Entsprechend erklärt sich dann auch die egozentrisch-pedantische Bedenkenträgerei, mit der die ukrainische Entlastungsoffensive hierzulande rezipiert wird.
Nazis? Nein, danke
Die strategischen Parallelen zwischen dem Krieg gegen Putin und dem Kampf gegen die deutschen Rechtsextremen von AfD und Co. gehen aber weiter: Antifa heißt Angriff. Eine rein defensive Strategie hilft nicht weiter, dem Feind müssen Niederlagen zugefügt werden, und wir müssen gewinnen.
Die Unterstellung, durch Faesers Verbot sei das wacklige Vertrauen der Naziwählerschaft in das demokratische System noch weiter erschüttert worden, geht an der Realität vorbei. Das AfD-Volk weiß genau, was es will: die „rassistische Revolution“ und die völkische Diktatur. Es geht kurz- und mittelfristig schlicht nicht darum, diese Menschen zurückzugewinnen, sondern die Gestalten, die sich als ihre politischen Vertreter wünschen, von bestimmten Machtpositionen fernzuhalten, sie in die Depression zu treiben und sie in die Löcher zurückzudrängen, aus denen sie hervorgekrochen sind.
Faschistische Hetzblätter hat es in Westdeutschland immer gegeben. Selbstverständlich wäre es besser als ein staatliches Verbot, wenn sich um jede Verkaufsstelle von Compact spontan eine den Vertrieb blockierende Menschenkette bildete. Das antifaschistische Engagement sehr vieler großartiger Menschen in West- und – noch bewundernswürdiger, weil gefährlicher – in Ostdeutschland hat aber natürliche Grenzen.
Der Staat muss zumindest immer wieder versuchen, seiner verfassungsmäßigen und historischen Verantwortung gerecht zu werden. Und er muss das mit seiner Gewalt tun, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Er muss die Grenzen dabei immer wieder austesten und wenn er sie einmal überschreitet und von der Judikative zurückgepfiffen wird – dann ist das das geringste Problem.
Einer, der das genau wusste, der mutig und durchaus wuchtig für die Demokratie einstand, könnte übrigens nächste Woche seinen 71. Geburtstag feiern. Aber Walter Lübcke wurde am 1. Juni 2019 von einem Neonazi ermordet. Hinter dem Täter stand eine mediale Echokammer, die Walter Lübcke so lange zum Todfeind erklärte, bis einer zur Waffe griff.
Hat die deutsche, nichtnazistische Öffentlichkeit aus diesem Terrorakt die richtigen, sehr ernsten Lehren gezogen? Die Reaktionen auf den Fall Compact sagen klar: Nein.
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