Nach Brand in Moria: Die EU behandelt nur die Symptome
Die Europäische Union sei zur Hilfe auf Lesbos bereit, sagt die EU-Chefin Ursula von der Leyen. Fragen der Mitverantwortung blockt sie jedoch ab.
Nothilfe ja, Umsiedlung nein: Die EU-Kommission bleibt nach dem verheerenden Brand im Lager Moria bei ihrem umstrittenen Kurs in der Flüchtlingspolitik. Brüssel will den obdachlosen Menschen vor Ort helfen, aber keine Umverteilung von Griechenland nach Deutschland oder in andere EU-Länder organisieren.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte, die EU und ihre Mitgliedstaaten seien zur Hilfe bereit. Priorität habe der Schutz derjenigen, die durch den Brand ihre Unterkunft verloren hätten. Kommissionsvize Maroš Šefčovič sagte, Brüssel sei „voll mobilisiert“, wolle sich zunächst jedoch auf Nothilfe konzentrieren.
Fragen nach einer möglichen Mitverantwortung der EU für die dramatische Lage blockte Šefčovič ab. Auch auf die Forderung, zügig Flüchtlinge aus Griechenland nach Deutschland umzusiedeln, ging er nicht ein. Es sei noch zu früh, um über eine Umverteilung oder über eine Reform der Flüchtlingspolitik zu sprechen.
Ganz anders schätzt man die Lage im Europaparlament ein. Vertreter von SPD, Grünen und Linken forderten, die Lager auf den griechischen Inseln umgehend zu evakuieren. Wichtig sei zudem, „als ersten schnellen Schritt bereits anerkannte Flüchtlinge in anderen EU-Mitgliedstaaten aufzunehmen“, so der SPD-Politiker Jens Geier.
Kritik gab auch an Merkel
Geier warf den Staats- und Regierungschefs der EU Versagen vor. Sie seien „nicht fähig, sich für Menschlichkeit zu entscheiden“. Viele hintertrieben solidarische Lösungen „aus Rücksicht auf rechtspopulistische, rassistische oder ausländerfeindliche Stimmungen“. Gemünzt ist dies vor allem auf Ungarn und Polen, die seit 2015 die Aufnahme von Flüchtlingen verweigern.
Jens Geier, SPD
Kritik gab es auch an Kanzlerin Angela Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer. Als EU-Ratsvorsitzende sei Merkel nun gefordert, erklärte der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. Der Ko-Vorsitzende der Linksfraktion, Martin Schirdewan, verlangte, Seehofer müsse seine „Blockade aufgeben“, wenn Länder und Kommunen Flüchtlinge aufnehmen wollten.
Das Europaparlament setzt sich seit Jahren für eine humanere Flüchtlingspolitik und eine gerechtere Lastenteilung zwischen den EU-Staaten ein. Seit dem umstrittenen Flüchtlingsdeal von Kanzlerin Merkel mit dem türkischen Präsidenten Recep Erdoğan im Frühjahr 2016, der die Rücknahme von Flüchtlingen aus Griechenland vorsah, gab es in dieser Frage jedoch keine Bewegung.
Reform kommt nicht voran
Auch die Krise im Flüchtlingslager Moria hat daran nichts geändert. Die EU schickte zwar Geld und Helfer, kümmerte sich aber nicht um eine Lösung der zugrundeliegenden Probleme. Sie behandelt die Symptome, nicht die Ursachen. Dies gilt auch für den Flüchtlingsdeal, der in Moria offenbar nicht funktioniert hat: Merkel will ihn verlängern, eine Debatte über seine Mängel findet nicht statt.
Auch die Reform der gemeinsamen Asylpolitik kommt nicht voran. Von der Leyen hatte sie ursprünglich bereits für April angekündigt, nun will sie ihren Vorschlag am 30. September vorlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen