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Nach Biden-RückzugDie Zeichen stehen auf die Vize

Die Demokraten müssen sich nach Bidens Rückzug für eine Nachfolge entscheiden. Wahrscheinlich fällt die Wahl auf Kamala Harris – sicher ist es nicht.

Hätte er den Staffelstab nur schon früher übergeben. Joe Biden und Kamala Harris am Balkon des Weißen Hauses vor drei Wochen Foto: Evan Vucci

Washington taz | Nach der Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, auf eine Kandidatur für eine zweite Amtszeit zu verzichten, deutet vieles darauf hin, dass die Demokraten bei der Wahl im November mit Vizepräsidentin Kamala Harris antreten werden. Eine Reihe demokratischer Spitzenpolitiker, darunter der ebenfalls als Biden-Ersatz gehandelten Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien, Gavin Newsom, sprachen sich für die 59-Jährige aus. Auch der Präsident selbst hat seine Vize vorgeschlagen. Binnen weniger Stunden liefen Wahlkampfspenden in Millionenhöhe für Harris ein.

Nach seinem desaströsen Auftritt im TV-Duell gegen Herausforderer Donald Trump Ende Juni hatte sich Biden am Sonntag dem immer größer werdenden Druck aus seiner Partei gebeugt und seine Kandidatur zurückgezogen. Dies verkündete der 81-jährige Demokrat in einem Schreiben, das auf verschiedenen sozialen Plattformen verbreitet wurde. Biden, der aktuell eine Corona-Infektion auskuriert, erklärt darin, dass er diese Entscheidung zugunsten seiner Partei und des Landes getroffen habe.

„Obwohl es meine Absicht war, mich zur Wiederwahl zu stellen, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und des Landes ist, wenn ich zurücktrete und mich für den Rest meiner Amtszeit ausschließlich auf die Erfüllung meiner Pflichten als Präsident konzentriere“, schrieb er.

Zum ersten Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert verzichtet damit ein amtierender US-Präsident auf eine erneute Kandidatur. Zuletzt hatte der Demokrat Lyndon B. Johnson im März 1968 verkündet, dass er nicht für eine zweite Amtszeit antreten werde. Der Grund dafür war damals die zunehmende Ablehnung des Vietnamkriegs in der Bevölkerung und die deswegen fallenden Umfragewerte Johnsons.

„Historisches Beispiel“

Bidens größtes Manko ist nicht seine Politik, sondern sein fortschreitendes Alter. Er ist schon jetzt der älteste Präsident in der Geschichte des Landes und nach seiner katastrophalen Leistung in der bislang einzigen TV-Debatte mit Trump, in der er müde und überfordert wirkte, haben sich immer mehr Menschen auch in seiner Partei die Frage gestellt, ob Biden in der körperlichen und geistigen Verfassung ist, weitere vier Jahre das Land zu führen. Vor seinem Rückzug am Sonntag hatten bereits mehr als 25 Abgeordnete des Repräsentantenhauses und eine Handvoll Senatoren den Präsidenten zum Rückzug aufgefordert.

Nach seiner Mitteilung huldigten viele Demokraten Bidens politische Karriere und seine Präsidentschaft. Ex-US-Präsident Barack Obama, unter dem Biden als Vizepräsident fungierte, bezeichnete ihn als einen der „bedeutsamsten Präsidenten“ in der Geschichte. Er sei ein „historisches Beispiel für einen echten Staatsdiener, der einmal mehr die Interessen des amerikanischen Volkes über seine eigenen stellt“, teilte Obama mit.

Biden erklärte in seinem ­Schreiben, dass er weitere Details zu seiner Entscheidung in den kommenden Tagen bekanntgeben werde. Er fügte hinzu, dass es die größte Ehre seines Lebens sei, den amerikanischen Menschen als Präsident zu dienen. Unter seiner Führung habe das Land riesige Fortschritte gemacht. Und: „Heute möchte ich meine volle Unterstützung dafür aussprechen, dass Kamala dieses Jahr die Kandidatin unserer Partei wird. Demokraten – es ist Zeit, zusammenzukommen und Trump zu besiegen“, so der Präsident.

„Ich fühle mich geehrt, die Unterstützung des Präsidenten zu haben, und ich habe die Absicht, diese Nominierung zu verdienen und zu gewinnen“, teilte die ehemalige kalifornische Generalstaatsanwältin und Ex-Senatorin daraufhin mit. Die 59-jährige Harris ist die erste Schwarze, die den Eid als US-Vizepräsidentin abgelegt hat und gilt als schlagfertig und kämpferisch. Sie ist 19 Jahre jünger als Trump, machte an der Seite Bidens in der öffentlichen Wahrnehmung aber nicht immer eine gute Figur.

Unterstützung vom linken Flügel

Auch wenn weniger als vier Monate vor der Wahl die Zeit drängt: Sicher hat Harris die Kandidatur noch nicht. Aber die ehemalige kalifornische Senatorin hat die mit Abstand besten Chancen, sich die Nominierung der demokratischen Partei zu sichern. Sie selbst erklärte, dass es ihre Absicht sei, die Nominierung „zu verdienen und zu gewinnen“.

Mehrere demokratische Kongressabgeordnete und politische Organisationen, unter anderem der einflussreiche Congressional Black Caucus, haben sich Biden angeschlossen und ihre Unterstützung Harris zugesichert. Neben Newsom aus Kalifornien zählen auch die anderen möglichen Bewerber Josh Shapiro aus Pennsylvania und Roy Cooper aus North Carolina dazu. Gretchen Whitmer aus Michigan ließ ihrerseits verlauten, kein Interesse an einer Kandidatur zu haben. Vom linken Flügel der Partei bekam Harris Unterstützung von der Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez.

Andere Namen, wie der US-Senator Joe Manchin, der erst in diesem Jahr seine politische Zugehörigkeit von Demokrat auf Unabhängig geändert hatte, soll laut US-Medienberichten eine Kandidatur in Erwägung ziehen. Weitere Namen, die immer wieder auftauchen, sind die Senatoren Amy Klobuchar und Raphael Warnock, sowie die Gouverneure J.B. Pritzker und Andy Beshear. Keiner von ihnen hat bislang angekündigt, Harris die Nominierung streitig machen zu wollen.

Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die jeweiligen politischen Berater und Strategen aktuell Überstunden schieben, um zu sehen, ob ihr Kandidat oder Kandidatin eine mögliche Chance auf die Nominierung hätte.

Andere haben hingegen noch offengelassen, wer ihrer Meinung nach Biden ersetzen soll. So wie Obama oder die frühere Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, die einen offenen Nominierungsprozess bevorzugen. „Wir werden in den kommenden Tagen Neuland betreten“, erklärte Obama.

Wer wird Running Mate?

Bei einer Art „Mini-Primary“ würden mehrere Kandidaten und Kandidatinnen gegeneinander antreten. Die Demokratische Partei will vom 19. bis 22. August ihren Nominierungsparteitag in Chicago abhalten, bis dahin müsste ein Kandidat oder eine Kandidatin gefunden werden. Wenn nicht, könnte es zu einem offenen oder ausgehandelten Nominierungsparteitag kommen. In diesem Fall könnten die Delegierten entweder komplett frei wählen oder hochrangige Parteifunktionäre verhandeln in den Hinterzimmern darüber, wer die Spitzenkandidaten sein sollen. So wurde es bis 1968 regelmäßig gehandhabt.

Sollte Harris in den kommenden Tagen und Wochen ihre Vorreiterrolle festigen, dann ist die nächste Frage, wer ihr Running Mate sein soll. Bereits erwähnte Namen wie Whitmer, Shapiro oder Beshear werden auch in dieser Diskussion immer wieder genannt. Jeder der drei Gouverneure hat in der Vergangenheit politisch Erfolge in Bundesstaaten gefeiert, in denen Demokraten sich sonst schwertun.

Auch wenn Kamala Harris den einfachsten Weg zur Nominierung hat – Demokraten müssen in den kommenden Tagen und Wochen klären, wie sie weiter vorgehen. Und auch dann bleibt noch immer die Frage, ob der gefundene Ersatz Trump im November schlagen kann. Aktuelle Umfragen lassen daran eher zweifeln. Doch nicht nur dort können die Demokraten wohl bald – ohne sich an Bidens Alter abarbeiten zu müssen – anfangen, Trump dort zu attackieren, wo er und die Republikaner, Schwächen zeigen, allen voran bei Themen wie Abtreibung und Klimaschutz.

Und Trump selbst? Dieser nutzte Bidens Rückzugsankündigung dazu, diesen erneut als „schlechtesten Präsidenten“ in der US-Geschichte zu bezeichnen. Zudem warf der 78-Jährige dem Demokraten „Betrug“ vor: Sein Team habe Zeit und Geld in „den Kampf gegen den betrügerischen Joe Biden“ investiert. „Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen“, schimpfte er auf der von ihm mitbegründeten Internet-Plattform Truth Social und forderte Entschädigung. Wenn Biden nicht fit genug sei, um für das Präsidentenamt zu kandidieren, dann sei er auch nicht fit genug, im Amt zu sein, sagte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Trumps Parteifreund Mike Johnson. Biden solle das Weiße Haus sofort verlassen.

Zur Wahl im November 1968 trat übrigens ebenfalls der Vize des Präsidenten an, Hubert H. Humphrey. Er verlor gegen Richard Nixon.

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20 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Die Kommentarfunktion wurde geschlossen, vielen Dank für eure Beiträge!

  • Interessant ist, dass die Wettquoten für die Präsidentschaft deutlich zugunsten Trump ausfallen, während die Quoten für das Popular Vote ebenso deutlich zugunsten der Demokraten stehen. Wieder einmal ein interessantes Licht auf die Eigenheiten des US-Wahlsystems.

  • Schade, Chance verspielt, richten wir uns auf Trumpp ein.

  • Möglicherweise wäre es sinnvoll, wenn Joe Biden krankheitsbedingt zurücktreten würde und Kamala Harris dann als commander in chief in den Wahlkampf ziehen würde, im Kontext von militärischen Operationen gegen Huthi und Hisbollah und auch Hamas.



    Wäre strategisch gut.

  • Biden muss man Respekt zollen für das längst überfällige! 330 Millionen US Amerikaner, Biden und Trump ist das beste was dieses Land zu bieten hat? Zum Glück hat die Vernunft bei Biden vor Altersstarrsinn und Machtgier gesiegt, hoffentlich war der Zeitpunkt für den Ausstieg nicht schon zu spät gewählt. Viel Glück für Harris, in der Hoffnung das sie sich gegen den anderen komplett gestörten kaputten Greis durchsetzen kann.

  • Ich erwarte nicht viel von Harris, das muss ich sagen, aber Trump hätte eine andere Szenerie, er kann nicht mehr einen alten Mann, der nicht verrentet werden will, attackieren, bei Harris wird er anders argumentieren müssen und er wird sich ganz anders stellen müssen. Könnte sein, dass sich das Blatt wendet, könnte aber auch sein, dass es zu einer fast Patt-Situation kommt, wie damals Al Gore und dann eine/r gewinnt. Bei Trump wäre in Europa eine extreme Wirkung zu fürchten, es könnte sein, dass Trump die Ukraine aufgibt und das eine Massenflucht aus der Ukraine beginnt.



    Bei Harris weiß man eigentlich auch nicht viel. Besonders progressiv ist sie nicht, sie ist auch anders als Obama, ihre Vision für die USA und die Welt - ich kann mich gar nicht daran erinnern, vielleicht gab es das auch gar nicht. Mal sehen, was sie jetzt auspackt, auspacken muss. Trump bietet den einfachen Amerikanern das Märchen einer Renaissance, einer Rückkehr zur Größe an, die in der Realität nicht stattfindet, aber es ist ein schönes Märchen (gewesen). Harris müsste ihre Version jetzt vorstellen.

  • Vielleicht ist das auch in Zukunft eine Überlegung wert: Wahlsystem, das allen eine Teilnahme möglich macht.



    /



    "Wählen gehen" kann sich nicht jeder leisten



    Ein anderer Grund, der dazu beiträgt, dass mehr als 100 Millionen US-Bürger darauf verzichten, ihr Wahlrecht auszuüben, ist der für viele ungünstige Wahltermin. Er fällt seit 1845 immer auf den ersten Dienstag im November. Das ist ein Arbeitstag.



    Eine bezahlte Freistellung durch den Arbeitgeber gibt es nicht. Einen Lohnausfall können sich Berufstätige mit ohnehin schon niedrigem Einkommen aber kaum leisten. Die alternative Briefwahl ist vielen zu kompliziert."



    /



    Man mag hoffen, dass sich manche(r) bemüßigt fühlt, sich jetzt erst recht zu engagieren, wenn es um das Wahrnehmen des Wahlrechts geht.



    Quelle planet-wissen.de

  • Dass Biden den Weg frei macht, ist so richtig, wie es erforderlich war.

    Dass Biden eine persönliche Präferenz hat, mag sein, aber es wäre besser der Demokratischen Partei überlassen geblieben, den Kandidaten zu nominieren.

    Nichtsdestotrotz, wer keinen Greis im Präsidialamt zu sehen wünscht, hat jetzt schon mal eine gute Option.

  • Ich war regelrecht erleichtert, als ich hörte, dass Herr Biden sich und dem Land die Chance gibt.

    • @Bürger L.:

      ... bis zu dem Augenblick, als er Harris unterstützte ...

  • Kamala Harris bedeutet den sicheren Sieg für Trump.



    Aus Sicht des Großteiles der Amerikaner ist Kamala Harris viel zu Linksradikal.

    • @Andere Meinung:

      Die größte Schwäche der Demokraten ist ihre Fixierung auf Identitätspolitik zum Abbau tatsächlicher und gefühlter Benachteiligung. Das verheerendste Werkzeug dabei ist aktive Diskriminierung, bisher vermeintlich Bevorteilter. In einer Nation, in dem Geld schon immer und auch heute noch alle Türen öffnet, sollte einem klar sein, dass solche Maßnahmen in aller Regel praktisch immer die Falschen trifft.

      Eine gerechte Welt kann nur der Unilateralismus schaffen und auch nur dieser kann den Graben, der in die Gesellschaft gerissen wurde, wieder schließen.

      Im Zweifelsfall können die Rechten nämlich Identitätspolitik sehr viel besser und die politische Linke macht es diesen Kräften gerade ziemlich leicht! Nicht nur in den USA.

  • Ich bin für Gretchen Whitmer. Punkt

    • @Eulennest:

      An der Aktion könnten sich weltweit so Einige mal ein Beispiel nehmen. Nun bleibt zu hoffen, dass Trump von Harris gegrillt wird.

    • @Eulennest:

      Mein Hit wäre Deb Haaland.

  • Wennn die Republikaner die Wahl verlieren, dann wegen all denjenigen die der Meinung sind, dass nicht nur Biden sondern auch Trump zu alt sind, das gilt vor allem für die jungen Wähler. Vielleicht sollte Trump im Interesse der Partei und des Landes Biden folgen und Vance ins Rennen schicken.

    PS: natürlich verbunden mit der Zusage, dass im Falle eines republikanschen Wahlsieges alle Strafverfahren gegen Trump eingestellt werden.

    • @Pi-circle:

      Alle Strafverfahren gegen Trump einstellen? Das wird, glaube ich, nix.

  • Harris hat sich während Ihrer Amtszeit als Vizepräsidentin nicht aufgedrängt, warum wollte Biden sonst noch einmal antreten? Wenn aber andere Kandidaten noch schlechtere Chancen haben oder nicht wollen hat sie trotzdem Potential. Eine klar positive Botschaft für das Land, den Willen an die positiven Ansätze der Biden-Amtszeit anzuknüpfen und weiteren Fortschritt für Land zu bringen, der Versuch, ggf. wenn Trumps Zeit nach einer Wahlniederlage zu Ende geht, auch die Republikaner aus der extremistischen Ecke zu bringen und zumindest Dialog wieder möglich zu machen.



    Und natürlich muss man auf die offenkundigen Schwächen Trumps hinweisen: sehr alt, wahnwitziges Wahlprogramm, noch wahnwitzigeres Personaltableau und besser geht es unter ihm nur den Reichen. Begeht man keine Fehler und bleibt klar bei seinem Fahrplan schlägt man die heißlaufende Narzisstenmaschine, hat Biden ja das letzte Mal auch relativ klar geschafft.

  • Das ist doch mal eine Steilvorlage für Scholz. Vier Monate vor der Bundestagswahl fliegender Wechsel zu Pistorius.