Nach Ausschluss Russlands aus G 8: Den Preis in die Höhe treiben
US-Präsident Obama und die EU verhandeln über neue, härtere Strafen gegen Russland. Für Moskau dürfte die Suspendierung von G 8 verschmerzbar sein.
BRÜSSEL/GENF taz | Die Krimkrise hat einen unerwarteten Gewinner: Brüssel. Die heimliche Hauptstadt Europas wird im Juni den nächsten G-7-Gipfel organisieren, teilte die EU-Kommission am Dienstag voller Stolz mit. Die Wahl sei „ganz natürlich“ auf Brüssel gefallen, sagte die Sprecherin von EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Schließlich stünden Europa und die USA in der Krimkrise eng zusammen.
Es ist das erste Mal, dass die EU einen Gipfel organisiert, zudem sich die Vertreter der wichtigsten sieben Industrieländer treffen. Zuvor hatten die USA und die EU ihre Fahrt nach Sotschi abgesagt und Russland bis auf Weiteres aus dem Club der G 8 ausgeschlossen.
Der Alternativgipfel in Brüssel soll sich vor allem mit Fragen der „Energiesicherheit“ befassen. Hinter diesem Kunstwort versteckt sich der Wunsch, Europa und vor allem Deutschland unabhängiger von russischem Erdgas zu machen.
Doch zunächst wollen Europäer und Amerikaner den „Preis“ für die russische Annexion der Krim in die Höhe treiben. Bei einem EU-USA-Gipfel am heutigen Mittwoch in Brüssel wird es deshalb erneut um westliche Sanktionen gehen. US-Präsident Barack Obama dürfte versuchen, die letzten Widerstände auf dem Weg zu Stufe drei – Wirtschaftssanktionen– zu brechen.
Die G 7, zu denen seit einiger Zeit auch die EU-Präsidenten Barroso und Van Rompuy zählen, droht mit „intensiveren“ Strafen gegen ausgewählte Wirtschaftssektoren, die eine „zunehmend spürbare Wirkung“ auf Russland haben würden. Beim EU-Gipfel hatte Deutschland noch vor einem solchen Wirtschaftskrieg gewarnt.
Symbolische Bedeutung
Auch Österreich, Finnland, Zypern und Slowenien standen auf der Bremse. Demgegenüber machen Polen, die baltischen Staaten, Schweden und Großbritannien Druck. Sie wollen auch beim EU-USA-Gipfel den Schulterschluss mit Obama suchen.
Der vorläufige Ausschluss Russlands ist in erster Linie von symbolischer Bedeutung: Denn die G 7/8 ist keine formale Institution, in der rechtsverbindliche Beschlüsse gefasst oder Verträge vereinbart werden. Die Regierungen nutzen sie, um sich zu beraten und gemeinsame Positionen abzustimmen.
Die Gruppe ist fast vierzig Jahre alt: 1975 war sie zunächst als G 6 gegründet und ein Jahr später um Kanada zur G 7 erweitert worden. Auf der Tagesordnung standen neben Wirtschafts- und Handelsfragen unter anderem der Klimawandel, Terrorismusbekämpfung, Gesundheits- und Bildungspolitik, Bevölkerungsentwicklung, Fragen des internationalen Rechts oder internationale Strafverfolgung.
Nie gleichberechtigstes Vollmitglied
Im Jahr 1998 stieß Russland dazu. Die Aufnahme in den Club – neun beziehungsweise sieben Jahre nach dem Zerfall des Warschauer Pakts und der Auflösung der Sowjetunion – bedeutete damals einen großen Prestigegewinn für Moskau. In der G 7 bestand das Interesse, Russland mit Blick auf regionale Konflikte und globale Herausforderungen in die eigene Politik und die eigenen Maßnahmen einzubinden.
Allerdings war Russland nie gleichberechtigtes Vollmitglied der G 8: Von den finanz-und währungspolitischen Beratungen etwa blieb das Land bis zuletzt ausgeschlossen. Handels- und Kooperationsabkommen vereinbarte Moskau vorrangig bilateral mit den G-7-Regierungen und mit der EU in Brüssel. Künftig dürfte dies verstärkt im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) erfolgen, der Russland 2012 beigetreten ist.
Über die Abrüstung von Atom- und anderen Massenvernichtungswaffen verhandelt Moskau vorrangig bilateral mit Washington sowie auf der Ebene des UN-Sicherheitsrats und im Rahmen der bestehenden internationalen Abkommen zum Verbot oder der Nichtweiterverbreitung von ABC-Waffen.
Für alle anderen rüstungskontrollpolitischen Fragen gibt es die UNO-Abrüstungskonferenz. Auch über den Klimawandel und die übrigen bisher in der G 8 beratenen Themen existieren Verhandlungsforen im Rahmen der UNO, an denen Russland und die G-7-Staaten beteiligt sind.
Die Suspendierung der G 8 dürfte für Moskau daher verschmerzbar sein – zumal Russlands Mitgliedschaft in der sehr viel wichtigeren G 20 davon ja nicht betroffen ist.
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