Nach Attentat auf Polizisten in Paris: Deutsche Polizei kannte den Angreifer

Waffenbesitz, Drogen, Körperverletzung: Der erschossene Angreifer von Paris war den deutschen Behörden schon lange bekannt. Zeitweise lebte er in NRW.

Polizeistation in Nordparis: Hier lief der Mann auf mit einem Beil auf die Polizisten zu. Foto: dpa

RECKLINGHAUSEN dpa | Die Herner Straße 98 in Recklinghausen hat schon bessere Zeiten gesehen. Eingekeilt zwischen Bahngleisen und einem ehemaligen Zechengelände, das nun Wertstoffhof, Gewerbegebiet und Baustelle ist, steht hier ein zweigeschossiges Haus. Der Putz bröckelt stellenweise von den Wänden. Im Gras vor den Fenstern liegt Müll. Als am Sonntagmorgen erste Kamerateams aufziehen, entschließt sich ein Bewohner diesen zusammenzukehren.

Hier und im Nachbarhaus leben etwa 100 Flüchtlinge. Die Medien interessieren sich für das Haus und seine Bewohner, weil am Samstagabend bekannt wurde, dass eine Spur des jüngsten versuchten Terroranschlags in Paris hierher führt: Zumindest zeitweise hat sich ein mutmaßlicher Islamist hier mit anderen Asylbewerbern das Zimmer Nummer 9 geteilt.

Es geht um jenen Mann, der am Donnerstag in Paris erschossen wurde, als er versuchte, mit der Attrappe einer Sprengstoffweste am Leib und einem Schlachterbeil in der Hand eine Polizeiwache zu stürmen.

Anfang August sei der Mann nach Recklinghausen gekommen und habe dort als Asylbewerber eine Aufenthaltsgestattung erhalten, berichtet das Landeskriminalamt am Sonntag. Doch den Behörden war der Mann schon lange bekannt – allerdings unter mehreren Identitäten.

„Wir sind uns nicht sicher, wer er tatsächlich ist“, sagt LKA-Direktor Uwe Jacob, am Sonntag in Düsseldorf. Mal habe er sich als Tunesier, mal als Marokkaner, Georgier oder Syrer ausgegeben. Was die Behörden aber sicher wissen, ist: Gegen den Erschossenen war immer wieder wegen zahlreicher Verstöße gegen das Waffengesetz, Rauschgifthandel und Körperverletzung ermittelt worden. Vergangenes Jahr hat er auch eine einmonatige Haftstrafe abgesessen.

Keine Waffen, kein Sprengstoff

In Zimmer 9 in Recklinghausen fanden sich nun selbst gefertigte Fahnen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS). Datenträger, SIM-Karten, Aktenordner, Zettel in arabischer Sprache und zwei Küchenmesser stellten die Fahnder sicher. Bisher deute alles auf einen radikalisierten Einzeltäter, der ohne Netzwerk agiert habe, heißt es. Weder Waffen noch Sprengstoff seien gefunden worden. Einzig eine Gaspistole war bereits früher bei dem Mann sichergestellt worden.

In der Stadtverwaltung von Recklinghausen zeigt man sich von den Ermittlungen des Landeskriminalamtes überrumpelt: „Das alles kam am Samstag für uns völlig überraschend“, sagt Stadtsprecherin Corinna Weiß. Bürgermeister Christoph Tesche (CDU) erklärte, er werde helfen, wo er nur könne. Es sei seine Pflicht, „gemeinsam mit allen zuständigen Behörden sehr intensiv daran zu arbeiten, dass sich Menschen mit solchen Absichten in unseren Einrichtungen nicht verstecken können“, heißt es in einer Mitteilung.

Jedoch kommen Fragen auf, wie es möglich sein konnte, dass ein Mann, der so oft straffällig wurde, nicht ständig im Visier der Polizei war. Lag es an seinen mindestens sieben unterschiedlichen Identitäten? Immerhin hatte er laut LKA auch mehrmals Fingerabdrücke abgegeben.

Die Unterkunft, die Kriminalisten und Spurensicherer im Auftrag des Landeskriminalamts am Samstag durchsucht hatten, liegt in Sichtweite des Rathausturmes am Rande des Innenstadt. Eigentlich sollte das seit 1990 bestehende Heim längst abgerissen werden. Nur weil in der Stadt Platz für die vielen Flüchtlinge allzu knapp ist, gibt es die heruntergekommenen Häuser noch.

Am Sonntagmorgen steht ein Polizeiwagen am Eingang zum Gelände. Die Beamten sollen dafür sorgen, dass die Privatsphäre der Bewohner bewahrt wird. Verstohlen blicken Männer gelegentlich durch die Fenster nach draußen. Bettlaken verhängen die Scheiben, in ein Fenster hat ein Bewohner eine Deutschlandfahne mit Bundesadler gehängt.

Die Polizei sei immer mal wieder in die Asylunterkunft gerufen worden, berichtet die Stadtsprecherin. Drogendelikte, Schlägereien, Probleme mit Müll – was so passiere, wenn viele Menschen auf einem Ort lebten. „Unsere Unterkünfte sind aber kein Hort der Kriminalität und des Terrorismus“, sagt Weiß. „Hinweise auf Terror hatten wir als Verwaltung zumindest nie“, fügt sie hinzu.

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