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Nach Anschlag auf Gesundheits-CEOMangione muss sich nicht wegen Terrorismus verantworten

Mit seinem Attentat wollte Luigi Mangione Aufmerksamkeit fürs Versagen des US-Gesundheitssystems erregen. Trotzdem sagt der Richter: kein Terror.

Luigi Mangione wird am 16.09.2025 in den Gerichtssaal in Manhatten geführt Foto: Seth Wenig/ap

Berlin taz | „Ich entschuldige mich für alle Traumata, die dadurch entstanden sind, aber es musste getan werden. Ehrlich gesagt, diese Parasiten haben es einfach verdient“. Diese Worte schrieb Luigi Mangione in einem kurzen Manifest, in dem er sein Attentat auf den United-Healthcare-CEO Brian Thompson rechtfertigte. „Parasiten“, das waren für den inzwischen 27-Jährigen die reichen Manager, die sich am korrupten, ineffizienten Gesundheitssystem der USA bereichern.

Mangione schritt deshalb am 4. Dezember 2024 im New Yorker Stadtteil Manhattan zur Tat: Auf Überwachungsvideos sieht man, wie er von hinten auf Thompson feuert, ruhig nachlädt und den am Boden liegenden CEO erschießt. Im Internet löste der Mord vor allem (aber nicht nur) unter Linken einen Sturm der Beifallsbekundungen und Memes auf, nicht unerheblich befeuert durch die attraktiven Gesichtszüge des Attentäters.

Luigi Mangione wurde 1998 in Towson im Bundesstaat Maryland in eine Familie mit italienischer Migrationsgeschichte geboren. Sein Masterstudium der Ingenieurs- und Computerwissenschaften schloss er 2020 ab, im Anschluss arbeitete er bei einem Autoverkauf-Start-up und lebte auf Hawaii. Schon als Kind hatte Mangione mit Gesundheitsproblemen zu kämpfen, es kamen Rückenschmerzen hinzu.

Mangione war ein begeisterter Leser. So rezensierte er auf der Plattform Goodreads das Manifest des zivilisationsfeindlichen „Unabombers“ Ted Kaczynski mit den Worten: „Friedliche Proteste werden völlig ignoriert, wirtschaftliche Proteste sind im derzeitigen System nicht möglich. Wie lange wird es also dauern, bis wir erkennen, dass Gewalt gegen diejenigen, die uns in diese Zerstörung führen, als Selbstverteidigung gerechtfertigt ist?“

25 Jahre Haft

Am Dienstag nun hat ein Gericht in Manhattan die Anklage gegen Mangione wegen vorsätzlichen Mordes und „Terrorismus“ zurückgewiesen. Die Beweise dafür reichten nicht aus, sagte der Vorsitzende Richter. Mangione muss sich allerdings nach wie vor für neun andere Anklagepunkte verantworten, darunter Mord zweiten Grades, und könnte im Falle einer Verurteilung die nächsten 25 Jahre oder sogar den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen.

Zusätzlich laufen noch zwei weitere Verfahren gegen ihn, eins im Staat Pennsylvania, wo er nach seiner Flucht vom Tatort gefasst wurde, und eins auf Bundesebene – dort strebt Generalstaatsanwältin Pam Bondi die Todesstrafe an. Mangione plädiert in allen Punkten auf „nicht schuldig“.

Mit dem Vorwurf des „Terrorismus“ wollte der District Attorney – der Staatsanwalt auf lokaler Ebene – wohl auch der großen Resonanz Rechnung tragen, die Mangiones Attentat ausgelöst hat. Mangione selbst erklärte, er habe mit seiner Tat eine „Botschaft“ verbreiten und „öffentliche Unterstützung gewinnen“ wollen, hinweisen auf „alles, was mit dem Gesundheitssystem falsch ist“. Nach der Argumentation des Staatsanwalts zeugt diese Begründung davon, dass Mangione mit der Tat ein Spektakel kreieren wollte. Dessen Anwältin hielt aber dagegen, diese Argumentation dehne die Definition von Terrorismus zu weit aus. So sieht es auch der Richter.

Unter Linken im Internet ist Mangione nach wie vor populär. Auch die neuesten Bilder von ihm im beigen Sträflingsanzug und in Handschellen gefesselt gehen viral. Unter den Unterstützern, die sich am Dienstag vor dem Gerichtsgebäude versammelten, waren offenbar auffällig viele junge Frauen. Und auch an Lesestoff mangelt es ihm in seinem Gefängnis in Brooklyn nicht. Dort soll Mangione mit Zuschriften nur so überhäuft werden.

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