Nach Angriff auf Fest in Bad Freienwalde: Durchsuchung bei Neonazi
Wegen des Angriffs auf ein Vielfalts-Fest in Bad Freienwalde gibt es einen Verdächtigen. Er ist bei der Neonazi-Partei „III.Weg“ organisiert.
Am Sonntag kurz vor Mittag hatten zehn bis fünfzehn vermummte Täter das Fest „Bad Freienwalde ist bunt“ unter anderem mit Schlaggegenständen angegriffen. Auf dem Fest waren auch Familien mit Kindern. Mindestens zwei Menschen wurden verletzt. Ordner*innen hatten sich den Angreifern entschlossen entgegengestellt und konnten sie vertreiben. Laut Veranstaltern war zu dem Zeitpunkt keine Polizei in Sicht – diese hätte die Gefahr unterschätzt, obwohl es bereits in den vergangenen Jahren zu Vorfällen mit Neonazis gekommen war.
Brandenburgs Innenminister René Wilke (parteilos) hatte noch am Sonntag das Fest besucht und den Überfall scharf verurteilt. Im Interview mit der taz hatte er erklärt, der Angriff in Bad Freienwalde habe eine „neue Qualität“. Wilke bestand darauf, dass Polizei vor Ort gewesen sei.
Bei dem Angriff am Sonntag hatten Zeugen den 21-jährigen Verdächtigen erkannt. Er hatte demnach bereits im vergangenen Jahr versucht, die gleiche Veranstaltung in Bad Freienwalde zu stören. Fotos von ihm am Rande der Veranstaltung vor einem Jahr liegen der taz vor. Laut einem Zeugen war der Neonazi bereits damals von Ordner*innen erkannt und vertrieben worden soll und mit Pfefferspray bewaffnet gewesen sein.
Fußballverein distanziert sich
Szene-Kenner beschreiben ihn als gefestigten, etablierten Aktivisten der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ), also der Nachwuchsorganisation der Neonazi-Partei „III. Weg“. Obwohl dessen rechtsextremes Engagement sein Monaten bekannt ist, solle er bis heute beim Fußballverein SV Hertha 23 Neutrebbin trainieren – wohl gemeinsam mit weiteren Kameraden. Spieler und Fans des SV Hertha 23 Neutrebbin fielen in der Vergangenheit mehrfach mit rassistischen Vorfällen auf. Der Verein erklärte auf Anfrage der taz:
„Wir als Betreiber und Nutzer des Neutrebbiner Sportplatzes distanzieren uns klar gegen extremistische und gewaltbereite Ansichten und Handlungen.“ Man sein daher „im engen und vertrauensvollen Austausch mit Behörden und Institutionen“.
Laut dem antifaschistischen Rechercheportal „Aus dem Weg“ ist der verdächtige Neonazi regelmäßig bei Veranstaltungen der neonazistischen Kleinpartei „III.Weg“ sowie der „Nationalrevolutionären Jugend“ (NRJ) zu beobachten. Mit diesem Umfeld soll er unter anderem an Kampfsport-Trainings in Rostock und Berlin teilgenommen haben.
Im August 2024 soll er in Zwickau gegen den dortigen CSD demonstriert haben. Fotos des 21-Jährigen sollen dessen Teilnahme auf Neonazi-Demos in Görlitz, Suhl und Hellersdorf dokumentieren, wo er unter anderem ein Megafon trug. Der junge Mann scheint zudem international unterwegs zu sein. So soll er dieses Jahr am 8. Februar zu dem jährlich stattfindenden Neonazi-Aufmarsch in Budapest gereist sein und Mitte Mai in einer Gruppe der NRJ aus Berlin und Brandenburg bei einer rechtsextremen Demonstration in Paris marschiert sein. Auf Fotos, die den Neonazi in Paris zeigen sollen, ist er mit einem Schal des III. Weg vermummt.
Rechte Jugendkultur in Bad Freienwalde im Aufwind
In Bad Freienwalde ist die rechte Jugendkultur laut Beobachtern in den vergangenen rund zwei Jahren stärker geworden. Neben III. Weg und NRJ seien Kader von „Deutsche Jugend Voran“, einer gewaltbereiten rechtsextremistischen Jugendgruppe, in der Kleinstadt aktiv.
Wie die taz am Montag berichtete, hatte die Nachwuchsorganisation der Partei „III. Weg“ bereits im Februar eine Veranstaltung des Bündnisses „Bad Freienwalde ist bunt“ im Visier. Auf ihrer Webseite hatte die Partei erklärt: „Genau diesem antideutschen Milieu muss das Handwerk gelegt werden“. Und weiter: „Wo sich die Möglichkeit ergibt, werden wir die unsäglichen Verhältnisse bekämpfen und für ein neues Deutschland streiten.“
Die Partei „III. Weg“ antwortete nicht auf mehrfache Anfrage der taz.
Die Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag die Orte der Durchsuchungen sowie den Namen des Verdächtigen nicht genannt und wollte dazu auch auf Nachfrage gegenüber der taz keine Angaben machen. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft erklärte, es bestehe „eine konkrete Bedrohungslage für den Verdächtigen und seine Familie“. Der Name des Neonazis war bereits kurz nach dem Angriff von einem antifaschistischen Rechercheportal veröffentlicht worden.
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