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Nach Abwrackung der „Seute Deern“Kein Schiff wird kommen

Bremerhaven geht ein Licht auf: Der Nachbau des historischen Stahl­seglers „Najade“ würde zu teuer.

War das erste in Deutschland aus Stahl gebaute Vollschiff: „Najade“ Foto: Historisches Museum Bremerhaven

Die waren gar nicht ohne, die Najaden der griechischen Antike. Immerhin sollen die Wassernymphen der Legende nach Hylas, den jugendlichen Geliebten des Herakles, just in dem Moment in die Tiefe gezogen haben, als er aus einer Quelle trank. Hinterhältig. Oder hatte Hylas sich wie weiland Narziss, vom eigenen Antlitz betört, einfach zu weit runtergebeugt? Wie auch immer, Herakles soll so lange nach ihm gesucht haben, dass seine Argonauten ohne ihn weiterreisten, um das Goldene Vlies zu suchen.

Warum man allerdings noch heute Schiffe „Najade“ nennt, bleibt ein Rätsel. Findet man sie so grazil? Geisterhaft? Oder sucht man so den fatalen, Untergang bringenden Zauber der Wassernymphen zu brechen?

Die 1888 von einer Bremer Werft fertiggestellte „Najade“ jedenfalls – das erste in Deutschland gebaute stählerne Vollschiff – überlebte die Blüte ihrer Jahre nicht: 1917, während des Ersten Weltkriegs, sank der knapp 80 Meter lange Dreimaster zwischen den Orkneys und den Shetland-Inseln, nachdem er torpediert worden war – von einem deutschen U-Boot.

Die „Najade“ hatte zwar nur Harmloses geladen – Presskuchen, ein Abfallprodukt der Produktion von Pflanzenöl und als Tierfutter geeignet. Aber sie fuhr unter norwegischer Flagge und war damit „der Feind“.

Rentabel wäre nur ein digitaler Nachbau

Seither modert sie unbeachtet am Meeresgrund vor sich hin. Und sie wäre auch weiterhin dem Vergessen anheim gefallen, wäre nicht 2019 der Großsegler „Seute Deern“ im Bremerhavener Museumshafen gesunken: Ein Brand spielte dabei eine Rolle, vor allem aber hatte das Deutsche Schifffahrtsmuseum das Prunkstück total verkommen lassen.

Angeblich Teil der Bremerhavener Identität, wurde es nun öffentlich betrauert, Trost tat not, Ersatz musste her. Wobei der zugereiste Binnenländer ohnehin nicht begreift, warum im Norden ständig Schiffe nachgebaut werden, als seien es, wie die „Peking“ in Hamburg, die letzten ihrer Art.

Aber wie dem auch sei: Der Verlust der „Seute Deern“ sollte durch den Nachbau besagter „Najade“ kompensiert werden. Gesagt – geplant: Flugs hatte der Bremerhavener SPD-Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt dem Bund 45 Millionen Euro für das Projekt abgeschwatzt, Optimismus breitete sich aus.

Allerdings, nicht alle waren zufrieden. Die Linke und der Bund der Steuerzahler agitierten in ungewohnter Eintracht vehement gegen das Projekt. Und jetzt, seit einigen Tagen, ist es offiziell begraben: Rentabel wäre allenfalls der Nachbau der „Najade“ als „digitale Erlebniswelt“, so das jetzt vorliegende Ergebnis der Wirtschaftlichkeitsprüfung.

Vielleicht lässt sich das Geld ja umwidmen

Dazu müsste aber das Schifffahrtsmuseum auf Kosten der Stadt umgerüstet werden, doch dafür reichen die Bundes-Millionen nicht. Und Bremerhaven kann es sich angesichts der angespannten Haushaltslage nicht leisten, sagt Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD).

Allerdings, najadenschlau ist man in Bremerhaven schon: So will man versuchen, einen Teil der bewilligten Bundesgelder für den Erhalt der schon vorhandenen Schiffe im Museumshafen umzuwidmen. Außerdem soll der Bundestagsabgeordnete Uwe Schmidt versuchen, weitere Gelder des Bundes für die Sanierung des Scharoun-Baus des Deutschen Schifffahrtsmuseums zu besorgen.

Wenn das klappte, wäre es eine nachhaltige Lösung, von der sich manch Unternehmen eine Scheibe abschneiden könnte: Bestandspflege statt teurem Zukauf: ein VWL-Klassiker mit Zukunftspotenzial.

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