Nach Abschiebung aus Frauenhaus: Irgendwo bei Salzburg
Wie es der jungen Frau geht, die vor zwei Wochen mit ihren beiden kleinen Kindern aus Hamburg nach Österreich abgeschoben wurde, ist unklar.
Hilfe braucht die Frau, weil sie in Hamburg mit den Kindern vor ihrem gewalttätigen Ex-Partner in ein Frauenhaus geflohen war, dessen Adresse geheim ist. Jetzt befindet sie sich in Österreich nach Angaben der Frauenhaus-Mitarbeiterin in einer offen zugänglichen Einrichtung. „Ein Mitarbeiter hat ihr gesagt, dass ihr ehemaliger Partner dort auch gemeldet ist.“ Gesehen habe die Frau ihn noch nicht, aber sie habe Angst, dass er ihr etwas antue.
Am vergangenen Donnerstag hatten die autonomen Hamburger Frauenhäuser in einer Pressemitteilung auf den Fall aufmerksam gemacht. Danach ist die Frau am 28. Oktober bei einem Routine-Termin im Ausländeramt mit ihren Kindern von der Polizei in Gewahrsam genommen worden. Noch in der Nacht sei die Familie unter Bewachung in einem Bus nach Österreich gebracht worden. Bundesweit hatten Medien berichtet, die Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft hatte das Vorgehen des Hamburger Ausländeramts und die Umstände der Abschiebung kritisiert.
Nach Angaben des Hamburger Frauenhauses wollte die Frau, deren Asylantrag von Deutschland abgelehnt worden war, ohnehin freiwillig in die Türkei zurückkehren. Sie habe das Heimatland auf Wunsch ihres Ex-Partners verlassen. Die Abschiebung nach Österreich sei daher ein unnötiger Umweg, der das Verfahren nur verzögern würde. „Das Ziel unserer Beratungen war, wie die Rückreise am besten gelingen kann und die Kinder am wenigsten Schaden nehmen.“
Freiwillige Rückkehr geplant
Das Hamburger Amt für Migration kann keine Fehler erkennen. Die junge Frau habe zwar im August mitgeteilt ausreisen zu wollen, sei aber im Oktober noch in Deutschland gewesen. Außerdem sei sie zwischen dem 11. April und dem 18. Juni 2024 „untergetaucht“. Gemeint sei damit, dass „das Ausländeramt keine Kenntnis über den Aufenthaltsort der Betroffenen hatte“. Welchen Einfluss dieser Umstand auf die Abschiebung im Oktober hatte, bleibt unklar.
Erklären lässt sich das „Untertauchen“ mit einem Umzug. Im November 2023 – zwei Monate nach ihrer Ankunft in Hamburg – kam sie in eine erste Anlaufstelle. Ende Mai dieses Jahres zog sie in das Frauenhaus um, in dem sie bis zu ihrer Abschiebung lebte. Das Sorgerecht hatte ihr nach Auskunft des Frauenhaus aufgrund der Gewalttätigkeit ihres Ex-Partners bereits ein Gericht in der Türkei zugesprochen.
Das Ausländeramt teilt weiter mit, dass den österreichischen Behörden im März „übermittelt“ wurde, „dass die Betroffene sowie ihre beiden Kinder in einem Frauenhaus untergebracht sind, dem Kindsvater eine Kontaktsperre ausgesprochen worden ist und eine gemeinsame Überstellung nicht beabsichtigt ist“. Als Überstellung werden Abschiebungen in den europäischen Staat bezeichnet, in dem jemand zuerst als Asylsuchende:r registriert wurde.
Sicher vor dem Ex-Partner?
Deshalb, so die Ausländerbehörde, gehe man davon aus, dass die Frau in Österreich sicher vor ihrem Ex-Partner ist. „Anhaltspunkte dafür, dass die österreichischen Behörden nicht Willens oder außerstande sind, gegen derartige Übergriffe im Rahmen der geltenden Gesetze vorzugehen und den Schutz der Betroffenen zu gewährleisten, bestehen nicht.“
Bestätigen lässt sich diese Einschätzung nicht. Weder das Hamburger Ausländeramt noch das Frauenhaus wissen, in welcher Einrichtung sie untergebracht ist und welche staatliche Stelle für sie zuständig sein könnte. Eine Sprecherin des österreichischen Bundesinnenministeriums sagt, selbst wenn sie heraus bekommen würde, wo sich die Frau aufhält, dürfte sie aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben. Die taz hat bei den beiden Beratungsstellen für Geflüchtete in Salzburg nachgefragt. Mit Stand vom Dienstag hatte die Frau sich dort noch nicht gemeldet.
Die Tatsache, dass die junge Türkin um Adressen gebeten hat, wo sie sich Hilfe holen kann, spricht dagegen, dass sie sich so geschützt fühlt, wie es das Hamburger Ausländeramt nahe legt.
Andrea Kothen, frauenpolitische Referentin der Organisation Pro Asyl, erinnert daran, dass sowohl Deutschland als auch Österreich nach der Istanbul Konvention gesetzlich verpflichtet sind, Frauen und Mädchen in allen Lebensumständen vor Gewalt zu schützen, beispielsweise in Gemeinschaftseinrichtungen. „Dazu gehört auch, dass sie eine Beratung in Anspruch nehmen kann, um das Erlebte aufzuarbeiten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“