Nabu-Chef zur Autofabrik von Tesla: „Das ist immer noch eine Black Box“
Der Brandburger Nabu-Vorsitzende Friedhelm Schmitz-Jersch über Teslas ambitionierte Zeitpläne und die Naturschutz-Aspekte der Genehmigung.
taz: Herr Schmitz-Jersch, als Elon Musk mit Grünheide den geplanten Standort seiner vierten Autofabrik bekanntgab, waren Sie beim Nabu da überrascht oder hatten Sie irgendetwas geahnt?
Friedhelm Schmitz-Jersch: Nein, wie alle anderen wussten wir davon im Vorfeld überhaupt nichts. Tatsächlich ist das alles noch eine Black Box für uns – wir wissen zwar, um welche Fläche es sich handelt, viel mehr aber auch nicht. Aber die Landesregierung hat ja versprochen, dem schnell abhelfen.
Tesla soll schon im ersten Quartal 2020 mit dem Bau der Fabrik beginnen, heißt es. Zu dieser gewagten Zielvorgabe ist das Unternehmen nach den geheimen Vorgesprächen mit der Landesregierung gekommen. Ist so ein knapper Zeitplan realistisch?
Das wird man nun alles sehen müssen. Entscheidend wird unter anderem sein, welche Voruntersuchungen es schon für das Gelände gibt. Ein Bebauungsplan wurde ja bereits 2001 aufgestellt. Bis jetzt ist aber weder uns noch anderen Verbänden bekannt, in welcher Intensität bereits natur- und artenschutzrechtliche Untersuchungen stattgefunden haben. Die können eine wichtige Grundlage für die weiteren Genehmigungsverfahren sein.
Diese Untersuchungen muss ja der Investor selbst durchführen.
Richtig, für die gesetzlich vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung ist der sogenannte Vorhabenträger verantwortlich, in diesem Fall also das Unternehmen Tesla.
72, ist seit sieben Jahren ehrenamtlicher Vorsitzender des Brandenburger Landesverbands des Naturschutzbunds (Nabu).
Sobald Tesla den Bericht vorgelegt hat, kann die Öffentlichkeit Stellung dazu nehmen. Auch der Nabu und andere Naturschutzorganisationen dürfen Einwendungen erheben. Wie ausgiebig wollen Sie dieses Instrument nutzen?
Man muss sehen, wie weit sich auf alle aufeinander zu bewegen können. Klar ist: Betroffenheiten von Natur und Arten müssen wir so weit wie möglich ausschließen oder zumindest minimieren. Dann kommt es auch auf den Ausgleich an, also ob wir an anderer Stelle zu einer substanziellen Aufwertung von Natur und Landschaft kommen.
Sprich: Aufforstung.
Es geht nicht einfach nur um Aufforstung, man kann das nicht bloß quantitativ betrachten. Sie müssen ja erst einmal geeignete Flächen finden – und auch solche, die heute landwirtschaftlich genutzt werden, können erheblichen Naturwert haben. Auf keinen Fall dürfen Flächen in Anspruch genommen werden, die naturschutzfachlich betrachtet hohen Wert besitzen, Magerrasen etwa. Vorrangig sollten also beim Waldausgleich qualitative Aufwertungsmaßnahmen erfolgen, mit denen bestehender Wald naturgemäßer gemacht wird.
Wie Mitte November überraschend bekannt wurde, will der US-Elektroauto-Hersteller Tesla bis zu 4 Milliarden Euro in eine "Gigafactory" in Grünheide (Kreis Oder-Spree) investieren. In einer ersten Stufe sollen nach Angaben der Brandenburger Landesregierung über 3.000 Arbeitsplätze entstehen, nach einem Ausbau bis zu 8.000. Der Start der Bauarbeiten nahe der A 10 ist für das erste Quartal 2020 geplant.
Rund 240 Hektar Wald könnte Tesla für den Bau abholzen, laut Brandenburger Regierung will das Unternehmen die dreifache Menge aufforsten lassen. Laut Bild am Sonntag kann das Unternehmen von Elon Musk mit EU-Zuschüssen von rund 300 Millionen Euro rechnen. Die Fabrik soll voraussichtlich Ende 2021 in Betrieb gehen und den künftigen Kompakt-SUV "Model Y" sowie Batterien bauen.
Kiefernmonokulturen zu Mischwald?
Das wäre das klassische Beispiel. Dabei stellt sich allerdings das Problem, dass Kiefern normalerweise erst gefällt werden, wenn der Forst erntereif, also rund 80 Jahre alt ist, anderenfalls bedeutet es einen wirtschaftlichen Verlust. Wenn der Waldumbau hier beschleunigt wird, kostet das dann eben auch mehr. Eine andere Möglichkeit wäre, Auwälder an Flüssen auszubauen. Grundsätzlich muss man sehen, wie groß der Kreis für Ausgleichsmaßnahmen gezogen wird: Ziel ist immer, dort zu bleiben, wo der Naturverlust entsteht, aber bei so einer großen Fläche und dem entsprechenden Ausgleichsbedarf kann es sein, dass man im Nahbereich gar keine ausreichenden Möglichkeiten findet.
Es war schon die Rede von geschützten Arten, die auf dem Gelände leben, was wissen Sie darüber?
Das kann ich weder bestätigen noch ausschließen. Selbst unsere Nabu-Freunde vor Ort haben im Moment noch keine näheren Kenntnise von diesem konkreten Gebiet. Diese Wissensdefizite sollten jetzt auch mit Unterstützung der Verwaltung möglichst schnell aufgearbeitet werden.
Macht es für Sie als Naturschutzorganisation eigentlich einen Unterschied, dass Wald hier für die Entwicklung von Elektromobilität geopfert wird? Weil das mehr oder weniger im Sinne des Klimaschutzes ist?
Natürlich spielt das eine gewisse Rolle. Wir sind ja auch Brandenburger und sehen, dass die Menschen hier ganz große Hoffnungen mit dieser Investition verbinden. Wir sind guten Willens, an dem Verfahren konstruktiv mitzuwirken und erwarten diesen guten Willen natürlich auch von den Landesbehörden und dem Investor.
Aber noch mal zum Anfang zurück: Ärgert es Sie nicht doch ein bisschen, dass das Projekt so plötzlich aus der Kiste gezaubert wurde und jetzt auch noch alles ganz schnell gehen soll?
Man muss auch die Realitäten zur Kenntnis nehmen. Anders war es wohl nicht möglich, die Investition nach Brandenburg zu ziehen, deswegen wollen wir diese Vorgehensweise nicht grundsätzlich kritisieren. Vor allem dann nicht, wenn jetzt ganz schnell dafür gesorgt wird, dass es zu einem vernünftigen Genehmigungsverfahren kommt und alle an einem Tisch über die Modalitäten sprechen.
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