NSA-Untersuchungsausschuss: Snowden bleibt in weiter Ferne
Der Anwalt des Whistleblowers lehnt eine Befragung in Moskau ab. Die Opposition will Snowden nach Berlin holen, die Union schreibt den Zeugen ab.
BERLIN taz | Kommt er, oder kommt er nicht? Nach einer Stellungnahme von Edward Snowdens Anwalt Wolfgang Kaleck an den NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag bleibt eine Befragung des Whistleblowers ungewiss. Kaleck lehnt eine Anhörung Snowdens im Moskauer Asyl derzeit ab.
SPD-Obmann Christian Flisek sagte der taz, er hoffe dennoch auf ein persönliches Gespräch der Obleute mit Snowden noch vor der Sommerpause. Der NSA-Ausschuss hatte vor eineinhalb Wochen beschlossen, Snowden als Zeugen anzuhören. Wo, bleibt strittig: Die Opposition will dies in Berlin tun, die Union nur per Video, allenfalls während einer Ausschussreise nach Moskau.
Der Ausschuss fragte deshalb Kaleck an: Der solle erklären, welche Optionen er sehe. Kaleck spielt den Ball nun zurück. In seiner vierseitigen Stellungnahme, die der taz vorliegt, schreibt der Anwalt, er werde Snowden „abraten müssen, unter den derzeitigen aufenthaltsrechtlichen Bedingungen und Unsicherheiten sich in einer Weise von Moskau aus zu äußern, die seine Situation verschlechtert“.
Kaleck verweist darauf, dass Snowden in Russland nur geduldet werde, solange er „die amerikanischen Partner nicht angreift oder gegen sie arbeitet“. Auch für eine Befragung in Deutschland stellt Kaleck Bedingungen: Diese bedürften einer „Zusicherung sicheren Geleites“. Der Ausschuss solle daher klären, ob dies von der Regierung bewilligt werde.
„Bundesregierung muss Amtshilfe leisten“
Die Opposition pocht nun auf eine Befragung im Bundestag. Die Ausführungen Kalecks zeigten „einmal mehr“, sagte Grünen-Obmann Konstantin von Notz, dass Snowden in Berlin angehört werden müsse. „Die Bundesregierung muss dazu Amtshilfe leisten, statt die Aufklärung des Parlaments durch vorgeschobene Argumentationen weiter zu behindern. Wer Snowden in Moskau befragen will, möchte eben nicht aufklären.“
SPD-Obmann Flisek bezeichnete das Schreiben dagegen als „keine abschließende Stellungnahme“. Man sei weiter im „intensiven Gespräch“ mit Kaleck. Bereits letzten Mittwoch hatten sich die Obleute vertraulich mit dem Anwalt getroffen. SPD und Union kündigten an, die aufgeworfenen Fragen Kalecks durch die Regierung prüfen zu lassen.
Die Union scheint Snowden als Zeugen indes bereits abzuschreiben. Er habe den Eindruck, sagte deren Obmann Roderich Kiesewetter, Snowden werde „nichts unternehmen, was ein mögliches Leben in Freiheit in seiner Heimat USA weiter einschränkt“: „Er wird also weder in Russland noch in Deutschland umfassend aussagen.“ Um dies festzustellen, so Kiesewetter, müsse Snowden dennoch „baldmöglichst“ aufgesucht und angehört werden.
Der Snowden-Streit dürfte die Sitzung des NSA-Ausschusses am Donnerstag prägen. Misstöne gibt es auch um die USA-Reise, die Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag antrat. Er wird dort einen „Cyber-Dialog“ anstoßen, große Kritik an der NSA-Affäre aber wohl aussparen. Für SPD-Mann Flisek ein Unding: de Maizière werde an „deutlichen Worten zu der massenhaften anlasslosen Kommunikationsüberwachung nicht vorbeikommen“. Anderes lasse sich „in Deutschland niemandem vermitteln“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl