NSA-Untersuchungsausschuss: Daten von Hand sortiert
Der BND leitete keine deutschen Kommunikationsdaten weiter, versichert ein Geheimdienstler im Bundestag. Nicht alle glauben das.
BERLIN taz | Es ist eine der zentralen Fragen des NSA-Skandals: Hat der Bundesnachrichtendienst im Rahmen seiner Kooperation mit US-Geheimdiensten verfassungswidrig auch deutsche Kommunikationsdaten an die Amerikaner weitergeleitet? Nein, versicherte ein BND-Topbeamter am Donnerstag im Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Seines Wissens habe nichts den zentralen Knotenpunkt der deutsch-amerikanischen Geheimdienstzusammenarbeit in Bad Aibling verlassen, was deutschem Recht widersprach. „Die Filterung funktionierte zuverlässig“, versicherte der Zeuge mit dem anonymisierten Kürzel T.B., der zwischen 2003 und 2008 die Zusammenarbeit mit der NSA in Bad Aibling mit aufbaute und leitete. Es sei aus Bad Aibling „kein einziges Datum“ deutscher Bürger an die NSA weitergereicht worden.
Allerdings räumte der Topbeamte ein, diese Filterung sei „eines der schwierigsten Probleme“ für den BND dort gewesen. Die BND-Juristen hätten eine 100-prozentige Filtersicherheit verlangt, die sei über automatisierte, technische Filter aber nicht möglich. Gerade der E-Mail-Verkehr lasse sich schwer filtern. Deshalb habe der BND die Daten auch nicht automatisiert weitergeleitet, sondern vor der Weitergabe an die Amerikaner auch noch einzeln, per Hand nachkontrolliert.
Vertreter der Opposition im Bundestag äußerten in der Befragung massive Zweifel an der Darstellung des BND-Beamten: „Das ist eine steile These angesichts der Aktenlage, die wir haben“, sagte der Grünen-Obmann Konstantin von Notz. Er warf dem BND-Mitarbeiter vor, sich bewusst „massiv irreführend“ zu äußern und „Nebel“ zu verbreiten.
Widersrpüchliche Aussagen
Auch der Grünen-Geheimdienst-Experte Hans-Christian Ströbele zeigte sich skeptisch und warnte den BND-Mann, er drohe der Lüge überführt zu werden: „Vorsicht, wir haben die Akten.“ An einer Stelle äußerte sich der BND-Beamte widersprüchlich und deutete an, dass es in Teilbereichen doch eine automatische Datenweiterleitung gegeben habe.
Die BND-Filiale in Bad Aibling, einem Städtchen im oberbayerischen Voralpenland, gilt als zentrale Stelle in der deutsch-amerikanischen Geheimdienstzusammenarbeit. Der Zeuge T.B., ein studierter Informatiker, leitete etwa vier Jahre lang eine mit BND- und NSA-Personal ausgestattete gemeinsame Späheinheit in Bad Aibling.
Nach Berichten der Süddeutschen Zeitung sollen im Rahmen einer „Operation Eikonal“ zwischen 2004 und 2008 massenhaft Rohdaten von einem zentralen Internet-Knotenpunkt in Frankfurt abgeschöpft und an die NSA weitergeleitet worden sein. Trotz eines vom BND konstruierten Filterprogramms seien mindestens fünf Prozent der deutschen Kommunikationsdaten nicht korrekt aussortiert worden.
Filter für NSA zu gründlich
Der BND-Mann bezeichnete die Presseberichte über die „Operation Eikonal“ als „schön zu lesen“, sie hätten aber „mehrere Fehler“ enthalten. Die in der Presse genannte Zahl von 95-prozentiger Filtersicherheit habe sich nur auf die Entwicklungsphase bezogen, vor der Inbetriebnahme sei die Filterung bis auf eine Filtersicherheit von mehr als 99 Prozent verbessert und dann durch den zusätzlichen „menschlichen Filter“ noch ergänzt worden.
Über die Gründe für das Ende der „Operation Eikonal“ gehen unter den Mitgliedern des NSA-Untersuchungsausschusses die Meinungen auseinander: Beendete der BND das Projekt, weil es ihm zu brisant erschien, oder verlor die NSA das Interesse, weil der deutsche Nachrichtendienst zu penibel filterte? Der BND-Topbeamte wollte sich in dieser Frage am Donnerstag nicht festlegen, berichtete aber über die Unzufriedenheit der amerikanischen Seite.
Die Partner hätten sich beklagt, durch die starke Filterung komme „zu wenig dabei raus“, der Aufwand stehe in keinem Verhältnis zum Nutzen. Der BND habe aber wegen der deutschen Rechtslage auf der aufwändigen Praxis bestanden. Im Laufe der mehr als fünfstündigen Befragung im Bundestag verweigerte der BND-Mann mehrfach die Antwort und verwies auf den nicht-öffentlichen Teil der Befragung – so auch bei der spannenden Frage, ob nach der heiklen „Operation Eikonal“ noch weitere Abschöpfungen über Glasfaserkabel folgten.