NSA-Ausschuss in Berlin: GroKo zickt, Ströbele frohlockt
Union und SPD blockieren vorerst eine Einladung Edward Snowdens nach Berlin. Die Grünen sehen das anders und zitieren das Gesetz.
BERLIN taz | Hans-Christian Ströbele reckt am Morgen eine Gesetzessammlung in die Kameras. Die Sache sei klar, sagt er. Er blättert in den Seiten, zitiert Paragrafen: In einem Untersuchungsausschuss seien Zeugen vor ebenjenem Ausschuss zu befragen. „Wo denn auch sonst?“
So klar scheint die Rechtslage nicht allen zu sein. Am Donnerstag machte der NSA-Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag dennoch einen bedeutenden Schritt: Er beschloss, den NSA-Whistleblower Edward Snowden vorzuladen – einstimmig.
Dann aber war die Einigkeit dahin. Denn in dem von Grünen und Linkspartei eingebrachten Antrag hieß es auch: Es werde „gebeten“, Snowden im Bundestag anzuhören. Das aber lehnt die Union strikt ab. Die Koalition griff zu einem Kniff: Per Geschäftsordnungsantrag trennte sie die Passage vom Antrag ab. In Verfahrensfragen kann sie dafür ihre Mehrheiten nutzen und die Minderheitenrechte übergehen. Und eine solche Verfahrensfrage, sagte SPD-Obmann Christian Flisek, sei die Art der Snowden-Befragung.
Grüne und Linke schimpften vergebens über „das Tricksen und Gezerre“. In einem eigenen Beschluss beschlossen Union und SPD, Snowden bis zum 3. Juli erstmalig zu vernehmen. Dafür spielen sie den Ball Snowdens deutschem Anwalt Wolfgang Kaleck zu. Bis zum 20. Mai soll dieser erklären, wo und wie er eine Befragung für möglich hält.
Hier allerdings ist sich selbst die Koalition nicht einig. Für SPD-Obmann Flisek ist keine Option ausgeschlossen. Sein CDU-Pendant Roderich Kiesewetter schloss dagegen eine Befragung in Berlin aus: Möglich sei eine Vernehmung per Video oder ein Besuch in Moskau. Der Grünen-Obmann Konstantin von Notz nannte dies in Zeiten der Ukrainekrise „eine bizarre Vorstellung“. Die Linken-Obfrau Martina Renner kündigte eine Klage an, sollte es bei der Berlin-Sperre Snowdens bleiben.
„Frei und umfassend“ berichten
Die Koalition dagegen lobte ihren Beschluss. Die Ladung Snowdens sei ein „sehr, sehr gutes Signal“, frohlockte SPD-Mann Flisek. Noch kommende Woche werde man Kaleck treffen. Der Anwalt hatte bereits am 11. April den Ausschuss angeschrieben. Snowden knüpfe „an seine Aussagebereitschaft keine Bedingungen“, schrieb Kaleck damals. Wohl aber hänge es von den Umständen der Befragung ab, wie „detailreich“ sich dieser äußern könne. Laut von Notz darf Snowden aufgrund seines Asylstatus in Moskau keine Aussagen machen, die Staatsgeheimnisse Russlands oder der USA beträfen. „Frei und umfassend“ könne er nur in Deutschland aussagen.
CDU-Mann Kiesewetter appellierte, den Ausschuss „nicht zum Snowden-Ausschuss zu machen“. Schließlich seien inzwischen rund 100 weitere Zeugen geladen. Zu denen gehören Kanzlerin Angela Merkel und ihr Vorgänger Gerhard Schröder. Dazu kommen der Snowden-Vertraute Glenn Greenwald, der NSA-Aussteiger William Binney sowie die Chefs der deutschen Nachrichtendienste.
Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sagte am Donnerstag auf einer Tagung in Berlin, er werde „hochkooperativ“ mit dem Ausschuss zusammenarbeiten. Unterlagen aus dem „Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung“ seien davon aber ausgenommen. Auch für Infos über die NSA sei sein Amt die falsche Quelle. Im Bundestag lief Hans-Christian Ströbele wenig später lächelnd aus dem Ausschuss. Im Herbst hatte er Snowden in Moskau besucht, seitdem für dessen Einladung nach Deutschland gekämpft. Die Tür dazu stehe seit heute „halb offen“, frohlockt er. „Mindestens.“
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