NPD-Funktionär hatte Kontakt zu NSU-Zelle: Fahren ja, helfen nicht
Der NPD-Vizechef Frank Schwerdt hat zugegeben, mit Mitgliedern und Helfern der NSU-Zelle Kontakt gehabt zu haben. Geholfen habe er der Terrorzelle aber nicht.
BERLIN taz | Vor drei Wochen wollte es Frank Schwerdt noch nicht so genau wissen. Ja, er habe die späteren Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe Ende der 90er Jahre „mal in und um Jena gesehen“, sagte der NPD-Bundesvize und Thüringer Landeschef der taz. Ja, man habe auch gesprochen. „Über Aktivitäten, was so gerade in der Szene passiert.“
Offenbar war das aber noch nicht alles. Gegenüber der ARD räumte Schwerdt nun ein, dass zumindest ein Mal Mundlos auch als Fahrer für ihn arbeitete. Auf erneute Nachfrage der taz konkretisierte Schwerdt am Dienstag, er habe wegen eines Zeitungsprojekts Anfang 1997 im Jenaer Kameradschaftsmilieu angefragt, ob ihn jemand fahren könne, daraufhin sei Mundlos mit dem Auto aufgetaucht.
Auf einem Foto vom 17. Januar 1998 ist Schwerdt zudem mit Beate Zschäpe auf einer Demonstration in Erfurt zu sehen - wenige Tage vor deren Untertauchen. Im selben Monat stieg Schwerdt in den NPD-Bundesvorstand auf. Es ist ein weiterer Beleg für die Nähe der Partei zu dem Neonazi-Trio. Auch der heutige NPD-Bundesvorsitzende Holger Apfel hatte in den 90ern mit Zschäpe und Mundlos demonstriert.
Die beiden waren 1998 zusammen mit Böhnhardt abgetaucht. Bis 2007 sollen sie insgesamt zehn Menschen ermordet haben. Zudem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln mit zahlreichen Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. Erst im November 2011 war öffentlich bekannt geworden, dass das Trio als Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) agiert hatte.
Schwerdt gilt als ein NPD-Vertreter, der selbst bieder auftritt, aber die Partei bewusst zu den sogenannten „freien Kräften“ öffnete, sprich: zu den militanten Kameradschaften. Eingeräumt hatte er bisher, dass kurz nach dem Untertauchen des Trios deren Vertrauter, der Jenaer Kameradschaftskader André K., ihn in seiner Berliner Wohnung besucht und nach „Unterschlupfadressen“ gefragt habe. Er habe André K. aber weder helfen können noch wollen, sagte der 67-Jährige vor drei Wochen der taz.
Nach deren Untertauchen habe er keinen Kontakt mehr zu Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe gehabt. Auch habe er „nie etwas von einer NSU“ gehört. Von der Terrorzelle vermag sich Schwerdt dennoch nicht so recht distanzieren. Er habe „einige Zweifel“, sagt der NPD-Mann, ob die drei „alles so gemacht haben, wie ihnen vorgeworfen wird“.
Auch über den mutmaßlichen Terrorhelfer Ralf Wohlleben, der daran beteiligt gewesen sein soll, dem Trio Waffen zu verschaffen, will Schwerdt nichts Böses sagen. Kein Wunder: War Wohlleben doch einige Zeit Thüringer NPD-Landesvize unter Schwerdt. Man müsse erst mal abwarten, was bei den Ermittlungen gegen Wohlleben herauskomme, sagt Schwerdt. „Politisch kann ich ihm im Rückblick ein gutes Zeugnis ausstellen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?