NGO-Gründer über Vielfalt: „Der Gegenentwurf zu Pegida“
Wie lassen sich Vielfalt, gleichberechtigte Teilhabe und Integration fördern? Die Initiative DeutschPlus schlägt vor, all das als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.
taz: Herr Dilmaghani, am Wochenende haben sich postmigrantische „Neue Deutsche Organisationen“ in Berlin zu einem Kongress getroffen. Was war das Ergebnis?
Farhad Dilmaghani: Man konnte spüren, dass hier eine neue soziale Bewegung entsteht. Wir würden begrüßen, wenn sich daraus eine demokratisch legitimierte Interessenvertretung gründen würde, die diese vielfältigen Stimmen bündelt. Das ist dringend notwendig angesichts des sich ausbreitenden nationalistischen Klimas. Als DeutschPlus haben wir uns sehr gefreut, dass unsere Forderung nach einer Grundgesetzänderung auf breite Resonanz gestoßen ist.
Was ist DeutschPlus?
Wir sind eine NGO, die sich für die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft einsetzt: der Gegenentwurf zu Pegida & Co. Wir haben lange über unseren Namen diskutiert. Denn wir sind einerseits alle Deutsche, aber daneben haben wir eben auch andere Eigenschaften wie Familienmensch oder Handwerker. Bei uns machen Leute mit und ohne Migrationshintergrund mit, auch im Vorstand finden Sie beides. Der harte Kern besteht aus 20 Aktivisten, dazu kommen 350 Fördermitglieder, und über die sozialen Netzwerke erreichen wir 4.500 Menschen, die sich an Diskussionen und Aktionen beteiligen.
Was ist das Ziel? Ist das mehr als ein Karrierenetzwerk?
Wir wollen unsere Kompetenzen bündeln, um jüngere Leute zu fördern und konkrete Projekte umzusetzen. Mit der Reihe „School Talks“ bringen wir Berufsvorbilder an sogenannte Brennpunktschulen, mit dem Auswärtigen Amt arbeiten wir daran, dass deren Nachwuchs diverser wird, und mit dem Bundesfamilienministerium haben wir ein Projekt entwickelt, dass der Radikalisierung vorbeugen soll, in dem man die Zugehörigkeit junger Leute zu diesem Land stärkt.
Der 44-Jährige ist Gründer von DeutschPlus. Zuvor war er Staatssekretär für Arbeit und Integration bei Sozialsenatorin Dilek Kolat (SPD) in Berlin.
Sie fordern, „Vielfalt, gleichberechtigte Teilhabe und Integration“ als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Ist das eine Reaktion auf den Ruf nach einer „Leitkultur“?
Wir lehnen den Begriff „Leitkultur“ ab, weil er für das Gegenteil von Pluralismus steht. Und Leute wie Björn Höcke von der AfD sprechen uns ja sogar unsere deutsche Identität ab, wenn sie eine völkische Definition von Staatsvolk vertreten. Auch deshalb brauchen wir ein Bekenntnis dazu, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft sind, die wir gemeinsam gestalten wollen. Bei uns gibt es einen höheren Anteil an Menschen, die im Ausland geboren wurden, als in den USA oder Großbritannien mit seinen vielen ehemaligen Kolonien.
Was bringt es, Vielfalt als Staatsziel zu verankern?
In Deutschland haben wir diese spezifische Verfassungstradition. Staatliche Organe - Legislative, Judikative und Exekutive – werden dadurch verpflichtet, diese Staatsziele zu verfolgen. Das wäre ein deutscher Weg, um die Vielfalt zu stärken.
In der SPD gibt es die Idee, den Rassebegriff aus dem Grundgesetz zu streichen, um damit eine Debatte über Rassismus anzustoßen. Wie verträgt sich das mit Ihren Plänen?
Dass sich der Begriff „Rasse“ immer noch im Grundgesetz findet, ist extrem irritierend. Die Forderung kann ich nachvollziehen. Aber um Rassismus und Ausgrenzung zu bekämpfen finde ich es wichtiger, die Antidiskriminierungsgesetze zu stärken und das Problem an konkreten Beispielen festzumachen – daran, dass Menschen mit Migrationshintergrund bei gleicher Qualifikation rund 20 Prozent weniger verdienen und sie schwerer an eine Wohnung oder einen Ausbildungsplatz kommen, dass ihre soziale Mobilität eingeschränkt ist und dass die Hochschulabsolventen unter ihnen laut OECD sogar am stärksten diskriminiert werden.
Droht sich die Lage durch den Aufstieg von Pegida & Co nicht zu verschärfen?
Deshalb fordern wir einen Rechtsextremismusgipfel. Denn dieser Extremismus ist nicht nur ein Problem der Inneren Sicherheit, sondern vergiftet den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland. Der braune Terrorismus breitet sich aus und bedroht uns alle. Wenn die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder so einen Gipfel einberufen und konkrete Maßnahmen in der Breite beschließen würden, hätte das sicher eine nachhaltigere Wirkung, als das bisher der Fall war.
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