Mutmaßlicher Straßburg-Angreifer: Ein alter Bekannter
Der mutmaßliche Angreifer von Straßburg stand auch in Deutschland schon vor Gericht. Nun wird hier auch nach ihm gefahndet.
Laut Justizunterlagen aus Deutschland wuchs Cherif C. mit sechs Geschwistern in Straßburg auf. Seine Eltern sollen aus Algerien stammen. Mit 16 Jahren verließ C. die Schule mit einem Hauptschulabschluss und arbeitete dann für die Gemeinde. 2011 wurde C. arbeitslos und ging dann nach eigener Auskunft viel auf Reisen.
Schon drei Jahre zuvor, 2008, war er wegen eines Einbruchs in Frankreich verurteilt worden. 2013 stand er wegen des gleichen Delikts auch in der Schweiz vor Gericht. Mehr als drei Jahre saß er insgesamt dafür in beiden Ländern in Haft.
Im Januar 2016 nahmen ihn schließlich deutsche Polizisten fest. Cherif C. war zuvor in eine Apotheke in Egen (NRW) eingebrochen und hatte dort Geldkassetten mit 315 Euro gestohlen. Ermittelt wurde, dass der Franzose bereits im Februar 2012 auch in eine Zahnarztpraxis in Mainz eingebrochen war. Dort hatte er den Schließzylinder der Haustür herausgerissen und einen Tresor geklaut. Darin befanden sich 1.467 Euro Bargeld, Briefmarken im Wert von 192 Euro und Zahngold für 6.572 Euro.
2016 wurde Cherif C. für beide Taten vom Amtsgericht Singen (Baden-Württemberg) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Er hatte die Taten gestanden. In Haft saß er in der Justizvollzugsanstalt Konstanz und in Freiburg. Nachdem er im Februar 2017 aus der Haft entlassen worden war, wurde C. wieder nach Frankreich abgeschoben – laut Innenministerium Baden-Württemberg mit einem 10-jährigen Aufenthalts- und Wiedereinreiseverbot.
Islamistische Gesinnung? Nicht bekannt
Eine islamistische Gesinnung C.s sei hierzulande nicht bekannt gewesen, behaupten deutsche Sicherheitsbehörden. Im „Nachrichtendienstlichen Informationssystem“ (Nadis) der Verfassungsschutzbehörden taucht C. nicht auf. Bekannt sei er nur wegen der Einbrüche gewesen, heißt es. Hier ist indes Vorsicht geboten: Denn möglich ist auch, dass Cherif C. mit verschiedenen Alias unterwegs war.
Frankreich führte Cherif C. dagegen auf der sogenannten Fiche-S-Liste, sowohl im Zusammenhang mit Allgemeinkriminalität als auch mit Islamismus. Auch sein Bruder Sami, 34 Jahre, taucht dort auf. Cherif C. soll sich bereits vor Jahren bei einem Haftaufenthalt in Frankreich radikalisiert haben, heißt es in Sicherheitskreisen. Dann aber stellt sich die Frage, warum deutsche Behörden seine Gesinnung nicht bekannt war.
Auf der „Fiche S“-Liste werden Verdächtige aufgeführt, die als Gefahr für die staatliche Sicherheit eingestuft werden. Vergleicht man sie mit der Gefährderliste, die das Bundeskriminalamt für Deutschland erstellt, gilt „Fiche S“ als deutlich breiter. Das heißt: Die Kriterien sind weniger streng, die Zahl der Gelisteten ist weit höher.
Am Dienstagmorgen sollte Cherif C. von französischen Polizisten verhaftet werden. Es ging unter anderem um den Verdacht des Totschlags. Der 29-Jährige hatte sich zu diesem Zeitpunkt aber bereits abgesetzt. In seiner Wohnung sollen Granaten gefunden worden sein. Nach der Tat wurden nun inzwischen fünf Personen festgenommen, erklärte der französische Innenstaatssekretär Laurent Nunez. Cherif C. sei nicht darunter.
Auch in Deutschland wird nach C. gefahndet
Nun wird nicht nur in Frankreich auf Hochtouren nach dem 29-Jährigen gefahndet. Auch Deutschland ordnete Kontrollen an der Grenze zu Frankreich an. Nach taz-Informationen sind auch Fahnder in Deutschland im Einsatz, die untersuchen, ob sich Cherif C. über die Grenze abgesetzt haben könnte.
Ein Wohnsitz von C. hierzulande ist den Sicherheitsbehörden indes nicht bekannt. Gefahndet wird auch nach seinem Bruder Sami. Man fahnde „mit verstärkten Kräften“ in der Grenzregion, teilte die Bundespolizei mit. Die Maßnahmen fänden in enger Abstimmung mit den französischen Kollegen statt.
Bis Cherif C. gefasst ist, muss wohl auch noch gerätselt werden, aus welchem Motiv heraus er tatsächlich handelte. War es eine islamistische Tat? Die französische Staatsanwaltschaft teilte mit, der Täter von Straßburg habe laut Zeugen „Allahu Akbar“ gerufen.
Oder war der Festnahmeversuch am Dienstagmorgen der Auslöser der Taten? Ein Bekennerschreiben fanden die Fahnder bisher jedenfalls nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos