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Mutmaßliche Polizeigewalt in EssenVerprügelt, beleidigt, angeklagt

Ein Schwarzer wird mit einem Freund von Polizisten getreten, geschlagen – und vor Gericht gezerrt. Nun wurden die beiden Männer freigesprochen.

Sollte eigentlich nicht im Gewaltexzess enden: eine Polizeikontrolle, hier in Berlin Foto: Florian Gaertner/photothek.net/imago

Essen taz | Es ist ein drastischer Satz. „Die Gewalt der Polizei erinnert an Verhältnisse in den USA. Das darf sich unser Rechtsstaat nicht bieten lassen“, sagte die Richterin des Amtsgerichts Essen am Ende in ihrer Urteilsbegründung. Sie sprach die Angeklagten Mathis C.* und Dennis K. frei, die angeklagt waren, weil sie Widerstand gegen Beamte geleistet haben sollen – Widerstand gegen jene Beamten, die von der Richterin später mit so drastischen Worten belegt wurden. Was war passiert?

Im Dezember 2019 geriet der Schwarze Bundeswehrsoldat Mathis C. zusammen mit seinem Freund Dennis K. in Essen in eine Verkehrskontrolle der Polizei. Statt sich vorzustellen und die Maßnahme zu erklären, soll der Polizist Gerrit H. dabei zu den insgesamt drei Fahrzeuginsassen gesagt haben: „Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin?“. Polizist H. sagte selbst dazu: „An den Wortlaut kann ich nicht mehr genau erinnern“.

Was dann geschah, ist auf einer Tonaufnahme vom Vorfall zu hören, von der nicht ganz klar ist, wie sie zustande kam. Darauf ist zu hören, wie sich Mathis C. lautstark beschwert: „Nur weil der gefilmt hat, treten sie auf den ein. Gehören Sie einer Straßengang an oder was?“ C. musste zu diese Zeitpunkt mitansehen, wie die Polizisten seinen Freund Dennis K. am Boden traten.

Dieser hatte zuvor versucht, das Verhalten der Polizisten während der Kontrolle zu filmen. Der Dienststellenleiter soll ihm das Smartphone aus der Hand geschlagen und anschließend K. zu Boden gebracht haben.

„Hoffentlich brennen dir die Augen aus“

Der Zeitsoldat C. war „erkennbar in Sorge“, weil auf Dennis K. eingetreten wurde, stellte die Richterin im Gerichtssaal fest. Auf der Tonaufnahme ist zu hören, wie der Polizist Gerrit H. nun C. zuruft: „Geh weg“. Mathis C. lief vor Aufregung auf und ab. Der Polizist habe seinen Schlagstock gezogen, sagte eben jener selbst aus, doch C. habe sich unbeeindruckt gezeigt und provoziert. Dann soll der Polizist sein Pfefferspray gezogen haben. Auf der Tonaufnahme ist davon nichts zu hören.

Zu diesem Zeitpunkt kam eine weitere Beamtin dazu: „Beruhigen Sie sich mal“, ist sie an C. gewandt auf der Aufnahme zu hören. Aus Sicht der Polizisten soll Mathis C. darauf nicht reagiert haben. Die Tonaufnahme zeigt indes: C. wurde ruhig, ärgerte sich nur noch leise – „weil der filmt, ey“, murmelte er. Er lehnte sich an das Auto, mit den Händen in der Jackentasche, so beschrieben es die Beamten und C. selbst.

Die Polizei forderte in dieser Situation Verstärkung an: Der Beamte Mirko W. kam hinzu. Er und Polizist H. wollen den Angeklagten C. anschließend dreimal aufgefordert haben, die Hände aus der Tasche zu nehmen. Auf Frage der Richterin verneinen die beiden Beamten im Gerichtssaal, dass C. dem nachgekommen sei. Auf der Tonaufnahme ist indes zu hören, wie es nur zwei Sekunden von einer Aufforderung bis zu einem Rumpeln und schmerzhaften Lauten von C. dauert. Er hatte also keine Zeit, der Aufforderung überhaupt nachzukommen. Die Richterin bezichtigt die beiden Beamten deshalb im Gerichtssaal der Falschaussage.

Was auf der Tonaufnahme noch zu hören ist: Ein Beamter ruft: „Die scheiß Hände auf den Rücken, sonst breche ich dir den Arm, du Wichser.“ Und: „Hoffentlich brennen dir die Augen aus“, nach dem sich C. am Boden über Pfefferspray im Auge beschwerte. Polizeigewalt aus rassistischer Motivation? Der Freigesprochene C. kommentierte gegenüber der taz: „Schließe ich nicht aus“.

Weitere Anschuldigungen gegen die Polizei Essen

Ob die Staatsanwaltschaft nun Berufung gegen den Freispruch einlegt, ist unklar. Sie hatte sechs Monate auf Bewährung für die Angeklagten gefordert. Christian Hemmer, Anwalt von Mathis C., empört das: „Die Straftaten wurden von den Beamten begangen und nicht von den Angeklagten“, sagte er der taz. Die separaten Ermittlungen gegen die Polizisten wegen Körperverletzung im Amt laufen noch.

Mirko W., Matthias K. und ein weiterer am Einsatz beteiligter Beamter wurden nach Recherchen der taz in einem weiteren Fall von mutmaßlich rassistischer Polizeigewalt angezeigt. Loveth A., eine 50-jährige Schwarze Frau aus Mülheim, ging im März 2020 mit ihren Kindern in die Polizeiwache Essen Mitte. Sie wollte Anzeige erstatten, weil ihr das Portemonnaie gestohlen wurde.

A. schilderte, dass die erste Frage der Polizei war: „Wurden Sie beklaut oder haben Sie geklaut?“. Später sei die Situation eskaliert: Bis zu 15 Polizist:innen hätten sich auf sie und ihre Kinder gestürzt und sie verletzt. Die Polizei bestätigte eine Auseinandersetzung, begründete die Gewalt aber mit „Widerstandshandlungen“. Den Vorwurf des Rassismus wies die Polizei zurück.

*Name geändert

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12 Kommentare

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  • Die NRW-Region Essen/ Mülheim a. d. Ruhr schickt sich an ein neuer Hotspot für Polizeiskandale (mehrere Medien berichteten) zu werden.



    Was sagt Innenminister Herbert Reul dazu und was tut er dagegen?



    www.fr.de/panorama...m-zr-13736817.html

  • Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - klärt auf -

    “ Die Lage - für DERJ -

    für DERJ: "...dass Sie nicht in der Lage sind, Ihren Beitrag in einem sinnvollen, ordentlichen Aufbau zu verfassen. "







    Da stellt sich jetzt die eine Frage:



    Ist er gar nicht in der Lage



    oder lässt er es nur sein?



    Ich werfe dazu mal was ein,



    damit Sie sich nicht weiter plagen.







    Leser fordert er durch Fragen,



    die er ohne Antwort lässt.



    Sein Publikum liebt diesen Test -



    und manchen gibt er so den Rest.







    (Hab selber auch nur Mittlere Reife



    und dass ich oft zu Wiki greife



    hält meinen alten Kopf auf Trab.



    Wenn`s mir zuviel wird, schalt ich ab.)“

    No comment - 🤫 -

  • Verstehe ich Sie in Ihrem Beitrag richtig? Sie behaupten Richter bei einem Verwaltungsgericht zu sein, der in solchen Fällen zuständig ist oder waren es in der Vergangenheit!? Sie beschreiben dann Ihre Erfahrungen, mit der mutmaßlich mehrheitlichen Scheißegal-Haltung von Polizist*innen Ihnen gegenüber, Ihren Anmerkungen zum Fall und Ihren Urteilen gegen diese. Habe ich Ihre Zeilen richtig verstanden?

    Wenn ja, dann erstaunt es mich, dass Sie nicht in der Lage sind, Ihren Beitrag in einem sinnvollen, ordentlichen Aufbau zu verfassen. Das sind nur Äußerungen im SMS-Stil! Zudem vergessen sie mal ein Wort im Satzbau "Insbesondere Polizisten zeigen (sich) gegenüber...", benutzen einen Begriff unübersehbar in einer falschen Form "Vorhalten (Vorhaltungen)" und sind nicht in der Lage, Sätze durch Kommas einzuteilen!

    Ich mache auch Fehler, habe aber nur eine schlechte Mittlere Reife geschafft! Bei diesem gebündelten Unvermögen einen Text zu verfassen, frage ich mich natürlich, ob man bei einer Laufbahn als Richter keine Sprachfertigkeiten mitbringen muss? Mein Bauchgefühl sagt mir - sie sind kein Richter! Das wiederum stellt jede Behauptung von Ihnen in Frage! Es gibt im Netz leider viel zu viele Menschen, die sich als Experten, von was auch immer, ausgeben! Prüfen kann man das oft nicht. Leider gibt es auch unkritische Leser, die deren Behauptungen ernst nehmen und im schlimmsten Fall weiter erzählen. Märchenerzähler verbreiten unnötiges, böses Gift!

    Dabei ist es auch so völlig inakzeptabel, was Migranten und Deutsche mit "nichtdeutschem" Aussehen, durch Polizist*innen hier und da erleben - grundlose Kontrollen, eine abschätzige bis beleidigende Grundhaltung oder gar das haltlose Einsetzten von Gewalt! Dass Beamt*innen bei grundlosen Gewalttaten ihre Opfer anzeigen und zu den Schuldigen machen, um ihr hässliches Handeln zu rechtfertigen und vmtl. rassistische Motive zu vertuschen, ist nicht zu tolerieren! So geht man nicht mit Menschen um, die gehören suspendiert!!!

    • @DerJ:

      Ja - wir brauchen sojet Retter des Abendlandes. Schön - daß Sie da sind.

      unterm—btw deformation professionell



      “Von einem Vorhalt spricht man, wenn einem Angeklagten oder Zeugen zur Auffrischung seines Gedächtnisses Teile aus einem früheren Geständnis vorgelesen werden. Dabei ist zwischen dem einfachen Vorhalt und dem Vorhalt des § 253 StPO zu unterscheiden.“



      Will ja nicht lügen. Normal. But!



      Sorry - Hab mal frech nen Plural gebildet - wa! Herr Oberlehrer - 🥳 -

      • @Lowandorder:

        Sorry - I forgot Ihr Bauchgefühl! Gelle.

        Sie haben völlig recht - das trügt nicht!



        Mit *45 bin ich alllang trabendes Rentier



        Aber 30Jährchen hab ich mal einen von den “hochdotierten Staatsschauspielern‘



        Gegeben. (Eigenzitat WDR in den 90ern)



        & Kommatata -



        “Sie setzen Ihre Kommas - wie Heinrich von Kleist!“ - mein erster Vorsitzender.



        (Der Ausländer (damals Spanier Italiener Griechen usw) für Untermenschen hielt).



        Hab dem Kommißkopp ne Seite Kommata geschenkt - zbV - 😈.



        (& btw - unlängst eine Karlsruher Primadonna entre nous: “Kaum zu glauben. Aber da gibts Mitarbeiter beim BAMF - die halten Akten zurück. Wenn sie befürchten müssen. Daß sie in dessen Dezernat landen. Der hat nur noch zwei Jahre!“)

        kurz - Mit unserem Ohl gesprochen:



        “All lögenhaft to vertelln. Ever wenn juch dat nich chlöft - dann lüch ik juch nix wedder vör!“



        Dessen erste Fremdsprache war Hochdeutsch! - 😂 - sprach aber fließend spanisch & englisch & Las es als alter Herr alles gern - wie gr./lat. - too.

        Soweit mal

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Einerseits bin ich dafür, dass Polizisten eine Ausbildung mit dem Schwierigkeitsgrad einer Pilotenausbildung bekommen.



    Andrerseits wären dann die ganzen Sheriffs nurmehr als hundsgewöhnliche Kneipenschläger unterwegs - dann mit Schlagring statt mit Quarzhandschuhen.

  • 0G
    01022 (Profil gelöscht)

    Einerseits bin ich dafür, dass Polizisten eine Ausbildung mit dem Schwierigkeitsgrad einer Pilotenausbildung bekommen.



    Andrerseits wären dann die ganzen Sheriffs nurmehr als hundsgewöhnliche Kneipenschläger unterwegs - dann mit Schlagring statt mit Quarzhandschuhen.

  • Wie schön das hier die Beweise erstens vorhanden waren und ein(e) Richter(in) diese auch genutzt hat. Ob die Staatsanwaltschaft Berufung einlegt ? Na aber sicher.

  • Bitter. Aber sicher alles nur Einzelfälle!



    Chapeau für die Richterin.

    unterm——- btw but not only—



    Als langjährig für Öffentliches Dienstrecht zuständiger VerwRichter.



    Muß ich leider anmerken: Insbesondere Polizisten zeigen gegenüber Vorhalten & richterlichen Hinweisen Beschlüssen & Urteilen durchweg unbeeindruckt!



    & werden dank der innerdienstlichen Macht der Polizeigewerkschaften!



    Trotz schwerer dienstlicher Verfehlungen - wg der sog. “Paketlösungen“ - regelmäßig befördert!

    Na Mahlzeit

    • @Lowandorder:

      Ist mit "Paketlösung" gemeint das P.-beamte mit bestimmten Dienstjahren (Wartezeiten) und / oder in bestimmten Arbeits- bereichen automatisch befördert werden ? Wofür gibts dann eigentlich Personalakten ?

      • @Waldo:

        Ok ok - dann aus dem Skat -

        Weiland - Westfälisch Sibirien short cut



        (Daß der werte am Vortag die drei Richter vor Ort in Schlappen Plautze & Schlabbershirt “in Augenschein genommen“ - nunja)



        But nach der Sitzung:



        “Jetzt mal unter uns Pastorentöchtern.



        Die Diszi-Akte ist handbreit dick. Er darf schon keine Dienstwaffe mehr tragen!



        Wird aber regelmäßig befördert! Wie geht denn sowas?!!“ Kollege Vors. -



        Betretenes Schweigen - öh ja - also:



        “Das liegt an der Paketlösung?!“ ??!!???



        “Naja - Der Personalrat präsentiert einen intern abgeklärten Beförderungsvorschlag!



        Und das Paket macht die Verwaltung dann nicht mehr auf!“



        Kopfschütteln - mahnende Worte zu Rechtslage => Nicken & Schulterzucken

        Noch Fragen? So geht das •

    • @Lowandorder:

      Polizisten aus Essen und Mülheim haben auch seit Jahren rechtsterroristische und rassistische Hetze in WhatsApp Chatgruppen betrieben. Im Strafverfahren sollte nun auch herauskommen, ob die Beamten hier auch aktiv waren.